Von Wolfgang Huber
Wer kennt nicht das Zugpferd der PARTEI, Martin Sonneborn. Der ehemalige Chefredakteur der Satire-Zeitschrift Titanic ist seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments. Als solches parodiert er immer wieder Politiker mit fiktiven politischen Positionen und sorgt immer wieder mit aufsehenerregenden Aktionen für Schlagzeilen. 2009 gab es gar diplomatische Verstimmungen mit der Volksrepublik China. Bei der Frankfurter Buchmesse legte er chinesischen Besuchern und Schriftstellern Zitate über Menschenrechtsverletzungen in China in den Mund. Chinesischer Staatsmedien reagierten mit dem Vorwurf, Sonneborn habe „Die Gefühle des chinesischen Volkes“ verletzt.
Vertreter im EU-Parlament
Die PARTEI wurde 2004 von Martin Sonneborn und weiteren Redakteuren der Titanic gegründet. In Social Media tritt der „GröVaZ – Größter Vorsitzender alle Zeiten“ immer wieder als scharfer Kritiker der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf und legt regelmäßig den Finger in die Wunde bei sensiblen Themen oder undemokratischem Verhalten der EU. Zuletzt wurde Sonneborn am 9. Juni 2024 ins EU-Parlament gewählt, als seine PARTEI 1,9 Prozent der Stimmen holte, was ohne die Fünfprozenthürde bei Europawahlen für ein Mandat reicht.
Doch wie sieht es an der Basis in den Kreisverbänden vor Ort aus? Kontaktaufnahmen mit dem Vertreter der PARTEI in Offenburg scheiterten. Es kam schlicht keine Antwort. Erst auf Nachfragen beim Landesvorsitzenden für Baden-Württemberg, Peter Mendelsohn, kam etwas mehr Schwung in die Recherchen. Er bestätigte, dass die PARTEI mit einer Landesliste in Baden-Württemberg antritt, schränkte aber ein: „Aber, nein, weder alle Wahlkreise noch alle Kreisverbände konnten Kandidierende aufstellen – dazu war in der Tat die Zeit zu knapp, insbesondere, wie von Ihnen richtig angesprochen, um dann auch noch Unterstützungsunterschriften zu sammeln.“
Probleme mit dem Winterschlaf
Zwischenzeitlich meldete sich dann auch der Kreisvorsitzende des KV Emmendingen, Andreas Heidinger, der bei der Bundestagswahl federführend den Wahlkreis Emmendingen-Lahr vertritt. Er erklärt das Fehlen eines Direktkandidaten: „Aufgestellt hatten wir einen Kandidaten, am 6. Dezember 2025, für Emmendingen-Lahr, bei einer furiosen Aufstellungsversammlung. Leider ist es uns allerdings aus diversen Gründen (Schnee, Krankheit, Weihnachten, Neujahr, Winterschlaf) nicht gelungen in der Kürze der Zeit die bürokratische Hürde von 200 Unterstützungsunterschriften zu überspringen.“ Bis September wäre dies laut Heidinger sicherlich kein Problem gewesen. Nun ist die PARTEI, wie in allen Wahlkreisen, auch im Wahlkreis 283 nur mit der Zweitstimme wählbar.
Bei der letzten Bundestagswahl 2021 war Dirk Ruppenthal der „Kanzlerkandidat“ im Wahlkreis Emmedningen-Lahr. Der forderte „Korruption muss bezahlbar bleiben“ und erklärte „Aussitzen? Kann er auch!“ Ruppenthal konnte damals laut Heidinger im Emmendinger Ortsteil Maleck mit knapp 5 Prozent der Stimmen den AfD-Kandidaten Adolf Seitz hinter sich lassen.
Wahlplakate werden verschenkt
Auch Wahlkampf wird in Emmendingen und im Süden der Ortenau gemacht. Allerdings nur eingeschränkt: „Im Landkreis Emmendingen sind wir mit Plakaten vertreten. In Emmendingen sollten wir sogar Plakate abhängen. Wir hätten das erlaubte Maximum überschritten laut Stadtverwaltung. Womöglich haben Fans mit dem Plakatieren nachgeholfen.“ Man wolle die „äußerst beliebten Plakate“ am Wahlsonntag an „liebhabende Selbstabhängerinnen“ verschenken. Dadurch will sich der KV Emmendingen eventuell Arbeit beim Abhängen der Plakate sparen. Denn üblicherweise überkommt viele politisch Aktive (aller Parteien) am Tag nach der Wahl eine Art Wahlkater, der die Motivation für Aufräumarbeiten erst mal hemmt. Insbesondere, wenn das Ergebnis nicht wie erhofft ausfällt.
Ihrem Selbstverständnis als Satire-Partei werden die Parteimitglieder zudem auch durch doch sehr unkonventionelle Bezeichnungen ihrer Parteiämter gerecht. So gibt es im Kreisvorstand der Emmendinger unter anderem den „Sonderbauftragten für Schmiergelder und Korruption“, einen „Sonderbeauftragten für Unentschlossenheit und Prokastination“ und einen „Meister der Münze“. Der 2. Vorsitzender wird kurzerhand zum „Kleinen großen Vorsitzenden“ (Dirk Ruppenthal).
Humoristische Forderungen mit ernstem Hintergrund
Die PARTEI fällt bundesweit immer wieder mit selbstironischen oder humoristischen und sarkastischen Forderungen auf, die einerseits für allgemeine Erheiterung und eine gewisse Auflockerung des doch sehr aufgeheizten und verbissenen gesellschaftlichen Klimas in Deutschland sorgen, andererseits aber natürlich einen ernsten Hintergrund haben. So fanden beispielsweise die Forderungen „Managergehälter an die BH-Größe koppeln“, „Bierpreisbremse jetzt!“ oder das Absenken der Abgeordnetendiäten auf Arbeitslosengeld II-Niveau Einzug ins Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017. Außerdem sollte die Rechtfertigung „Es war Putin“ von deutschen Gerichten als schuldbefreiend anerkannt werden („Der Russe ist an allem Schuld“).
Die PARTEI ist in zahlreichen Kommunalparlamenten quer durch die Republik vertreten. Oft reichen Ergebnisse zwischen einem und vier Prozent für den Gewinn von Gemeinderats- oder Stadtratsmandaten. Eine Hochburg der PARTEI ist der Berliner Bezirk Kreuzberg. Dort erreichte die Satire-Partei bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg mit 4,8 Prozent der Erst- und 3,7 Prozent der Zweitstimmen respektable Resultate. Der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow kam bei der Bundestagswahl 2021 im Wahlkreis Dortmund I auf bemerkenswerte 8,64 Prozent der Erststimmen.
Prominente Unterstützung
Auch auf weitere prominente Unterstützung kann sich die bunte Truppe von „GröVaZ“ Martin Sonnerborn traditionell verlassen. So haben sich unter anderem Hella von Sinnen, Guildo Horn oder Dirk Bach, Rocko Schamoni oder Serdar Somuncu oder auch Mitglieder der Band „Anitlopen Gang“ bereits als Unterstützer geoutet. Mitglieder der PARTEI sind neben Martin Sonneborn auch Samiar el Quassil, Bela B., Leo Fischer, Sibylle Berg oder die Rapper Maxim und Nico von der Band K.I.Z.
Unbeachtet des Abschneidens bei der heutigen Bundestagswahl sorgt die PARTEI bei jedem Urnengang für willkommene Pointen auf Wahlplakaten in Zeiten, wo viele Wahlberechtigte eigentlich den üblichen Plakatmotiven genervt gegenüberstehen. Diese und die abgegriffenen Slogans werden oft als nichtssagend und austauschbar wahrgenommen. Nicht jedoch die Forderungen auf den Plakaten der PARTEI. „Kein Weltkrieg ohne Deutschland“, „Scheiß Natur“ oder „Toi, toi, toi. Diese Brücke hält“ werfen zudem einen kritischen Blick auf den Zustand der Republik und den Zeitgeist und bilden Farbtupfer in Zeiten der multiplen Krisen.
Foto: Der Kreisvorstand des KV Emmendingen
Siehe auch:
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