Von Wolfgang Huber
Im Wahlkreis Offenburg hat der Kreiswahlausschuss unter Kreiswahlleiter Nikolas Stoermer nach Prüfung von neun Wahlvorschlägen acht Bewerber zugelassen. „Nur der Wahlvorschlag des Bündnis „C – Christen für Deutschland“ konnte nicht zugelassen werden, da die erforderlichen 200 Unterstützungsunterschriften fehlten“, informierte Stoermer in einer Pressemitteilung. Dies wäre nötig gewesen, da diese Partei nicht bereits im Bundestag oder einem Landtag seit der letzten Wahl mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten war.
Drei krasse Außenseiter
Somit werden sich neben Johannes Rothenberger (CDU), Dirk Flacke (SPD), Taras Maygutiak (AfD) und Ann-Margret Amui-Vedel (Grüne) auch Martin Gassner-Herz (FDP), Amelie Anouk Vollmer (Linke), Adolf Huber (Freie Wähler) und Lukas Michael Klussmann (Volt) auf dem Wahlzettel wieder finden sein. Von diesen acht Kandidatinnen und Kandidaten dürften drei recht geringe Chancen haben, in den kommenden Deutschen Bundestag einzuziehen.
Doch genau diese drei Bewerber wollen wir heute vorstellen, da sie gewöhnlich bei der medialen Wahrnehmung eher unauffällig im bleiben. Im Wahlkreis Offenburg haben die Freien Wähler, Die Linke und Volt noch nie einen Abgeordneten in Berlin gestellt. Für die Freien Wähler, die zumindest bei Kommunalwahlen traditionell stark abschneiden, tritt am 23. Februar Adolf Huber an. Der Kandidat ist 63 Jahre alt und als Maurermeister / Bautechniker selbstständig in Planung und Objektabwicklung. In Oberkirch-Tiergarten sitzt er im Ortschaftsrat.
Bezahlbares Wohnen auf der Agenda
In der Pressemitteilung der Freien Wähler Baden-Württemberg anlässlich seiner Nominierung werden seine Stärken betont: „In den Bundestag bringt Huber seine langjährige Erfahrung im Bereich Wohnungs-, Straßen- und Sportstättenbau mit. Als Abgeordneter in Berlin will sich der Praktiker besonders für bezahlbaren Wohnraum einsetzen.“ Huber kritisiert in diesem Zusammenhang die ständig wachsenden Auflagen und die Bürokratie im Baubereich.
Auffällig bei den Baden-Württembergischen und Ortenauer Freien Wählern ist der Mangel an Frauen: Von den 37 Kandidaten auf der Landesliste sind nur fünf weiblich. Und in der 17-köpfigen Kreistagsfraktion der Ortenauer Freien Wähler findet sich gerade mal eine Frau. Ein Pluspunkt der Gruppierung dürfte die Unabhängigkeit sein. „Als einzige politische Kraft sind wir ohne Einfluss von Großkonzernen und können ideologiefrei handeln! Diese Unabhängigkeit ist teuer und benachteiligt uns im Parteien-Wettbewerb. Es fehlt an Millionenbeträgen im Vergleich mit den Wettstreitern“, heißt es in einem Spendenaufruf.
„Ausbeuterische, kapitalistische Wirtschaft“
Wirklich aussichtsreich ist die Kandidatur von Adolf Huber wohl nicht: Bei der Bundestagswahl 2021 erreichte die Liste der Freien Wähler 2,4 Prozent. Auch wenn Adolf Huber immerhin 3,8 Prozent der Erststimmen auf sich vereinen konnte, muss man ihn als krassen Außenseiter bezeichnen. Gleiches gilt wohl auch für Amelie Vollmer. Die Linke setzt auf den Politiknachwuchs und wählte die 21-jährige Kreisvorsitzende ohne Gegenstimme zur Direktkandidatin im Wahlkreis Offenburg.
Vollmer kritisiert den Abbau sozialer und demokratischer Rechte und einem bei der anstehenden Wahl zu erwartenden enormen Rechtsruck. Die Linken-Kandidatin nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie die „Überwindung der ausbeuterischen, kapitalistischen Wirtschaft“ fordert. Neben Friedenspolitik, Antikapitalismus sowie feministischer Politik legt sie einen Schwerpunkt angesichts steigender Preise und Mieten vor allem auf soziale Gerechtigkeit.
Jüngste Kandidatin
Sozialpolitik ist auch das Leib- und Magenthema der Linken, bei dem sie nicht die klaren Worte scheut: „Die scheiß Mieten sind zu hoch. Alle Menschen müssen wohnen und verdienen ein sicheres Zuhause für sich und ihre Familien. Die Bundesregierung hat die Mieterinnen und Mieter vollkommen im Stich gelassen“, wird sie in einer Pressemitteilung zitiert und fordert eine andere Wohnungspolitik. Die Menschen kämen kaum noch über die Runden, „während die Bundesregierung Milliarden Euro in die Aufrüstung verpulvert.“
Beruflich ist Amelie Vollmer im Verkauf tätig und ist u. a. Kreissprecherin der Linken Ortenau sowie Mitglied im Landesvorstand der Linken Baden-Württemberg. 2021 kandidierte Vollmer als damals jüngste Kandidatin bei der Landtagswahl von Baden-Württemberg an. Im Ländle ist ihre Partei noch nie über eine Statistenrolle hinausgekommen und ist bei der Bekanntgabe der Ergebnisse traditionell unter den „Sonstigen“ zu finden. So erreichte der Linken-Kandidat Simon Bärmann bei der letzten Bundestagswahl lediglich 2,7 Prozent der Erststimmen. Angesichts dieser Voraussetzungen muss sich auch Amelie Vollmer mit der Rolle als krasse Außenseiterin abfinden.
„Best Practices implementieren“
Last but not least kommen wir zum eigentlichen Exoten unter den Kandidaten im Wahlkreis 284 Offenburg. So nominierte die junge, paneuropäische Partei Volt, die im hiesigen Wahlkreis als Volt Ortenau-Straßburg firmiert, Lukas Klussmann einstimmig zum Kandidaten für die Bundestagswahl 2025. Wie auf der Website nachzulesen ist, wuchs Klussmann im Allgäu auf und lebt seit knapp 10 Jahren in der Ortenau. Zunächst habe er sich bei anderen Parteien engagiert, bevor der 24-jährige Speditionskaufmann im Sommer 2024 seine politische Heimat bei Volt gefunden habe.
Als seine Schwerpunktthemen nennt Klussmann soziale Gerechtigkeit und Bildung. Er kritisiert, dass Kinder aus finanziell schwachen Familien zu selten in der Lage seien, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Ansonsten setze er sich für Bildungsgerechtigkeit und fordert, sich dafür Anregungen im Ausland zu holen: „Wir sollten für jedes Kind in Europa die gleichen Chancen schaffen. Dazu braucht es ein starkes Europa, welches dafür die Grundlagen in jedem Mitgliedstaat schafft. Aber bereits jetzt können wir uns beispielsweise an den nordischen Ländern orientieren, von ihrer Vorreiterrolle lernen und deren Best Practices hier implementieren“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Schengen-Abkommen wirkungslos
Volt Deutschland tritt mit ihrem Wahlprogramm unter dem Motto: „Für ein Land, das sich Zukunft traut“ für eine radikale Reformpolitik ein. Im Bereich Klimaschutz fordert Volt u. a. die Entwicklung eines europäischen Hochgeschwindigkeits-Bahnnetzes. Neben Smart Cities und der Reform der Schuldenbremse findet sich der Wunsch nach „Reduzierung der Mehrwertsteuer auf nachhaltige Produkte, Arznei- und Verhütungsmittel auf 7 Prozent sowie die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel.“
Bei einem der genannten Programmpunkte lässt sich Gegenwind vermuten: Die „Einführung eines solidarischen europäischen Asylsystems, verbunden mit der Auflösung von Frontex zugunsten neuer humanitärer Ansätze.“ Erst am Donnerstag hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser das Schengen-Abkommen als wirkungslos bezeichnet. Doch genau darauf beruft sich Volt mit der Forderung nach offenen europäischen Binnengrenzen statt Grenzkontrollen. Damit stellt sich die Partei gegen die derzeitige Stimmung und kritisiert die „zunehmende populistische, nationalistische Rhetorik.“
Vielfältige Demokratie
Bei der Wahl 2021 bekam Volt lediglich 0,3 Prozent der Zweistimmen. Einen Direktkandidaten gab es noch nicht. Zwar holte Volt bei den Europawahlen 2024 bundesweit drei Mandate und koaliert in mehrere Großstädten mit anderen Parteien. Dennoch muss man wohl die Kandidatur von Klussmann als aussichtslos bezeichnen. Denn zum einen gibt es bei der Bundestagswahl im Gegensatz zur Europawahl die Fünfprozenthürde und zum anderen ist die Ortenau keine Großstadt, sondern eher ländlich geprägt. Somit ist Lukas Klussmann für die Redaktion des Ortenau Journals der dritte krasse Außenseiter unter den Direktkandidaten im Wahlkreis 284 Offenburg. Auch die Wiederwahl von Martin Gassner-Herz (FDP) steht auf der Kippe (wir berichteten). Er wäre der vierte Außenseiter.
Auch wenn kaum einer dieser vier Politiker reelle Chancen hat, in den nächsten Deutschen Bundestag einzuziehen, ist ihre Beteiligung bei dem Urnengang am 23. Februar im Wahlkreis 284 Offenburg nicht hoch genug zu bewerten. Denn unser politisches System lebt von der Vielfalt und Pluralität ihrer Akteure und deren Parteien. Gerade auch Minderheitenmeinungen haben ihre Berechtigung und bereichern den demokratischen Willensbildungsprozess. Und sie sind der Beweis für eine engagierte Gesellschaft und eine lebendige Demokratie.
Foto: Die Kandidatin der Partei Die Linke, Amelie Vollmer.
Siehe auch:
So stehen die Chancen von Martin Gassner-Herz (FDP) für ein erneutes Bundestagsmandat
Dirk Flacke (SPD): „Steuergelder müssen wieder den Bürgern zugutekommen“
AfD stellt Taras Maygutiak für den Bundestagswahlkreis Offenburg auf
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CDU-Kandidat Johannes Rothenberger will sich für Sozialen Wohnungsbau einsetzen
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