Es ist ein Risikofaktor für die gesamte deutsche Wirtschaft und eine Lösung scheint erstmal nicht in Sicht. Die Rede ist von der Ausbildungskrise. Unternehmen können ihren Bedarf an Nachwuchs- und Fachkräften immer seltener durch eigene Ausbildungsangebote decken. So konnte im August laut einer Umfrage der IHK Südlicher Oberrhein fast jedes zweite Unternehmen noch immer nicht alle Lehrstellen besetzen.
OECD-Analyse zeigt Defizite
71 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, keine geeigneten Bewerbungen erhalten zu haben. Beängstigende 41 Prozent hätten demnach überhaupt keine Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen erhalten. Bei 6 Prozent der Betriebe sind Azubis trotz Vertrags einfach nicht zum Ausbildungsstart erschienen. Hierzu passt eine OECD-Analyse, über die der HR-Blog des RKW Kompetenzzentrums berichtet.
Einst Motor des Erfolgs
Vom Aushängeschild zum Sorgenkind – so beschreibt das RKW Kompetenzzentrum die aktuelle Lage der dualen Ausbildung in Deutschland. Sonja Müller, die Autorin eines Fachbeitrags, zeichnet darin ein differenziertes Bild eines Systems, das einst als Motor des wirtschaftlichen Erfolgs galt, heute aber zunehmend ins Wanken gerät.
Zunehmende Akademisierung
Das duale Ausbildungssystem, das Theorie und Praxis eng verzahnt, gilt international seit Jahrzehnten als Vorbild. Doch die Zahlen zeigen: Während 2015 noch rund die Hälfte der 25- bis 34-Jährigen in Deutschland einen Berufsabschluss vorweisen konnte, waren es 2023 nur noch 38 Prozent – der stärkste Rückgang im OECD-Vergleich. Gründe dafür seien die zunehmende Akademisierung, die demografische Entwicklung mit sinkenden Schülerzahlen, die mangelnde Attraktivität vieler Ausbildungsberufe und nicht zuletzt Defizite in der Finanzierung.
Immer mehr Schüler streben ein Studium an. Foto: Hochschule Offenburg
Grasierende Unsicherheiten
Besondere Brisanz erhalte das Thema durch die jüngste OECD-Analyse „Teenage Career Readiness“, die auf den PISA-Daten 2022 basiert. Weltweit zeigt sich eine wachsende Unsicherheit junger Menschen: Rund 40 Prozent der 15-Jährigen fühlen sich unsicher in Bezug auf ihre berufliche Zukunft – ein deutlicher Anstieg gegenüber 2018. In Deutschland wissen demnach vier von zehn Jugendlichen nicht, welchen Beruf sie ergreifen wollen. Für Müller ist dies ein Hinweis auf erhebliche Defizite in der Berufsorientierung.
Bei Praktika an der Spitze
Zwar liegt Deutschland bei Praktika mit 73 Prozent international an der Spitze, auch die Eigeninitiative vieler Jugendlicher – 88 Prozent informieren sich online über Berufsmöglichkeiten – ist beachtlich. Doch bei anderen Maßnahmen hinkt das Land laut der Studie hinterher. Nur knapp ein Drittel der Jugendlichen besucht eine Ausbildungsmesse, während es in der Schweiz mehr als doppelt so viele sind. Besonders eklatant ist der Rückstand beim „Job Shadowing“: Nur 41 Prozent der Jugendlichen haben diese Möglichkeit genutzt, in der Schweiz liegt der Wert bei 79 Prozent.
Deutlich zu wenig Beratung
Zahlreiche regionale Initiativen wie „Azubi-Speed-Datings“, „Nacht der Ausbildung“ oder „Ausbildungsbotschafter“ bereichern zwar das Angebot, würden aber längst nicht alle Jugendlichen erreichen. Im internationalen Vergleich zeigt sich zudem ein strukturelles Defizit: Während in nordischen Ländern und sogar in Costa Rica Berufsberatung fest im Schulsystem verankert ist, übernehmen Müller zufolge diese Aufgabe hierzulande meist Lehrkräfte oder Sozialarbeitende ohne spezielle Ausbildung. Lediglich 44 Prozent der deutschen Jugendlichen hatten überhaupt schon einmal ein Beratungsgespräch – in Costa Rica sind es fast 60 Prozent.
Eine duale Ausbildung bringt meist eine sichere Zukunft. Foto: freepik
Negativrekorde für Deutschland
Die Folgen sind spürbar: 57 Prozent der deutschen Jugendlichen fühlen sich im letzten Schuljahr nicht ausreichend auf ihren beruflichen Weg vorbereitet, 59 Prozent sind überzeugt, dass die Schule sie nicht gut auf die Anforderungen im Job einstimmt. Beides sind Negativrekorde im internationalen Vergleich. Auch die Zukunftserwartungen sind gedämpft: Während in Costa Rica 81 Prozent der Jugendlichen wissen, welchen Beruf sie mit 30 Jahren ausüben wollen, sind es in Deutschland nur 51 Prozent.
Pessimismus bei Schülern
Bei den Bildungsambitionen landet Deutschland sogar auf dem letzten Platz: Fast die Hälfte der Befragten geht nicht davon aus, je höhere Qualifikationen zu erreichen. Müller zieht daraus ein deutliches Fazit: Deutschland ist zwar in einigen Bereichen wie Praktika oder Ausbildungsmessen gut aufgestellt, doch die systematische Berufsorientierung bleibt Stückwerk.
Mehr Berufsorientierung nötig
Vor allem der Einsatz speziell geschulter Beraterinnen und Berater an Schulen sei entscheidend, um das Niveau der Berufsorientierung an internationale Standards heranzuführen. Andernfalls drohe das einstige Erfolgsmodell duale Ausbildung weiter an Attraktivität zu verlieren – mit gravierenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft.
ChatGPT/wh
Zum Ausgangsartikel:
Vom Vorbild zum Sorgenkind – die duale Ausbildung unter Druck
Siehe auch hier:
Immer mehr Jugendliche ohne Ausbildung: Praktikumsprämie soll Trend stoppen
IHK-Umfrage unter GenZ-Azubis im Südwesten widerlegt Klischees
Koehler investiert in modernes Ausbildungszentrum – „Koehler Paper Campus“ startet im September 2025
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