Von Wolfgang Huber
Beim Zweckverband Gewerbepark Ettenheim/Mahlberg macht sich Zufriedenheit breit. So eröffneten sich „erfreuliche Perspektiven“ durch die finanziellen Bilanzen beim Wirtschaftsplan 2025 und der Feststellung des Jahresabschlusses 2021, wie es in der jüngsten Sitzung des Gremiums hieß. Im Erschließungskonto ergibt sich ein positiver Saldo in Höhe von vier Millionen Euro, das den beiden Verbandsgemeinden Ettenheim (52 Prozent) und Mahlberg (48 Prozent) zugute kommt, wie die Stadt Ettenheim auf ihrer Website schreibt.
Mehr Geld für das Stadtsäckel
Doch künftig dürfte sich die Zufriedenheit von Ettenheims Kämmerer Alexander Ruchti und Bürgermeister Bruno Metz, der auch Zweckverbandsvorsitzender ist, nochmal deutlich erhöhen. Denn das vorherrschende Thema des Abends war die Ansiedlung des Amazon-Verteilzentrums. Dadurch entstünden nicht nur hunderte Arbeitsplätze, sondern es werde auch eine Menge zusätzliches Geld in die kommunalen Kassen der beiden Partner spülen.
So zog Bruno Metz laut dem Bericht von Klaus Schade eine positive Zwischenbilanz des Zweckverbands, der bereits seit 2019 schwarze Zahlen schreibe. Die Wirtschaftskraft wurde gestärkt und Arbeitsplätze geschaffen. In Zahlen ausgedrückt: 32 Hektar des Zweckverbandsgebiets DYNA5 werden von 24 Unternehmen belegt, die zusammen 300 Arbeitsplätze bieten. Lediglich ein Grundstück mit 9.000 Quadratmetern sei noch frei, heißt es weiter.
Hunderte neue Arbeitsplätze
Nun plant der Online-Versandhändler Amazon laut Metz die Schaffung von 200 festen und 400 freien Arbeitsplätzen. Was man unter „freien“ Arbeitsplätzen versteht, wurde in der Sitzung nicht genauer spezifiziert. Angesichts der in den USA verbreiteten Auffassung von Arbeitnehmerrechten ist Schlimmes zu befürchten. Dazu gleich mehr.
Der globale Online-Handelsriese will eine Halle mit einer Grundfläche von über 9.000 Quadratmetern sowie ein Parkhaus mit einer Grundfläche von 4.859 Quadratmetern bauen. Letzteres soll Platz für unter anderem 110 PKW-Stellplätze, 36 Motorräder und 36 Fahrräder bieten. Das Erdgeschoss der Halle will Amazon für die logistische Abwicklung nutzen. Bei vorhandenem Obergeschoss seien Büros und Räume für die Mitarbeiter wie Umkleiden und sanitäre Anlagen vorgesehen. Das Bauvorhaben werde den Vorgaben des Bebauungsplans gerecht, heißt es.
Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen?
Ob Ettenheim und Mahlberg den US-Konzern zur Einhaltung deutscher Arbeitsrechtsstandards anhalten wollen oder dies bereits getan haben, ist zunächst nicht bekannt. Die Arbeitsbedingungen bei Amazon gelten laut Medienberichten als menschenunwürdig. So kritisieren Gewerkschaften und Datenschützer die Arbeitsbedingungen bei Amazon scharf. Beobachtet werden Verstöße gegen Arbeitszeitgesetze, das Mindestlohngesetz, das Gesetz zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Datenschutz, wie Tina Morgenroth in einem Bericht schreibt, aus dem die Hans-Böckler-Stiftung auf ihrer Website zitiert.
„Von oben herab und arrogant“
Wie die Website IPG der Friedrich-Ebert-Stiftung festhält, verweigert Amazon immer noch die Unterschrift unter einen Branchentarifvertrag. Aufgrund seiner ideologischen Gewerkschaftsfeindlichkeit führe der Konzern auch grundsätzlich keine Tarifverhandlungen. Und SWR Online berichtet am Beispiel des Logistikzentrums Kaiserslautern von geradezu militärischem Umgangston der Vorgesetzten mit den Arbeitern: „Wie im Militär, von oben herab und arrogant“ soll der Umgangston der Führungskräfte bei Amazon in Kaiserslautern sein. „Viele vom Führungspersonal unterdrücken und erniedrigen die Beschäftigten und respektieren sie nicht“, sagt Gewerkschaftssprecher Veli Eroglu gegenüber dem SWR.
„Totalüberwachung der Angestellten“
Und weiter: „Die Beschäftigten sollen wie Roboter funktionieren, mit Computersoftware und Kameras kontrolliert und überwacht das Unternehmen jeden Schritt der Beschäftigten und übt psychischen Druck aus, wenn sie nicht schneller arbeiten können.“ So dürfe laut dem Arbeitnehmervertreter die Arbeitswelt der Zukunft nicht aussehen.
Über die Totalüberwachung der Angestellten berichtet auch die Hans-Böckler-Stiftung. So sammele Amazon mit Apps, Scannern und Kameras permanent Daten über seine Beschäftigten. Der Versandhändler wisse ständig, was die Beschäftigten gerade tun, ob sie beispielsweise gerade auf der Toilette sind. Die Kontrolle reiche bis zur Auslieferung der Pakete an der Wohnungstür. Das Geschäftsmodell des Konzerns basiere „auf einer Steuerung und Kontrolle der Arbeit durch Vernetzung und künstliche Intelligenz“, wird aus dem Artikel von Tina Morgenroth weiter zitiert.
Geringe Deutschkenntnisse
In Deutschland betreibe Amazon Stand 2022 18 Logistikzentren, 5 Sortierzentren und mehr als 50 Verteilzentren. Im Bereich der Paketzustellung würden hierzulande alleine 25.000 Fahrerinnen und Fahrer arbeiten. Meistens seien diese Soloselbständige oder Subunternehmer und hätten einen Migrationshintergrund. Die Deutschkenntnisse seien gering. Die Betriebsräte, die es immerhin in einigen Amazon-Logistikzentren gebe, hätten zwar schon Streiks erfolgreich organisiert, aber einen Tarifvertrag gebe es noch nicht.
Teilweise erfolgreiche Gewerkschaft
In Deutschland ist die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di aktiv im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen. So sei der Druck auf Amazon laut IPG teilweise von Erfolg gekrönt gewesen. Löhne seien deutlich gestiegen. Teilweise gebe es Betriebsräte. Aus Angst vor einem Dominoeffekt verweigere das US-Unternehmen jedoch wie oben erwähnt die Teilnahme an Tarifverhandlungen. Nötig sei kontinuierlicher Druck aus der Öffentlichkeit, der Politik und von Regulierungsbehörden, um mehr für die Angestellten zu erreichen.
Amazon mehrfach ausgezeichnet?
Amazon selbst schildert in seinem Online-Pressebereich die Arbeitsbedingungen allerdings ganz anders. Man wolle der „beste Arbeitgeber“ sein. Mehrere unabhängige Institute hätten die Attraktivität des US-Riesen als Arbeitgeber bestätigt. So sei der Konzern 2025 zum dritten Mal in Folge als Top Employer in Deutschland zertifiziert worden. In Anerkennung seines Engagements für die Entwicklung und das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Und im LinkedIn Top Companies Ranking 2025 in Deutschland rangiere man auf den Spitzenplätzen. Auszeichnungen habe es zudem für die Integration von Ü50-Mitarbeitern sowie schwerbehinderten oder gehörlosen Kollegen gegeben.
„Einstiegslohn bei 15 Euro aufwärts“
Doch wie kommt Amazon zu diesen Einschätzungen? In dem Beitrag gibt das Unternehmen den Einstiegslohn für Logistikmitarbeiter in Deutschland auf umgerechnet bei 15 Euro brutto pro Stunde aufwärts an. Für Vollzeitbeschäftigte liege der Lohn dann nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit im Durchschnitt bei 39.000 Euro brutto pro Jahr. Bezogen auf Jobs in der Logistik ohne Vorqualifikation. Außerdem weist Amazon auf die „hervorragenden Karrierechancen“ hin. Vielleicht muss jeder selbst seine Erfahrungen machen. Die Maßstäbe sind mitunter verschieden.
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