Wirtschaft

„Todesstoß für die Solarbranche“: Offenburger Enerix-Chef Paul Haas warnt vor riesigem Arbeitsplatzverlust

© Enerix – PV-Anlagen werden von Handwerkern installiert. Die Branche bietet rund 150.000 Arbeitsplätze.
Wie erlebt ein Solar-Unternehmer die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Umbrüche? Paul Haas, Franchise-Nehmer von Enerix in Offenburg, spricht im Interview offen über Boomjahre, Krisenzeiten und die Unsicherheit rund um Netzentgelte und Förderkürzungen. Er schildert, warum die Energiewende ausgebremst wird, welche Folgen drohen und weshalb regionale Lösungen und Speichertechnologien für die Zukunft unverzichtbar sind. Ein Einblick in eine Branche am Scheideweg.
Von Wolfgang Huber

Der Unternehmer Paul Haas ist 2020 in das Geschäfts mit PV-Anlagen und Erneuerbare Energien eingestiegen uns sich zunächst mit fast 20 Mitarbeitern am Markt etabliert. Damals wurden private Hausbesitzer und Investoren noch gezielt gefördert. Inzwischen bläst der gesamten Solarbranche ein eisiger Wind ins Gesicht, wenn es nach der Politik geht. Hunderttausende Arbeitsplätze sind in Gefahr.

Folgen für die Branche

Der Grund: Wirtschaftsministerin Katherina Reiche will die Förderung für PV-Anlagen streichen. Im Interview mit dem Ortenau Journal spricht Paul Haas über die Entwicklungen und die Folgen für die Branche und die Wirtschaft insgesamt. Für bestehende Anlagen besteht jedoch Bestandsschutz. Lest hier die ganze Geschichte von Aufstieg und drohendem Absturz der Solarindustrie in Deutschland.

Interview mit Paul Haas:

Ortenau Journal: Enerix ist ein Franchiseanbieter für PV-Anlagen verschiedenster Größen. Wann haben sie ihren Betrieb in Offenburg aufgenommen?

Paul Haas: Wir sind 2020 gestartet.

Ortenau Journal: Welche politischen Rahmenbedingungen fanden sie zu dem Zeitpunkt vor?

Paul Haas: Besser als zur Zeit. Es gab Fördermöglichkeiten, vergünstigte Darlehen und es war vom Handling her sehr viel einfacher. Und nicht zuletzt waren die Einspeisevergütungen 2020 mehr als doppelt so hoch. Sie lagen damals bei 18 Cent pro kWh, inzwischen sind wir bei 6,82 Cent.

Ortenau Journal: Wie hat sich das Geschäft in den vergangenen Jahren entwickelt?

Paul Haas: Ganz unterschiedlich. Es gab eine normale Nachfrage bis zum Ukraine-Krieg. Der hat alles verändert. Es gab einen Ansturm auf PV-Anlagen, auch weil die Strompreise explodiert sind. Wir konnten gar nicht alle Kunden bedienen. Nachdem der Run abgeflacht war, sind wir dann dafür in eine schwere Krise manövriert. 2024 gab es einen Umsatzrückgang von 30 bis 40 Prozent. Zusätzlich haben Gerüchte wegen etwaiger Gebühren auf Netzentgelte und technischen Begrenzungen der Stromeinspeisungen die Kunden verunsichert.

Paul Haas Unternehmer

Unternehmer Paul Haas will aus der Krise gestärkt hervorgehen. Foto: Enerix Offenburg

Ortenau Journal: Wo liegen die Schwerpunkte bei der Kundennachfrage? Auf Balkon-, Dach- oder Industrie-PV-Anlagen?

Paul Haas: Wir sind im Ein- und Zweifamilienhausbereich tätig zwischen 5 und 30 kWp. Es geht hauptsächlich um Privathaushalte, wo auch das Thema Speicher eine Rolle spielt. Der Industrie- und Gewerbebereich betrifft uns nicht. Aber genau bei den Privatkunden gibt es jetzt wieder eine Verunsicherung wegen sinkender Einspeisevergütungen. Trotz des Wegfalls der Mehrwertsteuer. Die Leute wissen nicht, wie es weiter geht, auch bezüglich der Netzentgelte, die sie evtl. bald bezahlen müssten. Und die Leute sind nicht bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen, wenn es sich nicht rechnet.

Ortenau Journal: Die Entscheidung, die Förderung von PV-Anlagen zu streichen, hat Wirtschaftsministerin Katherina Reiche schon Wochen zuvor angekündigt. Wie hat sich alleine diese Ankündigung bei ihnen unmittelbar ausgewirkt?

Paul Haas: Frau Reiche hat ja inzwischen klar gemacht, dass sie nicht auf Windenergie setzen möchte. Sie setzt auf die Brückentechnologie Gas. Sie möchte den Weg hin zu den klassischen Energieträgern gehen. Dadurch werden die Klimaziele weiter nach hinten geschoben. Das will sie auch erreichen, weil sie die Energiewende für zu schnell und zu teuer hält. Verstehen muss man das nicht. Denn die Kilowattstunde Solarstrom ist weitaus günstiger, als bei Atom oder Gas.

Ortenau Journal: Glauben sie, es spielt eine Rolle, dass Katherina Reiche aus der Energiebranche kommt und vielleicht eine gewisse Nähe zur Industrie hat?

Paul Haas: Defintiv ja. Da macht sie auch keinen Hehl draus. Sie kommt aus der Gaskraftwerksbranche, denen ist sie näher als den Erneuerbaren Energien. Man muss bei der Energiewende sicher über die Kosten reden. Aber ganz einseitig wieder zurück zu gehen und alles, was angestoßen wurde bei den Erneuerbaren jetzt wieder auszubremsen, ist eine Katastrophe. Ein Rückschritt.

Ortenau Journal: Besitzer von PV-Anlagen sollen nach den Plänen der Wirtschaftsministerin künftig Netzentgelte zahlen. Ist das der Todesstoß für ihr Unternehmen?

Familie PV-Anlage Einfamilienhaus

Besitzer von PV-Anlagen sollen künftig Netzentgelte bezahlen. Foto: Enerix Regensburg

Paul Haas: Absolut. Für die Branche insgesamt. Es gibt viele Anbieter im Handwerksbereich in der Ortenau. Im Moment ist die Nachfrage zwar hochgeschnellt wegen der Mehrwertsteuerbefreiung, den derzeitigen Einspeisevergütungen und weil noch keine Netzentgelte zu bezahlen sind. Wenn diese Förderungen aber wegfallen, sieht es wirklich düster aus. Da müssen wir dann überlegen, ob wir so weitermachen können. Das ist sehr kritisch für uns.

Ortenau Journal: Bis die Änderungen von Frau Reiche kommen, gibt es ja noch den Bestandsschutz für bereits bestehende PV-Anlagen, oder?

Paul Haas: Ja korrekt. Man sieht es an der EEG-Umlage. Wenn man diese EEG-Verträge auf 20 Jahre bekommt, und das ist derzeit der Fall, profitiert man von der Einspeisevergütung. Auch wenn es nur sechs oder sieben Cent pro kWh sind. Diese Verträge sind nicht kündbar. Bei den Netzentgelten gibt es keinen Bestandsschutz, die gelten für alle. Dafür werden vermutlich auch die älteren Anlagen herangezogen. Wenn sie 20.000 Euro in eine PV-Anlage investiert haben, und müssen dann irgendwann noch zwei oder drei Cent Netzentgelte bezahlen, dann ist das schon fast Betrug. Sie sind ja verpflichtet, Strom einzuspeisen.

Ortenau Journal: Hat das Geschäft mit den Wärmepumpen bei Enerix Offenburg eine relevante Größe?

Paul Haas: Ja, das hat es. Wir wollten eigentlich als eigenständiger Anbieter in diesen Markt einsteigen, aber die Nachfrage lässt das nicht zu. Deshalb haben wir einen Partner aus Willstätt, der uns im Bereich Wärmepumpen zuarbeitet. Es läuft mäßig. Für ein Zwei-Personen-Unternehmen reicht die Nachfrage aus, aber mehr nicht.

Ortenau Journal: D. h. sie können den drohenden Nachfrageeinbruch bei den PV-Anlagen nicht kompensieren.

Paul Haas: Der Markt ist ähnlich schwach im Moment. Dann ist beim Heizungsgesetz in der Diskussion, ob die Förderungen so weiter laufen sollen wie bislang. Und es ist offen, ob die fossilen Brennstoffe ein Comeback erleben werden. Sprich, ob es wieder möglich wird, sich eine Öl- oder Gasheizung einzubauen (Wenn die alte kaputt ist/Anm. d. Red.).

Ortenau Journal: Schon einmal hat die Bundesregierung unter Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit der EEG-Novelle 2016 die Solarförderung gekürzt. Daraufhin mussten zahlreiche Akteure der Solarwirtschaft aufgeben. Fürchten sie, dass das jetzt erneut passieren könnte?

Paul Haas: Ja, definitiv. Das Hauptproblem sind wie gesagt die Netzentgelte. Bisher sind unsere Anlagen in 8 bis 14 Jahren rentabel. Das schaffen wir dann nicht mehr.

Ortenau Journal: Mit Solarbranche meine ich auch die Hersteller von Solarzellen. Es gab da auch einen aussichtslosen Preiskampf mit staatlich hochsubventionierten chinesischen Herstellern. Das war eher aussichtslos.

Paul Haas: Ja absolut. Mit dem Standort Deutschland – Stichwort „Made in Germany“ waren wir mal der absolute Vorreiter bei Solarmodulen. Das hat damals in unserer Region, in Freiburg, begonnen. Nach der Wende hat sich dann Ostdeutschland als Produktionsschwerpunkt etabliert, auch durch staatliche Subventionen. Leider hat aber der asiatische Markt Deutschland überrannt. Ein Grund war auch die Streichung der Subventionen durch das FDP-geführte Wirtschaftsministerium. Tatsächlich gibt es aktuell keinen einzigen Produzenten von Solarmodulen mehr in Deutschland. Selbst Meyer Burger hat die Produktion in Deutschland eingestellt. Das heißt, diese Industrie ist bei uns gestorben.

Ortenau Journal: Kommen die Solarmodule von Enerix auch aus China?

Paul Haas: Ja, tatsächlich. Sie kommen aus China und Malaysia. Es haben sich ein paar deutsche Hersteller gehalten, aber die produzieren in Fernost.

Ortenau Journal: Wie viele Arbeitsplätze wären aufgrund der Pläne von Katharina Reiche in der Ortenau gefährdet? Kann man das abschätzen?

Solarhandwerker Dach PV-Anlage

Alleine das Solarhandwerk beschäftigt Zehntausende Menschen. Foto: Enerix

Paul Haas: Deutschlandweit sind es 150.000 Arbeitsplätze, die alleine im Solarhandwerk wegfallen. So viel kann ich sagen. Wie es in der Branche insgesamt aussieht, also unter Einbeziehung von Wechselrichterherstellern oder Speicherproduzenten, weiß ich nicht. Aber zusammen genommen geht es in die Hunderttausende.

Ortenau Journal: Können sie die Argumente, dass die subventionierten zeitweiligen Solar-Überschüsse das Stromnetz überlasten würden, nachvollziehen?

Paul Haas: Ja, das ist so. Wir haben auch Einzelfälle hier in der Ortenau, die den überschüssigen Strom nicht einspeisen dürfen, weil das Stromnetz den nicht mehr aufnehmen kann. Da sind die Netze einfach zu schlecht ausgebaut. Deswegen brauchen wir unbedingt ein besseres Stromnetz, das wird auch von unseren Verbänden gefordert. Wir brauchen auch intelligente Zähler, die die Einspeisung so regeln, dass es nicht zu diesen Überlastungen kommt. Desweiteren ist die Speichertechnologie wichtig. Wir wollen keine PV-Anlagen mehr ohne Speicher bauen, die die Kapazitäten abfangen und auf die Nacht verteilen. So kann der Strom dann verbraucht werden, wenn die Sonne nicht scheint. Nur so können die Privathaushalte bis zu 80 Prozent autark werden.

Ortenau Journal: Stimmen sie überein, dass das deutsche Stromnetz mehr steuerbare, grundlastfähige Kraftwerke braucht, auch wenn es fossile Gaskraftwerke sind?

Paul Haas: Wir haben genügend Gaskraftwerke, die in der Lage sind, Zeiten ohne Sonne und Wind zu überbrücken. Das jetzt neue Gaskraftwerke gebaut werden sollen, ist für mich reiner Lobbyismus.

Ortenau Journal: Ein Argument von Katharina Reiche ist, dass der Netzausbau nicht mit dem Ausbau der Erneuerbaren mithalten kann, was zu Solarspitzen mit negativen Preisen an der Strombörse führe. Ist es für sie nicht verständlich, wenn man jetzt erst mal das Stromnetz ausbauen will und die Erneuerbaren etwas verzögert ausgebaut werden?

Paul Haas: Da ist das Kapital der großen Netzbetreiber und Stromerzeuger gefragt. Warum investiert man in Gaskraftwerke, man braucht doch das Kapital für den Netzausbau. Das ist auch Konsens in der Branche. Wenn man auf zentrale Energieerzeugung setzt, braucht man die Netze, um den Strom zu verteilen. Unser Motto bei Enerix ist: Wir brauchen Regionalität, auch in der Stromerzeugung. Die regionalen Netzbetreiber brauchen Unterstützung. Und die Privathaushalte und Gewerbebetriebe müssen an der Energiewende beteiligt werden. Wir brauchen private Investitionen, um die Energiewende voranzutreiben. Und nicht, wie Eon oder RWE mit Gaskraftwerken.

Ortenau Journal: Die Gaskraftwerke sollen doch so ausgelegt sein, dass man sie später auf Wasserstoff umrüsten kann.

Paul Haas: Wasserstoff ist für mich die Energie der Zukunft, das müssen wir forcieren. Der Wasserstoff muss aber mit Erneuerbaren Energien produziert werden. Es nützt uns nicht, wenn wir das Gas von weit her importieren per Schiff oder Pipeline. Der Wasserstoff muss auch da erzeugt werden, wo er gebraucht wird.

Ortenau Journal: Spielen die Wallboxen für die E-Mobilität eine Rolle in ihrem Geschäft?

Paul Haas: Es gab ja 2023 noch die Förderung für die Wallboxen. Da wurden von einer 1.600 Euro-Investition 600 Euro gefördert. Das ist eingestellt worden, genau so wie die Kaufprämie für E-Autos. Wir selbst haben 2023 noch 100 Wallboxen installiert und 2024 nur noch fünf.

Ortenau Journal: Es kommt häufiger vor, dass die Politik einen eingeschlagenen Weg wieder verlässt und in eine völlig andere Richtung abbiegt.

Paul Haas: Es sind noch nicht mal die Entscheidungen selbst. Oft reichen schon ein paar Äußerungen in Interviews um die Verbraucher zu verunsichern und einer ganzen Branche Schwierigkeiten zu bereiten. Im Solarhandwerk gab es vom Jahresbeginn weg eine Insolvenzwelle. Es werden immer weniger. Es gibt momentan eine Marktbereinigung, das musste sein. 2021 wurden Überkapazitäten aufgebaut. Aber der Markt ist reguliert und die wenigen Meisterbetriebe, wie wir es sind, haben jetzt das Problem der sinkenden Nachfrage. Der Klimawandel ist für mich die größte Herausforderung der heutigen Generationen. Aber andere Themen sind der Gesellschaft zur Zeit wichtiger. Dennoch bleibe ich dabei: Die fossilen Brennstoffe müssen weg.

Siehe auch hier:

badenova verkauft Biogasanlagen und forciert Investitionen in Windkraft, Solar und grünen Wasserstoff

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