Von Wolfgang Huber
Regelmäßig kommen von dem Unternehmensverband wvib Schwarzwald AG die Ergebnisse von Umfragen unter den Mitgliedsunternehmen, die interessante Einblicke in die wirtschaftliche Realität in Baden-Württemberg ermöglichen. Für die Wirtschaftsberichterstattung ist das nicht unerheblich, denn nach wie vor gilt: Psychologie ist für Wohl und Wehe einer Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung. Zudem lassen sich aus den Zahlen in der Regel konkrete Schlüsse ziehen. So auch heute.
Raum für kontroverse Debatten
Die wvib fragt ihre Mitglieder in den sogenannten wvib-Clustern wie Automotive oder Familienunternehmen ab. Diese beschäftigen sich mit Fragen, die Branchen, Unternehmenstypen und Unternehmertypen bewegen. Sie bieten als Plattform Denkanstöße und Raum für offene, auch kontroverse Debatten und den Austausch von Positionen – sowohl innerhalb des Verbands, als auch in der Öffentlichkeit. Debatten dürfte neben der aktuellen Konjunkturumfrage auch die gescheiterte Wahl von Friedrich Merz am heutigen Dienstag im Bundestag auslösen. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die Zahlen.
Noch keine Trendwende
Demnach hat sich nämlich die Stimmung in der baden-württembergischen Industrie leicht verbessert. Zum ersten Mal seit einem Jahr melden die Unternehmen eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Von einer echten Trendwende kann aber noch keine Rede sein. Dazu sind die Basiseffekte – also die leichte Verbesserung nach einem schlechten Vorjahr – zu groß. Das sind zusammengefasst die Ergebnisse der aktuellen Erhebung der wvib Schwarzwald AG.
Für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2025 meldeten die wvib-Mitgliedsunternehmen laut einer Pressemitteilung ein Umsatzplus von 2,3 Prozent. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres gaben die Unternehmen noch ein Umsatzminus von einem Prozent an. Ein erster Wert, der von Minus ins Plus gedreht ist. Für das Gesamtjahr 2024 meldeten die Mitgliedsunternehmen ein Umsatzminus von 4,8 Prozent, wie die wvib weiter mitteilt.
US-Politik bringt Unsicherheiten
„Die Industrie hat im ersten Quartal wie ein Löwe gekämpft. Ob daraus eine echte Trendwende werden kann, bleibt abzuwarten. Vor allem die sprunghafte Politik Donald Trumps verbreitet Unsicherheit und macht der exportorientierten Industrie große Sorgen“, lässt sich Dr. Christoph Münzer, wvib-Hauptgeschäftsführer, zitieren. Es hängt also nicht alleine von der Bundesregierung ab, ob die Wirtschaft wieder in ein positives Fahrwasser gerät. Auch die US-Politik spielt eine gewaltige Rolle, wenn es um unternehmerische Weichenstellungen geht.
Verbesserte Zahlen
Im ersten Quartal konnten 38,7 Prozent der Unternehmen steigende Umsätze vermelden (Q1 2024: 30,9 Prozent). 50,5 Prozent notierten dagegen gesunkene Umsätze (Q1 2024: 61,9 Prozent). Im Gesamtjahr 2024 waren die Umsätze bei 62,8 Prozent der Befragten gesunken und bei 34 Prozent gestiegen.
Trotz dieser positiven Tendenzen gibt der wvib noch lange keine Entwarnung. Dazu braucht es noch einige deutliche Signale. „Die Aussichten bleiben trotz des leichten Aufschwungs verhalten“ schreibt der Verband. Rund 27 Prozent der Unternehmen erwarten in den nächsten sechs Monaten steigende Umsätze (Q1 2024: 25,9 Prozent). Dagegen rechnen 19,1 Prozent der Befragten mit sinkenden Umsätzen. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 22,3 Prozent.
Geschäftsklima stark verbessert
Verrechnet man positive und negative Umsatzentwicklung, so erhält man einen Wert für die Geschäftslage der Unternehmen. Analog dazu ist die Geschäftserwartung der Saldo aus positiver und negativer Umsatzerwartung. Aus dem Mittel zwischen Geschäftslage und Geschäftserwartung bildet sich das wvib-Geschäftsklima. Zum Ende des ersten Quartals lag die wvib-Geschäftslage bei minus 11,7 Punkten (Gesamtjahr 2024: minus 28,7 Punkte).
Die Geschäftserwartungen liegen demnach mit 7,9 Punkten dagegen erstmals seit einem Jahr wieder im Plus. In der Umfrage zum Gesamtjahr 2024 vor drei Monaten waren die Erwartungen mit minus 4,5 Punkten noch deutlich verhaltener. In Summe ergebe sich damit ein Geschäftsklima von minus 2,1 Punkten. Damit liegt der Wert immer noch im negativen Bereich, die Situation erscheine allerdings weniger dramatisch als vor drei Monaten (minus 17 Punkte) oder vor einem Jahr (minus 14,4 Punkte).
Auch mehr Aufträge
Der Frühindikator Auftragseingang bestätige das Bild: Im Vergleich zum 1. Quartal des Vorjahres stieg der Auftragseingang bei den befragten Unternehmen um 3,8 Prozent. Für das Gesamtjahr 2024 verzeichneten die Unternehmen noch ein Minus von einem Prozent. Im ersten Quartal des Vorjahres stieg der Auftragseingang um 1,7 Prozent.
Auch bei der Auftragslage zeigt sich eine deutliche Verbesserung. So habe sich bei 49,4 Prozent der Unternehmen der Auftragseingang verbessert, während er sich bei 34 Prozent verschlechterte. Zum Gesamtjahr 2024 hatte sich der Mitteilung zufolge der Auftragseingang bei 38,7 Prozent verbessert, während 45,4 Prozent gesunkene Aufträge meldeten. Das sind umgekehrte Vorzeichen: Im ersten Quartal 2024 verzeichneten 36,3 Prozent der Befragten einen verbesserten Auftragseingang, bei 50,7 Prozent war er gesunken.
Konkurrenz durch chinesische Unternehmen
Beim Blick in die Zukunft seien die Unternehmen dennoch weiter nur vorsichtig optimistisch. Derzeit gehen 27,3 Prozent für die nächsten sechs Monate von einem steigenden Auftragseingang aus, während 16,9 Prozent mit weniger Aufträgen rechnen. In der Umfrage vor drei Monaten erwarteten lediglich 22,3 Prozent steigende Auftragseingänge, während 23,4 Prozent mit einem Rückgang rechneten.
wvib-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer zieht folgendes Fazit: „Wir stehen einerseits am Beginn eines vermutlich längeren globalen Handelskrieges, andererseits wird die Konkurrenz durch chinesische Unternehmen auch außerhalb der Automobilbranche immer stärker. Die neue Koalition muss jetzt schnell in den Arbeitsmodus kommen, strukturelle Probleme in den Blick nehmen und rasch bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen bieten. Um Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen, braucht es planvolles Handeln und einen langen Atem. Ganz ohne Zumutungen wird es nicht gehen.“
Anlass zur Hoffnung
Die Zahlen der wvib Schwarzwald AG geben neutralen Beobachtern Anlass zur Hoffnung. Es erscheint wieder Licht am Ende des Tunnels. Und dass trotz der widrigen Rahmenbedingungen. Wenn nun noch die neue Bundesregierung ihre Ankündigungen wahr macht und mit Bürokratieabbau und dem Industriestrompreis wichtige Impulse setzt, steht einem wirtschaftlichen Aufschwung nichts mehr im Wege. Um jedoch im weltweiten Wettbewerb dauerhaft mithalten zu können, braucht es ein robusten Aufschwung. Dann müssen die strukturellen Defizite beseitigt werden.
Kanzlerwahl bringt Verwirrung
Allerdings kommen gerade unerwartete Nachrichten aus Berlin. Dort herrscht nach der gescheiterten Wahl des designierten Bundeskanzlers Friedrich Merz am Dienstag Morgen im Deutschen Bundestag Verunsicherung und Verwunderung. Merz erhielt nur 310 Stimmen, 316 wären nötig gewesen. Einen zweiten Wahlgang soll es am Dienstag nicht mehr geben. Somit erfüllt sich der Wunsch von Dr. Christoph Münzer zunächst nicht: Die neue Regierung wird nicht ganz so schnell in den Arbeitsmodus kommen.
red/Wolfgang Huber
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