Standort Ortenau

IHK sieht Lichtblick trotz Krise – Wirtschaft drängt Bundesregierung auf Entlastung und mutige Reformen

Alwin Wagner und Tobias Lanner
© Johanna Kaiser/IHK SO – IHK-Vize Alwin Wagner und Unternehmer Tobias Lanner.
Die Wirtschaft am südlichen Oberrhein bleibt angespannt – doch ein kleiner Hoffnungsschimmer ist sichtbar. Laut aktueller IHK-Konjunkturumfrage hellt sich die Stimmung leicht auf, obwohl die Rahmenbedingungen weiterhin schwierig bleiben. Energiepreise, Bürokratie und hohe Arbeitskosten bremsen die Betriebe aus, während Reformen in Berlin auf sich warten lassen. Unternehmer und IHK fordern endlich Taten, um den Motor der Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen.
Viele Ankündigungen

Es ist eines der größten unter den zahlreichen Problemen in Deutschland: Die Frage, wie die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Seit Jahren mahnen Verbände wie die IHK oder der wvib die Politik, endlich für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen. Doch anstatt mutiger Reformen, die die Energiepreise senken und vor allem die Bürokratie spürbar abmildern, gefallen sich die Regierenden darin, einen „Herbst der Reformen“ erst mal nur anzukündigen.

Hohe Erwartungen

Die Reformerwartungen der deutschen Wirtschaft an die neue Bundesregierung sind hoch. Bisher bewirkt das politische Handeln aber noch keine positiven Veränderungen der Geschäftslage der Unternehmen. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Südlicher Oberrhein. Immerhin hat sich die Stimmung der Unternehmen laut einer Pressemitteilung der IHK weiter auf niedrigem Niveau verbessert.

„Umfeld ist turbulent“

„Es ist der Silberstreif am Horizont“, sagt Alwin Wagner, der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein. Wagner stellte demnach am Dienstag die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage zum Herbst in Freiburg vor. „Das wirtschaftliche Umfeld ist nach wie vor turbulent“, wird er mit Blick auf die Märkte im Ausland und die weltweite Zollproblematik zitiert. „Die Unternehmen geraten von verschiedenen Seiten unter Druck und stehen vor großen Herausforderungen.“

Niedrigster Stand seit 2020

Das zeige sich im Index der aktuellen Geschäftslage. Dieser verliert im Vergleich zum Frühsommer nochmals drei Punkte und erreicht mit fünf Punkten seinen niedrigsten Stand seit Herbst 2020 – eine Zeit, die noch stark im Zeichen der Covid-19-Pandemie stand. 26 Prozent der Unternehmen bezeichnen die derzeitige Geschäftslage als gut, mit 21 Prozent sind fast ebenso  viele unzufrieden.

Zarter Hoffnungsschimmer

Für zarte Hoffnungsschimmer sorgen lediglich die Geschäftserwartungen. Sie steigen das dritte Mal in Folge auf minus drei Punkte an. Jedes fünfte Unternehmen rechne wieder mit besseren Geschäften, 22 Prozent gehen vom Gegenteil aus. Vor allem die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes würden wieder etwas positiver nach vorn schauen. Gerade dieser Bereich litt bisher am stärksten unter der Wirtschaftskrise.

Arbeiter

Das verarbeitende Gewerbe (hier PWO) sorgt für einen Hoffnungsschimmer. Foto: PWO

Rahmenbedingungen sind Problem

Abzuwarten bleibe, inwieweit die Ausgabensteigerungen der Bundesregierung mit strukturellen Maßnahmen flankiert würden, sodass sie nicht in einem konjunkturellen Strohfeuer verpuffen. So machen 39 Prozent der Unternehmen am südlichen Oberrhein die politischen Rahmenbedingungen als Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung aus. Die bisher angestoßenen Reformen seien eher mutlos, heißt es. Die Erkenntnisse, was zu tun sei, seien seit Jahren vorhanden.

Zweifel beim IHK-Vize

Besonders eine Aussage von Wagner sollte den Entscheidungsträgern in Berlin zu denken geben. Der IHK-Vize zweifelt daran, dass in der Politik genügend Einsicht für das Notwendige vorhanden ist. „Die große Ankündigung von Reformplänen ist hinter dem zurückgeblieben, was die Wirtschaft gefordert und erwartet hat. Ist den politischen Entscheidungsträgern wirklich klar, was benötigt wird, um den Motor wieder anzukurbeln?“

Große Konkurrenz

Tatsächlich steht der gesamte Wirtschaftsstandort Deutschland unter Druck. Die Billigkonkurrenz und das Entwicklungstempo in Ländern wie China sorgen für großen Konkurrenzdruck. Das gilt gerade auch für die Wirtschaft am Oberrhein und in der Ortenau. Ob die Unternehmen noch an den Standort glauben, lasse sich laut IHK gut an der Investitionsbereitschaft ablesen. Diese habe sich im leicht negativen Bereich stabilisiert und liege deutlich unter dem zehnjährigen Mittelwert.

Standorte im Ausland

Neben der Erweiterung von Kapazitäten mit einer leichten Steigerung wird als Investitionsmotiv dabei vor allem der Ersatzbedarf zu 70 Prozent angeführt, gefolgt von Investitionen in die Digitalisierung mit 47 Prozent. Ein weiteres Alarmzeichen für Wirtschaftsministerin Katherina Reiche dürfte der Umstand sein, dass größere Mittelständler in der Region eher darauf setzen, ihre ausländischen Standorte auf Vordermann zu bringen beziehungsweise auszubauen.

„Inlandsnachfrage rückläufig“

In dieser Einschätzung wird Wagner von Tobias Lanner bestätigt. Der Geschäftsführer der Lanner Anlagenbau GmbH in Kippenheim habe bei der Vorstellung der Konjunkturumfrage aus seinem Geschäftsalltag berichtet. Er sei mit seinen Anlagen zur Aufbereitung von Metallspänen weltweit in vielen Branchen unterwegs und spüre daher sehr genau, wie die Kunden aus der Industrie „ticken“. Kapazitätsausweitungen im großen Stil könne er derzeit nicht erkennen. „Die Inlandsnachfrage stagniert beziehungsweise ist in bestimmten Bereichen stark rückläufig. Viele Unternehmen bauen Stellen ab, verlagern Produktion“, so Lanner.

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut und Tobias Lanner

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut verlieh Tobias Lanner 2022 die Wirtschaftsmedaille des Landes. Foto: Lanner

Mehr Arbeitslose

Die Stückzahlen in der Automobilindustrie seien rückläufig, die Musik bei der Herstellung von Fahrzeugen und Komponenten spiele im Ausland beziehungsweise beim Thema Automatisierung, was zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen auch im Kammerbezirk führe. Waren im September 2021 hier lediglich knapp 22.000 Menschen arbeitssuchend gemeldet, seien es nun bereits mehr als 28.000 – ein Anstieg von rund 28 Prozent in vier Jahren. Und die Zeichen stehen weiterhin auf Stellenreduzierung. Etwas besser sehe es lediglich im Dienstleistungssektor aus.

Index höher als im Land

Ein Hoffnungsschimmer für den Oberrhein sei das Gesamtbild. Beim IHK-Konjunkturklimaindex werden die Angaben zur aktuellen Geschäftslage und den zukünftigen Geschäftserwartungen kombiniert. Dieser liege bei 101, wobei Werte über 100 demnach Wirtschaftswachstum anzeigen und Werte unter 100 eine Rezession. Dank der vergleichsweise diversifizierten Wirtschaftsstruktur des südlichen Oberrheins liege er hier drei Punkte höher als in Baden-Württemberg.

Großer Investitionsstau

Laut Tobias Lanner sei das Interesse an den Aufbereitungsanlagen aus Kippenheim weiter vorhanden. Es gebe einen großen Investitionsstau, der sich irgendwann auflösen werde. Gestiegene Rohstoff- und Energiepreise und der ungebrochene Trend zur Automatisierung sorgten dafür, dass Kunden beim Recycling genauer hinschauten und nach Kostenvorteilen suchten. „Der Trend geht dahin, Metalle sortenrein zu trennen.“

Hohe Energiekosten

Apropos Energiekosten: „Stahlhersteller fahren ihre Kapazitäten herunter, Gießereien schließen, weil die Energiepreise zu hoch sind“, sagte Lanner. An solchen Unternehmen hänge die inländische Versorgung mit Rohstoffen beziehungsweise Vorprodukten. Auch an das Thema Lohnnebenkosten müsse die Politik endlich ran.

Arbeitskosten als Risiko

Noch nie gaben in einer IHK-Umfrage so viele Unternehmen (59 Prozent) an, dass die Arbeitskosten ein Risiko für die künftige Entwicklung ihres Betriebs darstellen, wie es abschließen heißt. Alwin Wagner: „Wir haben bei den Lohnnebenkosten ein offensichtliches Problem, das von der Regierung leider wieder vertagt wurde.“

Die IHK Südlicher Oberrhein: Stark machen für rund 75.000 Mitglieder Vom Kleinunternehmer bis zum Weltmarktführer – die IHK Südlicher Oberrhein vertritt die Interessen der Wirtschaft gegenüber Politik und Verwaltung.

Foto: IHK-Vize Alwin Wagner und der Unternehmer Tobias Lanner bei der Pressekonferenz.

red/Wolfgang Huber

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