Von Wolfgang Huber
Wer kennt das nicht? Der Terminkalender ist voll, die To Do-Liste lang und die Zeit knapp. Knapp für das Zwischenmenschliche. Alles geht schneller, höher und weiter. Wir hetzen vom Fast Food zum Speed Dating. Sogar die Sprachnachrichten in WhatsApp lassen sich in höherem Tempo abspielen. Für andere Menschen oder gute Gespräche bleibt da nur wenig Zeit. Dabei ist es gerade die Qualität der Begegnungen, die das Verhältnis zu anderen Menschen prägt. So eröffnete Hannah Panidis ihren Vortrag beim Club-Abend des Marketing Clubs Ortenau-Offenburg am Montag Abend im Burda Tower.
Bessere Erfolgsaussichten
Die Stoßrichtung war klar: Die Art, wie wir kommunizieren, ist nicht nur im privaten Umfeld entscheidend. Gerade im beruflichen Kontext, beispielsweise als Führungskraft, wirken sich Zuhören, Gespräche auf Augenhöhe und Wertschätzung direkt auf den Unternehmenserfolg aus. Arbeits- und Fachkräftemangel, Fluktuation und geringe Mitarbeiterbindung lassen nichts anderes mehr zu.
Panidis bringt jede Menge Erfahrung mit diesen Themen aus ihrem Werdegang als Marketing-Expertin mit. Seit 2018 ist die Lahrerin selbständige Trainerin, Podcasterin und Moderatorin. Bei Communico arbeitet sie zudem als Expertin für respektvolle Kommunikation. Das ist auch ihr Kernthema, zusammen mit persönlicher Weiterentwicklung.
Vertrauenskrise in Führung
In gut informierten HR-Expertenkreisen werden die Erkenntnisse seit Jahren diskutiert. Mit einem autoritären Führungsstil oder Micro Management setzen viele Führungskräfte die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens aufs Spiel. Die Mitarbeiter sind demotiviert, fühlen sich nicht ernst genommen und machen nur noch Dienst nach Vorschrift. Hinzu kommt eine tiefe Vertrauenskrise. Nur noch 21 Prozent der Beschäftigten glauben laut dem Gallup Engagement Index 2024 an ihre Chefs.
Innere Haltung entscheidend
Hannah Panidis stellt zunächst die Frage in den Raum, wie wir miteinander sprechen. Ist das Lob für den Kollegen ernst gemeint oder sage ich etwas, meine aber etwas anderes? Ihre Antwort: Nur, wer dem Gegenüber Wertschätzung entgegenbringt, kann etwas erreichen. Entscheidend sei die innere Haltung. Ein floskelhaftes „Wie geht es dir?“ bringe wenig, wenn kein ehrliches Interesse dahinter steht. „Menschen haben feine Antennen, wenn einen die Antwort nicht interessiert“, sagt Panidis.
Lernen von der Praktikantin
Der Philosoph Sokrates habe von Demut gesprochen: Nur wer die Begrenztheit des eigenen Horizonts anerkennt, dem gelingt es, zu lernen. Lernen vom CEO, der Praktikantin oder der Reinigungskraft. Wer jedoch schon 30 Jahre Expertise auf dem Buckel habe, dem falle dies zunehmend schwer. Der glaube, die Weisheit gepachtet zu haben. Oder um es mit Theodore Roosevelt zu sagen: „People don’t care how much you know until they know how much you care.“
Fragen stellen statt urteilen
Wichtig, so Panidis weiter, ist auch die Zurückhaltung mit Urteilen. So lange es geht. Ein Perspektivwechsel – ihr erstes Kriterium für bessere Kommunikation – könne Wunder bewirken. Wie bei Prince William und dem vermeintlichen Stinkefinger. Erst durch den Perspektivwechsel wird klar, dass er mit drei Fingern die Zahl seiner Kinder beziffert. Panidis: „Wer direkt ein Urteil fällt, anstatt Fragen zu stellen, tut anderen Unrecht.“
In die Augen schauen
Der in jeder Unternehmensleitlinie vorkommende Respekt müsse mit Leben gefüllt werden. Er bedeutet Rücksichtnahme, jemanden zu sehen. Stichwort: Begegnungsqualität. So ist es eine Aufgabe der Chefs, ihre Mitarbeiter wahrzunehmen. Ihnen in die Augen zu schauen, nicht auf das Handy. André Hoek, ehemals obdachlos in Berlin, nennt als die größte Schwierigkeit nicht die Kälte oder Drogen. Vielmehr wurden seine Fragen nicht mehr beantwortet. Man habe ihn ignoriert. Dabei hätte ihm ein kurzer Blickkontakt signalisiert: „Ich habe dich gesehen.“
Konflikte lösen durch Zuhören
Gesehen fühlen sich Menschen auch, wenn man ihnen zuhört. Das dritte Kriterium. So habe Michael Endes Figur Momo alleine durch Zuhören Konflikte gelöst. Heutzutage würden 90 Prozent der Teilnehmer von Zoom-Meetings oder Teams-Sitzungen nebenbei etwas anderes machen, wie am Second Screen Mine Sweeper zu spielen. „Andere hören nicht faktenbasiert auf der Sachebene zu, sondern nur noch dann, wenn es ihre eigene Weltsicht bestätigt“, so die Referentin. Wichtig ist laut Panidis Empathie beim Zuhören. Entscheidend sei die innere Haltung. „Für dich ist das jetzt relevant.“
Ebenso notwendig: Andere zu Wort kommen zu lassen, anstatt sich ständig selbst einzubringen. Mann müsse die Meinung eines Menschen von dem Menschen selbst trennen. Und beim schöpferischen Zuhören können Mitarbeiter den Mut aufbringen, Dinge zu sagen, die sie wirklich denken. Dies schaffe psychologische Sicherheit.
Lob konkretisieren
Anerkennung und Lob sei idealerweise als Feedback zu verstehen, als Kritik oder Impuls. Jemanden in seiner Entwicklung zu bestärken. Unternehmen mit einer modernen Feedback-Kultur sind Studien zufolge erfolgreicher. Aber es müsse schon konkretisiert werden, was gut gemacht wurde. Denn: „Dankbarkeit zu verspüren, und es nicht aussprechen, ist wie ein Geschenk zu verpacken, ohne es zu weiterzugeben.“ Geübte setzen auch ihre Mimik, Gestik und die Körpersprache ein oder klatschen ab.
Der Mensch im Mittelpunkt
Mit dem Hinweis auf stetige Selbstreflexion schließt die Referentin ab. Es bleiben einige Erkenntnisse aus dem kurzweiligen Vortrag. So, dass sich der Führungsstil direkt auf die Dynamik und die Effizienz der jeweiligen Teams auswirkt. Vertrauen lässt sich nicht durch Anweisungen oder Managementprozesse erzeugen. Es entsteht durch echte Nähe, durch nachvollziehbare Kommunikation und durch Führung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Nicht gesehen fühlen
Führungskräfte wirken oft abwesend – emotional und zwischenmenschlich. Mitarbeitende fühlen sich nicht gesehen, nicht gehört und ziehen sich emotional zurück. Doch wenn Dienst nach Vorschrift zur Norm wird, kann das Unternehmen nicht überleben. Führung ist immer Beziehungsarbeit – und jede Beziehung lebt von Vertrauen. Wer dieses Vertrauen wieder aufbauen wolle, müsse sich bewusst mit der eigenen Haltung, Kommunikation und Präsenz auseinandersetzen. „Es reicht nicht, erreichbar zu sein – man muss auch wirklich da sein“.
Deutsche lesen 27 Minuten am Tag
Ein Satz von Hannah Panidis bleibt einem als Chefredakteur des Ortenau Journals besonders im Gedächtnis: „Wer liest denn noch einen Artikel bis zum Ende? Niemand!“ In meinem Online-Magazin finden sich viele längere, sorgfältig recherchierte Artikel, für die man zwischen zwei und sieben Minuten Lesezeit aufbringen muss. Doch laut dem Statistischen Bundesamt lesen die Deutschen täglich 27 Minuten (Stand Oktober 2024). Da sollte der tägliche, vollständige Konsum eines Artikels im Ortenau Journal schon drin sein. Gegen Ende erfährt man oft die besten Dinge.
Foto: (v.l.n.r.) Dr. Martin Mildenberger (Finanzvorstand MCO), Hannah Panidis, Sandra Wörner (Programmvorstand MCO)
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