Neben der beabsichtigten Standortverlagerung weg aus der Ortenau nach Leipzig spricht der Geschäftsführer von PolymerActive, Moritz Ruff, im Interview mit dem Ortenau Journal über die speziellen Anforderungen in seiner Branche und in welchen Bereichen Startup-Gründungen am vielversprechendsten sind. Er lobt außerdem die Startup-Strategie der Bundesregierung und erläutert die Strategie seines Unternehmens. Den Hochschulen wirft er Gier vor, wenn es um Ausgründungen geht.
Ortenau Journal: Wie entwickelt sich ihr Startup PolymerActive?
Moritz Ruff: Es entwickelt sich gut. Wir stehen kurz vor dem breiten Markteintritt. Wir sind gerade dabei, eine finale Standortfrage zu klären.
Ortenau Journal: Überlegen sie, den Firmensitz zu verlegen?
Moritz Ruff: Genau. Das Klima für Startups ist in Offenburg und der Ortenau nicht besonders offen, um es mal vorsichtig zu sagen. Es gibt jetzt die Überlegung, aus Baden-Württemberg weg zu gehen in Richtung Leipzig und dort einen Standort aufzumachen.
Ortenau Journal: Das heißt, sie sehen in Offenburg und der Ortenau keine optimalen Rahmenbedingungen. Woran scheitert es hier?
Moritz Ruff: Da gibt es mehrere Punkte. Das eine ist wohl ein Mentalitätsproblem. Hier im Südwesten nimmt man Startups eher als notleidende Unternehmen wahr. Es gibt hier eine starke wirtschaftliche Struktur mit den sogenannten Hidden Champions. Das sind fantastische Unternehmen, auch wenn man sich ihre Geschichte anschaut. Aber das kollidiert etwas mit einer Fördermentalität, sprich gemeinschaftlich an Themen zu arbeiten. Auch was die Investitionsmöglichkeiten für Startups, was die Nutzung von Objekten und die Unterstützung von Gemeinden und dem Land betrifft. Da gibt es so gut wie keine Möglichkeiten zur Förderung. Das macht hier Black Forest Innovation, die die Fahne hochhalten, die machen da echt einen guten Job. Aber es braucht einfach ein etwas breiteres Umfeld. Wir arbeiten da auch schon mit dem ein oder anderen Unternehmen zusammen, die schon verstanden haben wie Corporate Venturing funktioniert. Also wie man aus dem Unternehmen heraus zusammen mit Startups gemeinsame Mehrwerte schafft. Aber in Summe habe ich nicht das Gefühl, dass das so angekommen ist, dass ein großes Unternehmen von einem kleinen mit seinem Know How und der Agilität profitieren kann. Wir haben natürlich die besondere Herausforderung, dass wir Deep Tech machen. Wir sind jetzt kein typisches Software-Startup, dass irgendwelche fünf KI-Codes zusammenschustert und damit durch die Investorenwelt reist. Vielmehr haben wir einen disruptiven Ansatz, da ist sehr viel Forschung und Entwicklung mit dabei. Da haben wir jetzt schon einen siebenstelligen Betrag investiert. Aber hier in der Gegend ist das Bewusstsein für solche technischen Themen nicht so gegeben.
Ortenau Journal: Das überrascht mich jetzt etwas. Die Ortenau ist ja ein innovativer Standort. Es gibt ja hier, wie sie auch schon gesagt haben, sehr viele Hidden Champions oder Weltmarktführer in verschiedenen Bereichen.
Moritz Ruff: Ja, das stimmt. Aber hier im Südwesten macht man das alles eher für sich im stillen Kämmerlein, bis man es geschafft hat sich zu etablieren. Was so ein bisschen fehlt, ist die Kooperationsbereitschaft. Also wie kann man Synergien nutzen? Wie kann man gegenseitig von Expertise profitieren? Und dann die mangelnde Kreativität des Landes Baden-Württemberg, was die Förderung von Startups betrifft. Da haben wir in anderen Bundesländern mehr Möglichkeiten, was Immobilien betrifft oder den Aufbau beispielsweise von Laboren oder Produktionsflächen.
Ortenau Journal: Heute findet der Startup-Gipfel der Bundesregierung statt. Diese verweist auf ein Plus von 15 Prozent bei der Anzahl der Unternehmensgründungen im Vergleich zum 2. Halbjahr 2023 sowie auf zahlreiche Fonds und Initiativen. Ist die Startup-Strategie der Ampel ein Erfolg?
Moritz Ruff: Ich habe da eine eingeschränkte Sicht drauf. Ich schaue mir ja nicht den Markt der Startups insgesamt mit den 17 Unverpacktläden an. Sondern es geht wirklich nur um Deeptech. Da hat die Bundesregierung mit der Bundesagentur für Sprunginnovationen ein fantastisches Thema. Die wurden mit einem zweistelligen Milliardenbudget ausgestattet und fokussiert sich darauf, Startups zu unterstützen, die in ihrer Branche einen disruptiven Ansatz haben. Das machen die richtig gut. Um international bestehen zu können, brauchen wir diese disruptiven Innovationen. Das findet aber zur Zeit primär im Silicon Valley statt. Es wird nicht funktionieren, wenn wir hier in Deutschland versuchen, Dinge nachzubauen. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir können. Wir sind ein Land der Tüftler und Denker und der Ingenieure. Man muss schauen: Wo haben wir Innovationen, die nicht typischerweise gut finanzierbar sind wegen der hohen Investitionskosten, die man hat, bevor man den Markt erschließen kann. Da muss man dann die nehmen, die das Potenzial haben, aus dem Standort Deutschland heraus Disruption zu betreiben und die massiv zu unterstützen. Da bin ich ein großer Fan der Bundesagentur für Sprunginnovationen, das machen die richtig gut.
Ortenau Journal: In welchen Bereichen oder Branchen sehen sie generell die größten Potenziale für Start-Up-Gründungen? Ist es Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit, Biotech oder ihr Bereich Deeptech?
Moritz Ruff: Ja, ein großes Thema wird in den nächsten Jahren die Bekämpfung des Klimawandels sein. Wasser ist ein sehr wichtiges Thema. Wir sitzen ja hier im Schwarzwald in einer eigentlich wasserreichen Region und spüren jetzt schon gewaltig die Folgen des Klimawandels im Bezug auf das Waldsterben und die Gewässerqualität. KI halte ich persönlich für schwierig, weil es ein Hype-Thema ist und überall Entwicklungen aus dem Boden wachsen. Da wird es schwierig, in den Markt reinzukommen. Also es läuft auf die Klima- und Energiethemen hinaus.
Ortenau Journal: Was können wir an technologischen Entwicklungen noch von PolymerActive erwarten?
Moritz Ruff: Viel. Wir kümmern uns ja um die Entfernung von Schadstoffen aus der Umwelt, basierend auf einem Produkt, das aus Plastikmüll gemacht wird und fokussieren uns jetzt darauf, die Anwendungsbereiche so breit wie möglich zu machen. So dass wir in großem Umfang Aktivkohle substituieren können. Es gibt eine neue EU-Richtlinie, wonach Kläranlagen Aktivkohle einsetzen müssen bei der Klärung der Abwässer. Das ist sehr gut, denn Aktivkohle ist in der Lage, Medikamente oder Toxine aus dem Wasser zu holen, die Stand heute im Wasser und damit irgendwann im Nahrungskreislauf landen. Das Problem dabei ist der absolut üble CO2-Fußabdruck.
Ortenau Journal: Und es ist auch teurer.
Moritz Ruff: Ja, es ist relativ teuer. Und man kann sich auch vorstellen, wohin die Entwicklung geht, wenn jetzt in allen Klärwerken in Europa Aktivkohle eingesetzt wird. Eine große Kläranlage wie die in Mannheim braucht etwa eine Tonne Aktivkohle pro Tag. Wir reden da für ganz Europa von einem Mehrbedarf von zwei Millionen Tonnen Aktivkohle. Damit haben wir einen zusätzlichen CO2-Ausstoß von zwanzig Millionen Tonnen. Das ist etwa ein Viertel dessen, was der deutsche Straßenverkehr verursacht.
Ortenau Journal: Das widerspricht ja gravierend den Klimazielen.
Moritz Ruff: Genau, es ist eigentlich eine super Sache, hat aber wie alles im Leben auch eine Kehrseite. Worauf wir uns in den kommenden fünf Jahren unter Mithilfe der Bundesregierung fokussieren wollen, ist die Substitution von Aktivkohle. Wir sind um den Faktor 16 besser beim CO2-Fußabdruck.
Ortenau Journal: Beziehen sie das auf ihre Produkte APA-6 und APA-12?
Moritz Ruff: Ja, das sind im Prinzip Plattformprodukte. Die kann man dann noch optimieren Additiven, je nach dem Umfeld, in dem man sie einsetzt. Unser neues Produkt wird dann wahrscheinlich basierend auf APA-6 und APA-12 entwickelt.
Ortenau Journal: Sie müssen da ja praktisch Lobby-Arbeit betreiben. Haben sie so einen langen Atem oder gibt es vielleicht Unterstützung bei der Lobby-Arbeit?
Moritz Ruff: Ja, als eines der ersten Startups wurden wir von der Bundesagentur für Sprunginnovationen unterstützt. Da und auch in Richtung Berlin sind wir sehr gut vernetzt. Wir haben auch einen ganz guten Draht ins Umweltministerium im Ländle, was die Lobby-Arbeit betrifft. Aber wir haben auch noch andere Tätigkeitsbereiche. Wir klären Industrieabwässer hier in der Region.
Ortenau Journal: Ist Deutschland denn gut aufgestellt, was zum Beispiel Wissenschaftsabsolventen betrifft? Oder gibt es da auch so einen massiven Mangel?
Moritz Ruff: Tatsächlich haben wir auch ein interessantes Produktumfeld und sind, wenn es um die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Sprunginnovationen geht, im wissenschaftlichen Bereich relativ renommiert. Von daher sind wir für die wissenschaftlichen Mitarbeiter ein ganz interessanter Arbeitgeber. Die Problematik haben wir eher im Produktionsbereich.
Ortenau Journal: Stichwort Bürokratie. Konnten sie die bisher noch einigermaßen gut bewältigen?
Moritz Ruff: Bürokratie hat ja auch etwas beruhigendes. Da haben wir eine gewisse Rechtssicherheit in Deutschland. Das schätze ich sehr. Alles geht seinen geregelten Gang. Das ist manchmal etwas anstrengend. Für uns ist zum einen das Thema Fördergelder schwierig, weil sich die Geldgeber zum Teil ganz oft außerhalb der juristischen Greifbarkeit bewegen. Das heißt, es werden Förderbescheide abgelehnt ohne Begründung. Man hat da keine Rechtsmittel mehr. Das wird ein bisschen nach Gutdünken verteilt. Das andere Thema, mit dem wir kämpfen, sind Technologietransfers von der Hochschule. Wir kommen aus dem Hochschul-Kontext. Wenn Erfindungen an der Hochschule entwickelt wurden, gehören die dann selbstredend der Hochschule. Und die tun sich recht schwer damit, Bedingungen zu schaffen, die eine sinnvolle Verwertung von solchen Patenten und Schutzrechten ermöglichen. Das sehen wir auch bei anderen Startups, die Deep Tech machen, die typischerweise aus den Hochschulen heraus entstehen. Was an sich ja gut ist. Aber die Hochschulen stellen dann horrende Forderungen, die jede wirtschaftliche Betätigung im Keim ersticken. Es ist schade, dass so viele Ideen wieder begraben werden, weil die Hochschulen so gierig sind. Aber dem soll ja gerade per Gesetzgebung ein Riegel vorgeschoben werden.
Interview: Wolfgang Huber
Ödsbacher Straße 6
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