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Standort Ortenau

Unternehmer Florian Seibold: „Bei uns wurde noch diskutiert, da war in Laos im Regenwald überall 5G“

Unternehmer Florian Seibold
© querdenker engeneering – Geschäftsführer Florian Seibold spricht im Interview über Hidden Champions in der Ortenau
Die querdenker engineering GmbH entwickelt innovative Elektroniklösungen für Industrie und Medizintechnik – nun bald im neuen Umfeld des BFI-Campus Offenburg. Der Umzug bringt mehr Platz, fördert kreative Begegnungen und verbessert die Anbindung für Fachkräfte. Geschäftsführer Florian Seibold spricht im Interview über agile Entwicklung, den Standort Ortenau, die Chancen interdisziplinärer Zusammenarbeit und die Herausforderungen der digitalen Transformation in Deutschland.

Von Wolfgang Huber

Die querdenker engineering GmbH in Neuried-Ichenheim entwickelt Elektroniklösungen für Industrie und Medizintechnik – von der Idee bis zur Serienproduktion. Mit agilen Methoden wie SCRUM, dem firmeneigenen Produkt „semf“ und automatisierten Prozessen entstehen hochwertige und effiziente Embedded-Lösungen. Das demokratisch geführte Unternehmen lebt Werte wie Ehrlichkeit, Miteinander und Lernen und fördert eigenverantwortliches Handeln sowie kritisches Mitdenken im Team.

Das Ortenau Journal hat mit dem Geschäftsführer Florian Seibold über die Herausforderungen der digitalen Transformation, den internationalen Rückstand Deutschlands und das Technik-Wunder Laos gesprochen.

Ortenau Journal: Wann steht der Umzug nach Offenburg in den BFI-Campus an?

Florian Seibold: In dem neuen Gebäude müssen wir noch verschiedene Umbaumaßnahmen durchführen. Wir bekommen einen speziellen Boden für elektrostatische Entladung und brauchen mehr Steckdosen. Damit starten wir am 1. August. Der eigentliche Umzug ist dann am 1. September.

Ortenau Journal: Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich durch den Umzug?

Florian Seibold: Das hat tatsächlich mehrere Dimensionen. Das Erste ist: wir haben dort etwa die doppelte Fläche als hier. Hier ist es doch schon sehr eng. Du hast es ja oben gerade gesehen. Es ist nicht ideal als Arbeitsumfeld. Das Zweite ist: Wir sind große Fans von interdisziplinärer Innovation. Das bedeutet: Wir alleine sind nie innovativ. Wir sind nur innovativ mit jemand Anderem, der ein Problem hat, das wir dann gut lösen wollen. In dem BFI-Campus in Offenburg gibt es einige innovative Unternehmen, mit denen wir am Anfang keine Schnittstellen haben werden. Aber über die fachlichen Diskussionen, die über die eigenen fachlichen Kompetenzen hinausgehen, entstehen ja echt spannende Themen. Steve Jobs hat ja mal ein Buch darüber geschrieben, wie er Kreativität denkt. Er hat das ehemalige Pixar-Gebäude, das heutige Steve-Jobs-Building gebaut, um Begegnungen aus unterschiedlichen Bereichen und Abteilungen zu fördern. Ich hatte das Glück, dass ich etwas beitragen durfte zu dem, wie diese Dinge im BFI-Campus entstehen. Gerade diese zufälligen Begegnungen werden dort gefördert. Die dritte Dimension ist: Logistisch ist Ichenheim schon eine Herausforderung. Gerade für Bewerber aus Karlsruhe oder Freiburg stellen die letzten 15 Kilometer ein große Hürde dar. Wir waren vor Kurzem im KIT auf der Personalmesse. Alleine, dass man künftig mit dem ICE nach Offenburg fahren kann und dann mit dem Leihfahrrad zum BFI-Campus kommen kann, bietet ganz neue Möglichkeiten, auch Leute anzuziehen, die nicht im Ortenaukreis wohnen. Alle Gemeinden im Umkreis sind Teil des Mobilitätsnetzwerks Ortenau, außer Neuried.

Ortenau Journal: Du hattest gesagt, dass jährlich zwei bis drei neu Mitarbeiter hinzukommen. Das heißt, irgendwann wären die räumlichen Kapazitäten sowieso erschöpft.

Florian Seibold: Wir sind schon längst über der Kapazitätsgrenze. Wir haben das große Glück, dass der Eigentümer von dem Gebäude uns über seine Pläne hinaus alle eineinhalb Jahre ein Stück dran gebaut hat. Das wurde Stück für Stück erweitert. Irgendwann haben wir ein Lager bekommen und die vorderste Ferienwohnung noch als Büro dazubekommen. Ohne diese Mithilfe hätte das schon lange nicht mehr funktioniert.

Ortenau Journal: Erkläre bitte einmal kurz eure Produkte.

Florian Seibold: Wir sind in den Branchen Medizintechnik, vernetzte Industrie und immer mal wieder im Consumer-Bereich tätig. querdenker engineering macht auch viel im Bereich regenerative Energien. Aber Schwerpunkt ist definitiv alles, was etwas komplexer ist. Ein Beispiel ist eine Gerätefamilie für Reha-Therapie. Die sind wie Geräte im Fitnessstudio, nur für medizinische Anwendungen. Da ist der Kunde mit einem Therapiekonzept und einer gewünschten Benutzerführung zu uns gekommen. Wir haben dann den Prozess mit ihm begleitet von der konzeptionellen Ebene über die technologische Auswahl von Komponenten, die Entwicklung der Hard- und Software bis zu der Zulassung als Medizingeräte. Die zweite Ebene ist: Ein Kunde von uns betreibt Europas größte regenerative Energiebörse, an die große Energieanlagen – beispielsweise Windkraftanlagen mit 1 Megawatt – angeschlossen sind. Da bauen wir das Gateway, dass das Windrad quasi mit dem Internet verbindet. Wir setzen dann das komplizierte europäische Recht und die komplexen Systeme um, von der ersten Idee bis zu Serie.

Ortenau Journal: Wie groß ist etwa der Anteil des Bereichs der regenerativen Energien am Gesamtauftragsvolumen?

Florian Seibold: Das ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Im vergangenen Jahr war es mehr. In diesem Jahr sind es etwa 20 Prozent.

Ortenau Journal: Welche Branchen sind noch in der Verlosung? So etwas wie Maschinenbau, Lasertechnik oder der Automotive-Bereich?

Florian Seibold: Also klassischer Maschinenbau spielt bei uns weniger eine Rolle. Wir haben einen Kunden, der macht messende Schraubwerkzeuge, beispielsweise für die Montage von Flugzeugen. Also da wird beim Reindrehen der Schraube das Drehmoment gemessen und über WLAN im System dokumentiert. Ein anderer Kunde baut Hubsysteme für LKWs oder Züge. Dafür machen wir die Steuerung. Alle eint, dass sie relativ komplexe Systeme dahinter haben.

Ortenau Journal: In der Ortenau gibt es ja viele Hidden Champions und Weltmarktführer. Kann der Ortenaukreis diese relativ komfortable Position im innerdeutschen Ranking behaupten? Stichwort Deindustrialisierung. Da hängt ja auch der Wohlstand mit dran. Bisher gibt es hier viele Leute mit gutem Einkommen.

Florian Seibold: Du hast ja auch das Thema Strompreis angesprochen. Für energieintensive Unternehmen spielt es natürlich eine Rolle, wenn die Energie das zwei oder dreifache kostet. Dann schlägt sich das im Preis nieder. Da kann man reden, wie man will. Die Argumentation, ob man das gut oder schlecht findet, muss ich Gott sei Dank nicht führen. Als Optimist bin ich auch der Meinung, dass die vielen Hidden Champions in der Region, von denen wir mit einigen auch gut kooperieren, auf einem guten Weg sind. Und die gehören aus meiner Sicht, soweit ich das einschätzen kann, zu denen, die sich langfristig in ihrem Bereich gut werden behaupten können. Sie werden eher ihre Position noch ausbauen, weil sie einfach innovativ sind.

Ortenau Journal: Das heißt, die große Stärke ist die Innovationsfähigkeit. Und das ist ein großer Vorteil.

Florian Seibold: Das empfinde ich schon so. Ich sehe es positiv, speziell bei ein paar Hidden Champions, mit denen wir arbeiten dürfen. Wie sie sich in Teilen immer wieder neu erfinden. Gerade diese neuen Dinge landen ja im Zweifel teilweise bei uns. Einige sind in der Transformation ihrer Geschäftsmodelle. Die können mit der Kernkompetenz ihres Unternehmens auch andere Sachen machen, die noch nicht die Standardanwendung sind.

Ortenau Journal: Profitieren sie von der digitalen Transformation bzw. kommen Kunden zu ihnen, die im Zuge der digitalen Transformation Nachholbedarf haben?

Florian Seibold: Ich tue mich da schwer mit einer Einschätzung. Da wir alle ganz gut programmieren können, programmieren wir uns die Teile im Zweifel einfach, die es so noch nicht von der Stange gibt, damit Prozesse automatisch laufen. Ich sehe in unserem Bereich, mit Hightech-Produktentwicklung als Thema, extreme Unterschiede, wie digital oder automatisiert Firmen arbeiten. Wir haben da immer Steigerungspotenzial, das hört ja nie auf.

Ortenau Journal: Das heißt, einige hinken da hinterher. Aber vielleicht haben sie die Mittel gar nicht.

Florian Seibold: Um mithalten zu können, braucht es die Menschen, die gut in der Materie sind. Bei manchen Firmen sehen wir eine große Differenz, teilweise gefühlte 25 Jahre technologische Entwicklung in der Arbeitsweise und den Tools. Wir haben auch regelmäßig Bewerber, die im Bewerbungsgespräch sagen: „Ich will bei der aktuellen Firma nicht mehr arbeiten, ich brauche Tools, die mir helfen, effizient zu arbeiten. Nicht wie vor 30 Jahren.

Ortenau Journal: Wie sehr hinkt Deutschland im Bereich digitale Transformation im internationalen Vergleich hinterher?

Florian Seibold: Schwer zu sagen. Die Firmen in Skandinavien, mit denen wir Kontakt haben, sind aus meiner Sicht relativ weit. Aber das sind keine statistischen Werte, das sind einzelne Erfahrungen.

Ortenau Journal: Wenn sich das schwer sagen lässt, dann kann man auch nicht sagen, wie lange es dauert, bis man den Rückstand aufgeholt hat.

Florian Seibold: Das ist eine Frage des Mindsets. Ich sehe da nicht die Lücke, wie groß der Rückstand ist. Ein Beispiel: Laos ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die sind bei der Vernetzung mit 5G-Infrastruktur eingestiegen. Ich war vor sieben Jahren dort. Da wurde bei uns noch darüber diskutiert, ob 5G böse ist oder nicht. Dort war im Regenwald überall 5G. Ich glaube, wenn man irgendwelche technologischen Sprünge versäumt, muss man nicht grundsätzlich alle Zwischenschritte aufholen. Man kann auch im Zweifel wesentliche Zwischenschritte überspringen. Deswegen sehe ich es nicht so kritisch. In Laos haben sie nie Telefonleitungen gelegt. Die haben gleich Mobilfunkmasten hingestellt.

Ortenau Journal: Wie schätzt du die Lage der deutschen Wirtschaft insgesamt ein? Also wir haben jetzt die Krise, aber gibt es etwas Licht am Ende des Tunnels?

Florian Seibold: Da kann ich jetzt nur für uns sprechen. Wir haben aktuell das Glück, dass wir das nur am Rande erleben. Aber wir merken, dass Kunden und Partner vorsichtiger sind mit Budgets. Wir schreiben auch mehr Angebote, weil überall verglichen wird, wie man besser ans Ziel kommt. Ich denke schon, dass sich in Deutschland im Bereich Investitionen etwas tun muss, damit wir eine führende Wirtschaftsnation bleiben können.

Ortenau Journal: Wie sieht es mit den Klassikern aus: Hohe Energiekosten, Steuern, Bürokratie?

Florian Seibold: Bürokratie ist definitiv ein Thema. Ich glaube aber nicht daran, dass die sich so leicht abbauen lässt. Alles, was ich kenne, geht immer mit einem Anstieg der Bürokratie einher. Es fallen ganz wenige große Themen weg. Aus meiner Sicht müssen wir realistischer damit umgehen und versuchen, Bürokratie zu digitalisieren. Entscheidungen müssen schneller und transparenter sichtbar werden.

Ortenau Journal: Beispielsweise Bauanträge.

Florian Seibold: Ja, zum Beispiel. Oder auch das ganze Asylsystem. Da sind die Fristen viel zu kurz, so dass die ganzen Ämter gegenseitig die Fristen nicht einhalten können. Da hat man eigentlich schon verloren, bevor man angefangen hat. Ich halte es für realistischer, dass wir das alles digitalisieren, als dass wir das Ganze umgebaut bekommen.

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