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Arbeitswelt

Diversity ohne Dogma: wvib-Unternehmen zwischen Donald Trump und realer Vielfalt im Betrieb

Vielfalt in der Wirtschaft
© helpsg/pixabay – Diversity-Programme überflüssig? Die Realität in den Betrieben ist längst vielfältig
In den USA werden Programme zur Förderung von Vielfalt und Gleichstellung aufgrund von Druck durch die Trump-Administration zunehmend zurückgefahren und in Deutschland hat SAP seine Aktivitäten gestoppt. Doch der Mittelstand in Baden-Württemberg denkt pragmatisch. Laut einer wvib-Umfrage befürworten 72 Prozent der Unternehmen Diversitätsprogramme im Grundsatz weiterhin – trotz wachsender Polarisierung. Doch feste Quoten gibt es selten, stattdessen zählen Sachzwänge und Freiwilligkeit.

Von Wolfgang Huber

Gar nicht so einfach, sich in den Zeiten weltweiter politischer Umwälzungen und Verschiebungen politisch und gesellschaftlich zu positionieren. Viele wollen es vermeiden, ins Visier von einer der beiden großen Lager zu geraten, die sich zunehmend herausbilden. Zu spüren ist das schon bei vielen Mitgliedern sozialer Netzwerke, die sich nicht mehr trauen, ihre Meinung offen zu äußern – aus Angst, beleidigt, bedroht oder in irgendeine Ecke gestellt zu werden. Sachliche oder respektvolle Diskussionen finden kaum noch statt.

Diversity-Programme verboten

Es lässt sich auch nicht mit Sicherheit vorhersagen, wer wo welche Wahlen gewinnt. In den USA gab es ja bekanntlich den Machtwechsel von den „woken“ Demokraten zu den libertären Republikanern. Donald Trump hat dann auch sofort nach Amtsantritt den US-Bundesbehörden den Einsatz von Programmen für Diversität, Gleichstellung oder Inklusion verboten. Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen mit US-Kontakten werden laut einem Bericht von Spiegel Online dazu gedrängt, Diversitätsinitiativen oder ähnliche Aktivitäten einzustellen.

Differenzierte Betrachtungsweise

Wenn es um Mitarbeitergewinnung geht, lässt es sich in Deutschland schon aufgrund des Fachkräftemangels und eines Anteils der Bevölkerung mit Migrationshintergrund von rund 25 Prozent sowie eines Frauenanteils von über 50 Prozent überhaupt nicht „vermeiden“, divers zu rekrutieren. Das wird dabei oft vergessen. Genauso, wie in der öffentlichen Debatte kaum zwischen illegaler Migration mit Zuwanderung in die Sozialsystem auf der einen und dringend benötigter, qualifizierter Zuwanderung in den Arbeitsmarkt auf der anderen Seite unterschieden wird. Der Hinweis geht in Richtung der Grünen und Linken genau so wie in Richtung AfD.

SAP reagiert auf Donald Trump

Vor rund zwei Wochen hatte jedenfalls der Walldorfer Softwareriese SAP bekannt gegeben, seine Programme zur Geschlechtervielfalt nicht weiter fortzuführen. Diese sahen unter anderem eine Frauenquote in der Belegschaft von 40 Prozent vor. Als global agierendes Unternehmen müsse SAP, das in den USA eine wichtige Rolle einnimmt, auf aktuelle gesetzliche Entwicklungen reagieren, hieß es in einem Bericht des „Handelsblatt“, das sich auf eine interne Mail berief. Auch die US-Tochter der Deutschen Telekom, T-Mobile, habe ihre Diversity-Programme beendet.

Kein Druck durch US-Regierung

Doch wie steht es um die Realität in den Unternehmen im Südwesten Deutschlands, was die Strategien zu Vielfalt, Frauenquoten und Inklusion vor dem Hintergrund der Präsidentschaft von Donald Trump betrifft? Das wollte der Wirtschaftsverband wvib Schwarzwald AG anlässlich des Diversity-Tags am 27. Mai von seinen Mitgliedern wissen. Zumindest verspüren sie keinen Druck seitens der US-Administration. Die Unternehmen aus Industrie und Mittelstand in Baden-Württemberg sehen demnach eine pragmatische Förderung von Vielfalt weiterhin als Chance.

Mehr pragmatische Programme

wvib-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer sieht laut einer Pressemitteilung zwei gegensätzlich Entwicklungen. Zwar sei der Schwarzwald bunt und Diversity längst in der Breite angekommen, doch gleichzeitig würden Unternehmen „modische Lippenbekenntnisse“ vermeiden. „Aus diesem Grund haben sie aktuell auch kein Glaubwürdigkeitsproblem. Die amerikanischen Angriffe auf Vielfaltsprogramme sind auch ein Weckruf, weniger gesinnungsethische Imagepflege und mehr pragmatische, wirkungsvolle Programme für mehr Vielfalt umzusetzen.“

Grundsätzlich sinnvoll

60 Prozent der Befragten sehen Diversity-Programme demnach weiterhin als Chance und Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen. 35 Prozent bewerten den Nutzen und die Risiken von Diversity-Aktivitäten dagegen eher neutral. Nur fünf Prozent betrachten die Vielfaltsförderung überwiegend als Risiko oder gar als schlecht für das Unternehmen. Knapp drei Viertel von ihnen halten solche Programme für grundsätzlich sinnvoll oder gar zwingend notwendig. Eine Mehrheit sehe auch gesetzliche Vorschriften, wie sie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz festgeschrieben sind, für notwendig oder sinnvoll. Als unnötig betrachten sie nur zwölf Prozent.

Gesteigerte Arbeitgeberattraktivität

Unternehmen würden besonders häufig die Förderung einer offenen Unternehmenskultur, bessere Ergebnisse von vielfältiger Teams und gesteigerte Arbeitgeberattraktivität als konkrete Chancen nennen. Gleichzeitig fürchten die Unternehmen, als „zu woke“ wahrgenommen zu werden, wenn sie zu weitgehende Vielfaltsaktivitäten verfolgen. Die Aussagen „Vielfalt ist ein Zeichen von Gerechtigkeit und modernem Führungsstil” erhielt mit die höchste Zustimmung, während „Gerade jetzt, wo der Populismus auf dem Vormarsch ist, und die Polarisierung zunimmt, sollten Unternehmen sichtbar mehr für die breite Mitte und weniger für Minderheiten tun” und „Wir können uns viele Diversity-Aktivitäten schlichtweg nicht mehr leisten“, am häufigsten verneint wurde.

Zu wenige Bewerber

Angewiesen sind viele Arbeitgeber auch auf weibliche Auszubildende, die sich in typischen Männerberufen versuchen wollen. Schlicht, weil es zu wenige Bewerber gibt. So wird als häufigste Maßnahme zur Förderung von Vielfalt der Aktionstag Girls‘ Day genannt. Viele Unternehmen, insbesondere aus dem technischen Bereich, haben auch 2025 daran teilgenommen und sich über hohe Teilnehmerinnenzahlen gefreut. Aber auch Trainings und Mentoring-Programme, Angebote zur Kinderbetreuung, familienfreundliche Arbeitszeit- und Teilzeitmodelle sowie interne Frauenquoten in bestimmten Bereichen gehören laut der wvib-Meldung zu den häufig genannten Maßnahmen.

Keine expliziten Quoten

Dennoch verfolgen 89 Prozent der wvib-Mitglieder keine explizit ausgearbeitete Strategie zur Förderung von Vielfalt. Mit fest definierten Diversity-Zielen und Quoten arbeiten nur 9 Prozent der Befragten Unternehmen. Die klare Mehrheit geht das Thema also pragmatisch an. Der Einfluss Donald Trumps reiche also noch nicht bis in den Schwarzwald, wie die wvib schreibt. So habe keines der Unternehmen direkte Anfragen aus den USA erhalten.

Zusammenfassend könnte man sagen, dass die Wirtschaft sich des Umstands bewusst ist, dass Diversität eine ökonomische Notwendigkeit ist, um erfolgreicher zu sein und den Realitäten gerecht zu werden. Allerdings halten die meisten nichts von festgelegten Zielen oder Quoten und setzen auf Freiwilligkeit, die ihre Motivation aus Sachzwängen heraus bezieht. Kurz: Der Markt regelt hier das Gelingen von Vielfalt.

Neujustierung bei Vielfalt-Programmen

Oder um es mit den Worten von wvib-Community Manager Gregor Preis zu sagen: „Diversity wird nicht aus der Arbeitswelt verschwinden – unsere Welt ist vielfältig und es wird immer verschiedene Menschen, Kulturen, Sprachen und Ideen geben. Die USA üben Druck aus, und die Kostendecke ist vielerorts ohnehin angespannt. In diesem Umfeld dürften viele Vielfalt-Programme jetzt neu justiert werden.“

Eine funktionierende Wirtschaft und öffentliche Verwaltung mit ausreichend Personal dürfte ja im Interesse beider großer Lager liegen. Sowohl Links als auch Rechts, „woke“ oder nicht. Vielleicht braucht es einfach weniger Regelungswut und missionarischen Eifer seitens progressiver Politiker. Dann regelt sich alles von selbst.

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