Wirtschaft

Bestes wvib-Geschäftsklima seit 2023 hellt Stimmung leicht auf – Klarer Reformkurs gefordert

Pressekonferenz wvib
© wvib Schwarzwald AG – Vertreter von wvib und der Wirtschaft bei der Pressekonferenz.
Trotz zaghafter Erholung bleibt die Lage für viele Unternehmen in Baden-Württemberg angespannt. Der Mittelstand leidet weiterhin unter hoher Bürokratie, schwacher Auftragslage und politischer Unsicherheit – auch wenn die Bundesregierung Entlastungen verspricht. Die aktuelle wvib-Konjunkturumfrage zeigt: Es gibt leichte Hoffnungsschimmer, aber die Stimmung bleibt gedrückt. Insgesamt wartet die Wirtschaft auf wirksame Reformen. Die Politik sollte sich nicht allzu viel Zeit lassen.
Von Wolfgang Huber

Es ist nach wie vor eine prekäre Situation für die Unternehmen im Land. Immer noch drücken die Lasten der bizarren Bürokratie in Deutschland auf die Innovationskraft, Motivation und Stimmung in der Wirtschaft. Zwar hat das Kabinett Merz im Mai ein Sofortprogramm zur Entlastung der Wirtschaft angekündigt, doch außer den verbesserten degressiven Abschreibungsmöglichkeiten („Investitonsbooster“) und der vollständigen Agrardiesel-Rückvergütung für Landwirte ist noch nicht viel Konkretes bekannt oder beschlossen.

Milliardenentlastungen sollen kommen

Im Bereich Bürokratie will Berlin die Wirtschaft um 16 Milliarden Euro entlasten. Dies soll vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen. Unternehmensgründungen sollen künftig digital in 24 Stunden möglich sein. Konkrete Maßnahmen: bislang Fehlanzeige. Vor diesem Hintergrund hat der Wirtschaftsverband wvib Schwarzwald AG seine Konjunkturumfrage veröffentlicht. Demzufolge hat sich die wirtschaftliche Lage in Baden-Württemberg in den letzten sechs Monaten leicht verbessert. In den Unternehmen keime zarte Hoffnung auf bessere Geschäfte.

Gedrückte Stimmung

wvib-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer sieht aber nach wie vor eine gedrückte Stimmung mit der Folge von Stagnation, Attentismus und Schwunglosigkeit: „In ihren Planungen bleiben die Unternehmen weiter vorsichtig, sie drücken auch beim Personal auf die Bremse. Die Unsicherheit kommt aus den USA und aus China, und auch aus Berlin kommt bislang ein deutlich besserer Sound, aber noch keine wirkliche Hilfe.“

Leichtes Umsatzplus

Schauen wir uns die Ergebnisse der Konjunkturumfrage etwas näher an: Für das erste Halbjahr des Jahres 2025 meldeten die wvib-Mitgliedsunternehmen der Pressemitteilung zufolge ein Umsatzplus von 0,95 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im ersten Quartal des Jahres habe das Umsatzplus noch 2,3 Prozent betragen. Diese positive Veränderung sei teilweise auf einen Basiseffekt zurückzuführen: Im Gesamtjahr 2024 hatte sich der Umsatz um 4,8 Prozent verschlechtert.

Verbesserung bei Umsatzerwartung

Insgesamt hätten 53,7 Prozent der Unternehmen gesunkene Umsätze verzeichnet. Bei 40,6 Prozent der Unternehmen stiegen demnach die Umsätze. Auch bei den Umsatzerwartungen gab es eine leichte Verbesserung. Verrechnet man positive und negative Umsatzentwicklung, so erhalte man einen Wert für die Geschäftslage der Unternehmen. Analog dazu ist die Geschäftserwartung der Saldo aus positiver und negativer Umsatzerwartung. Aus dem Mittel zwischen Geschäftslage und Geschäftserwartung bildet sich das wvib-Geschäftsklima.

Geschäftsklima deutlich verbessert

Und dieses wvib-Geschäftsklima liegt derzeit bei minus 1,1 Punkten. Es sei der beste Wert seit Ende 2023. Vor drei Monaten lag das Geschäftsklima bei minus 2,1 Punkten. Im Vergleich zu ersten Halbjahr 2024 ist dies eine deutliche Verbesserung. Damals lag das Geschäftsklima noch bei minus 21 Punkten. Allerdings herrschte zum damaligen Zeitpunkt auch eine Anti-Ampel-Hysterie in Wirtschaft und Gesellschaft, die es wohl so kaum jemals gegeben hat.

Automotive-Sektor leidet

Jedenfalls hat sich die Geschäftslage etwas verschlechtert, die Geschäftserwartungen dagegen spürbar verbessert – und zwar von 7,8 Punkten auf 11,6 Punkte. Dies ergibt die relative Aufhellung des Geschäftsklimas. In den einzelnen Branchen gibt es, bezogen auf das Geschäftsklima, Unterschiede. Im Automotive-Cluster sieht es da eher schlecht aus, während die Geschäftserwartungen mit 16,6 Punkten dagegen erstmals seit Ende 2022 wieder positiv sind.

Autoindustrie

Die deutsche Automobilindustrie ist in der Krise – Foto: freepik

Medizintechnik-Branche erholt sich

Im Cluster Maschinenbau sei das Geschäftsklima mit minus 8 Punkten ähnlich schlecht wie bei den Automobilzulieferern. Spannend: Die Geschäftslage liegt deutlich tiefer als die Geschäftserwartungen, die deutlich im Plus liegen. Im Cluster Medizintechnik laufe es deutlich besser. Sowohl Geschäftslage (21,4 Punkte) wie Geschäftserwartung (31,6 Punkte) lägen im positiven Bereich. Entsprechend gut ist mit 26,4 Punkten das Geschäftsklima.

Rückläufige Auftragseingänge

Bei den Auftragseingängen ist von einer Stimmungsaufhellung noch nicht viel zu spüren. So gab es im ersten Halbjahr ein Plus von lediglich 0,6 Prozent, nach 3,8 Prozent im ersten Quartal. Im Gesamtjahr 2024 sei laut wvib der Auftragseingang um etwa 1 Prozent rückläufig gewesen. Das heißt, dass die Entwicklung im zweiten Quartal wieder deutlich verschlechtert hat. Immerhin ist die Zahl der Unternehmen, die im nächsten Halbjahr mit einer Verbesserung rechnen, doppelt so hoch wie die, die eine Verschlechterung erwarten. Und über 70 Prozent beurteilen die Ertragslage als „gut“ oder „befriedigend“.

Weniger Personal und Investitionen

Rund 56,8 Prozent der befragten Unternehmen haben in den letzten sechs Monaten ihre Belegschaft verkleinert, wie es weiter heißt. 31 Prozent haben dagegen Personal eingestellt. Auch das ist eine negative Entwicklung. Die Prognose bei den Mitarbeiterzahlen fällt ebenfalls schlechter aus als 2024. Und: Nur noch 6,6 Prozent meldeten eine verbesserte Auslastung, 72 Prozent gaben eine eher niedrige, schlechte Auslastung ihrer Produktion an. Die Investitionsquote der Unternehmen wird mit 4 Prozent angegeben, gegenüber 6,1 Prozent vor sechs Monaten.

Arbeiter

Viele Unternehmen bauen Personal ab – Foto: senivpetro/freepik

Unsicherheit bei 70 Prozent

Ein Blick auf die Risikowahrnehmung der Unternehmensführer in der Schwarzwald AG lässt eine gleichbleibend hohe Unsicherheit erkennen, so die Umfrageergebnisse. 32,5 Prozent stimmen der Aussage „Im Moment erleben wir ein besonders hohes Maß an Unsicherheit“ vollständig, weitere 38 Prozent überwiegend zu. Es fällt den Chefs immer noch schwer, Vorhersagen zu treffen.

Pessimistische Bevölkerung

Laut dem RTL/n-tv-Trendbarometer glauben nur 18 Prozent der Deutschen an eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Eine deutliche Mehrheit ist mit der Arbeit von Bundeskanzler Friedrich Merz unzufrieden. So verwundert es auch nicht, das wvib-Unternehmen die Wirtschaftspolitik zusammen mit der Bürokratie als die größten Unsicherheitsfaktoren einstufen. Diese beiden Felder ließen sich beeinflussen. Der Klimawandel landet im Risiko-Ranking auf dem zehnten und letzten Platz.

Strukturreformen gefordert

Auch das XXL-Schuldenpaket führe nicht automatisch zu einer deutlichen Konjunkturbelebung. Dafür brauche es tiefgreifende Strukturreformen, sonst drohe ein gigantisches Strohfeuer ohne nachhaltige Effekt, schreibt der wvib. Bislang habe es vor allem teure Wahlgeschenke gegeben, wie Mütterrente, Gastromehrwertsteuer, Rentengarantie und Agrardiesel-Rückvergütung. Das Steuerpaket sei ein zu kleiner Schritt.

„Deutschland muss stärker werden“

Der Ausblick von wvib-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer: „Die neue Bundesregierung ist mit Vertrauensvorschuss gestartet. Europa muss sich in der Welt besser schützen können. Dazu muss Deutschland stärker werden. Dafür brauchen wir grundlegende Fitness-Reformen, die wir seit Jahren verschleppen. Der industrielle Mittelstand drückt einem breiten Reformkonsens die Daumen. Das drängt auch die politischen Ränder zurück.”

Christoph Münzer wvib

wvib-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Münzer

Schleppender Bürokratieabbau

Ob die Politik die schwere der Aufgabe erkannt hat, wird sich zeigen. Das versprochene hohe Tempo bei den Reformen und den Entlastungen ist bislang nicht zu sehen. Auch beim Thema Bürokratieabbau geht es eher schleppend voran. 2023 hatten 57 Verbände der Politik über 400 konkrete Vorschläge für den Abbau überflüssiger Vorschriften gemacht. In der Folge kam das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV). Darin wurde nur ein Bruchteil der Vorschläge umgesetzt.

Teure Informationspflichten

Der Bundesverband der Industrie (BDI) sprach von mangelndem politischen Gestaltungswillen. Doch die Merz-Regierung kann sich derlei Nebelkerzen nicht leisten. Die Politik ist massiv gefordert, weitreichende, mutige Entscheidungen zu treffen. Denn laut BDI würden allein die Informationspflichten nach nationalem Recht Kosten für die Unternehmen von 66,5 Milliarden Euro jährlich verursachen. Bei gleichzeitig galoppierendem Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas. Um nicht völlig von den USA, China, Indien & Co. abgehängt zu werden, Bedarf es etwas mehr Ernsthaftigkeit beim Gesaltungswillen. Gefragt ist im übrigen auch die EU.

Foto: wvib-Konjunktur-Pressekonferenz bei der SensoPart Industriesensorik GmbH: Corinna Pfaff, Geschäftsführerin Pfaff GmbH (nicht im Bild); Bert Sutter, wvib-Präsident und Geschäftsführer Sutter Medizintechnik GmbH, Dr. Christoph Münzer, wvib-Hauptgeschäftsführer; Dr. Theodor Wanner, Geschäftsführender Gesellschaft SensoPart Industriesensorik GmbH; Marius Westermann, Geschäftsführer SensoPart Industriesensorik GmbH

Siehe auch hier:

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