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Showdown um Windpark Schwend: Kurz vor Abschluss der Bürgerbeteiligung gelingt Koehler ein PR-Coup

Koehler-Chef Kai Furler (mitte)
© Johannes Nickel/Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord e. V. – Koehler-Chef Kai Furler (mitte) bei der Vertragsunterzeichnung.
Der Bürgerentscheid zum Windpark Schwend am 20. Juli rückt näher – die Stadt Oberkirch setzte auf transparente Information: Mit einem mehrstufigen Beteiligungsverfahren inklusive Online-Beteiligung wurden Argumente gesammelt und gewichtet. Am 10. Juli werden die Ergebnisse öffentlich vorgestellt. Nachdem Windparkgegnerin Gunda Herzog sich mit ihrer Truppe an dem Verfahren beteiligt hat, gelingt der Koehler-Gruppe als Projektträger kurz vor der Abstimmung noch ein PR-Coup. Das Rennen ist völlig offen.

Von Wolfgang Huber

Inzwischen sind einige Wochen im Wahlkampf um den Bürgerentscheid zum Windpark Schwend am 20. Juli vergangen. Der magische Termin rückt langsam näher. Um die öffentliche Debatte in aus ihrer Sicht geordnete Bahnen zu lenken, zu versachlichen und eine fundierte Entscheidung zu ermöglichen, hat die Stadt gemeinsam mit der Servicestelle Bürgerbeteiligung ein Verfahren durchgeführt, dass nun am 10. Juli mit der Vorstellung der Ergebnisse des Bürgerforums endet.

Themenlandkarte vorgelegt

Der Startschuss erfolgte am 2. Juni mit dem „Beteiligungsscoping“, der ersten Phase der Dialogischen Bürgerbeteiligung. Dabei wurde eine Themenlandkarte vorgelegt, die die rund 40 Personen aus Politik, Verwaltung, Anwohnerschaft, Nachbarkommunen, Vereinen und Zivilgesellschaft sowie anderen Interessengruppen ergänzen und verändern konnten. Neben Stadt und Koehler waren unter anderem alle betroffenen Gemeinden, Umweltverbände wie der BUND oder der NABU, die Schwend-Anwohner, der Schwarzwaldverein, die IHK oder die Landfrauen dabei. Es war eine qualitative Sammlung aller relevanten Aspekte.

4.520 Bewertungen eingegangen

Die Themenlandkarte wurde dann im Rahmen der Online-Beteiligung zwischen dem 4. und 25. Juni im Beteiligungsportal veröffentlicht. Die Bevölkerung konnte hierbei Änderungen vornehmen und die Liste der Inputgebenden erweitern. Insgesamt sind laut Daniel Oppold von der Servicestelle 155 Kommentare und 4.520 Bewertungen eingegangen.

Als letzter Schritt folgte dann in drei Sitzungen das Bürgerforum. 30 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger trafen sich – zu Wort kamen unter anderem Oberbürgermeister Gregor Bühler, Nicolas Christoph von der Koehler Renewable Energy, Rainer Basler, Gunda Herzog und André Maier als Vertreter der Initiative „Ja zur Schwend“ und der Interessengemeinschaft Oberkirch/Durbach, Fiona Schlecht vom NABU-Landesverband sowie Dr. Sabine Stampf vom Regierungspräsidium Freiburg zu Wort.

Ergebnisse werden am 10. Juli vorgelegt 

Beim zweiten Bürgerforum am 1. Juli sprachen Stadtkämmerer Frank Spengler, der Hydrogeologe David Schulze vom Büro GEOsens, Revierleiter Michael Sauter sowie Walter Voß vom Amt für Waldwirtschaft des Landratsamts Ortenau. Zudem stand Projektleiter Julian Brandes von Koehler Renewable Energy erneut für Fragen zur Verfügung. Das dritte Bürgerforum tagte am 5. Juli. Nun, am 10. Juli, werden also die Ergebnisse und die Gewichtung der Themen vorgelegt. Zu der öffentlichen Veranstaltung um 19 Uhr in der Erwin-Braun-Halle sind alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen.

Austausch an Thementischen

Die Teilnehmer des Bürgerforums geben dabei ihre Einschätzung dazu ab, welche Pro- und Contra-Argumente aus ihrer Sicht besonders wichtig sind, anschließend wird Dr. Thomas Uhlendahl von memoU die Arbeitsweise des Bürgerforums vorstellen. Im Mittelpunkt des Abends steht jedoch laut der Stadt die Präsentation der gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse durch Mitglieder des Bürgerforums. Im Anschluss bestehe für die Mitglieder des Gemeinderates die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Alle Bürgerinnen und Bürger sind demnach anschließend wiederum eingeladen, sich an den vorbereiteten Thementischen mit den ausgewählten Teilnehmern des Bürgerforums auszutauschen und persönliche Gespräche zu führen.

Das Ergebnis ist offen

Eine, die seit Jahren besonders aktiv gegen den Ausbau der Windenergie im Schwarzwald kämpft, ist Gunda Herzog von der Interessengemeinschaft Oberkirch/Durbach. Schon im vergangenen Jahr zog sie mit ihren Mitstreitern gegen den geplanten Windpark Hummelsebene zu Felde. Dort laufen jedoch längst die Bauarbeiten. Doch beim Windpark Schwend ist die Lage völlig anders. Es gibt den Bürgerentscheid und noch kann niemand das Ergebnis vorhersagen.

Kritik an den Kosten

„Grundsätzlich stehen wir Bürgerbeteiligungsformen positiv gegenüber“, sagt Gunda Herzog. Doch gleichzeitig kritisiert die Aktivistin die zusätzlichen Kosten, die für die Bürgerbeteiligung von der Stadt ausgegeben werden. Obwohl der Durchführungszeitraum sehr kurz und damit die Bürgerbeteiligung in einem nur sehr geringen Zeitfenster möglich gewesen sei, seien vom Gemeinderat am 28. April 45.000 Euro bereitgestellt worden.

Gemeinsame Veranstaltung abgelehnt

Doch ein weiterer Punkt stößt Herzog bitter auf. Man habe sich als Interessengemeinschaft seit September 2023 gewünscht, als Bürger vor Entscheidungen gefragt bzw. umfassend informiert und eingebunden zu werden. „Wir forderten mehrmals schriftlich, öffentlich und in Gesprächen, dass eine gemeinsame, öffentliche Veranstaltung über das Für und Wider von Windindustrieanlagen den Menschen die Möglichkeit gibt, sich eine eigene Meinung bilden zu können.“ Doch leider sei das seitens der Stadtverwaltung und den Stadtwerken Oberkirch abgelehnt worden.

Möglichkeiten genutzt

Dennoch haben Gunda Herzog & Co. ihre Möglichkeiten, die die Bürgerbeteiligung bot, voll ausgeschöpft. Als Inputgeber beim Beteiligungsscoping am 2. Juni und beim Bürgerforum am 26. Juni. Dabei seien Impulse und Beiträge für die Themenlandkarte gesetzt worden. Auch bei der Online-Beteiligung habe man mitgewirkt.

Die Stadtverwaltung weist zwischenzeitlich darauf hin, dass die Fachbeiträge aus dem Bürgerforum zur geplanten Windkraftnutzung auf der Schwend öffentlich zugänglich sind. Interessierte können sich umfassend über die zentralen Inhalte und Argumente aus dem Beteiligungsverfahren informieren. Die Beiträge stehen auf der Website der Servicestelle für Dialogische Bürgerbeteiligung zum Abruf bereit.

Fachliche Beiträge stehen online

Unter https://www.servicestelle-buergerbeteiligung.de/projekte/windkraftanlagen-oberkirch sind die Videoaufzeichnungen der Beiträge mit den fachlichen Beiträgen der eingeladenen Expertinnen und Experten dokumentiert. Die Wortmeldungen der gelosten Bürger bleiben demnach vertraulich und „werden selbstverständlich nicht veröffentlicht“. Damit sollen alle Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit erhalten, sich fundiert und umfassend zu informieren.

Koehler wird Naturpark-Sponsor

Knapp zwei Wochen vor dem Urnengang gelang der Koehler-Gruppe noch ein PR-Coup. So gab der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord am vergangenen Donnerstag bekannt, dass der Papierhersteller neuer Hauptsponsor wird und das Ziel des Naturparks für den Erhalt der Kulturlandschaft unterstützt. Zur Unterzeichnung des Kooperationsvertrags war der Koehler-Vorstandsvorsitzende Kai Furler persönlich in die Naturpark-Geschäftsstelle in Bühlertal gekommen.

Vielseitige Projekte geplant

„Die Koehler-Gruppe ist fest im Naturpark verwurzelt. Sie investiert nachhaltig ökologisch, ökonomisch und sozial in die Wertschöpfung und damit die Zukunft unserer Region. Mit ihrer Unterstützung kann der Naturpark vielseitige Projekte in der Bildung, der Klimaanpassung, der Regionalvermarktung und dem Naturschutz durchführen“, wird Naturpark-Vorsitzender Christian Dusch zitiert. Ideen gäbe es bereits. So bringe sich das Bildungsteam des Naturparks bei der pädagogischen Ausrichtung der Koehler-Kindertagesstätte Gretel-Furler-Kita in Oberkirch ein. Ziel von Koehler sei es, die Auszeichnung als Naturpark-Kindergarten zu erwerben.

Widersprüchliche Vorgehensweise

Für die Gegner des Windparks mag das wie blanker Hohn klingen. Einerseits in ein sensibles Öko-System durch den Bau von riesigen Windrädern einzugreifen, andererseits den Naturpark beim Erhalt genau jener Kulturlandschaft zu unterstützen. Gunda Herzog und die gesamte Szene der Windenergiegegner werden versuchen, der geballten Finanzmacht des Konzerns etwas entgegenzusetzen. So soll bis zum 20. Juli die Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit mit Veranstaltungen, Mahnwachen, Info-Marktständen, Leserbriefe und die Aktivitäten in den sozialen Medien fortgesetzt werden.

Zuversicht bei Gunda Herzog 

„Ich bin zuversichtlich, dass beim Bürgerentscheid ein ‚Ja‘ zur Schwend herauskommt. Die Bürger werden für die betroffenen Menschen auf der Schwend, für die Natur und das einzigartige Landschaftsbild, den sensiblen Artenschutz, den Tourismus und für eines der wichtigsten Naherholungsgebiete der Oberkircher stimmen.“ Das letzte Wort hat am 20. Juli die Oberkircher Bürgerschaft. Wir vom Ortenau Journal werden aber bis dahin weiter über die jeweiligen Entwicklungen und Umstände rund um die Schwend berichten. Das Rennen ist völlig offen.

Foto: Beim Schluss der Kooperationsvereinbarung vor der Naturpark-Geschäftsstelle in Bühlertal: der Naturpark-Vorsitzende und Landrat des Landkreises Rastatt Prof. Dr. Christian Dusch, der Vorstandsvorsitzende der Koehler-Gruppe Kai Furler und der Naturpark-Geschäftsführer Karl-Heinz Dunker (v. l.).

Siehe auch hier:

„Nehmen Bedenken ernst“: Koehler Group verspricht transparenten Dialog zum Windpark Schwend

Kai Furler zur Schwend: „Wir werden den Kontakt zu den Menschen bis 20. Juli über alle Kanäle intensivieren“

Windpark Schwend: YouTube-Video geht mit 15.000 Klicks in 10 Tagen viral – Interview mit Peter Cleiß

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