Baumretter Ralph Fröhlich kann sich nicht daran erinnern, dass es so etwas schon einmal in Offenburg gegeben hat. Die Rede ist von einem Bürgerentscheid. Der wird nun in der Kreishauptstadt am 8. März zur Realität, also parallel zur Landtagswahl 2026. Gegenstand des Urnengangs ist die Frage, ob das Flugplatzareal als Gewerbegebiet entwickelt werden darf oder nicht. Die Verwaltung hatte einen entsprechenden Entwurf am Montag dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt.
Klare Mehrheit für Bürgerentscheid
Diese ist nun gefallen. Wie das Lokalnachrichten-Portal Baden Online berichtet, hat das Ratsgremium mit einer klaren Mehrheit von 31 zu 8 Stimmen für die Verwaltungsvorlage gestimmt. Somit wäre der Weg für das von OB Marco Steffens ins Spiel gebrachte Verfahren frei. Geregelt ist das Ganze in der Gemeindeordnung von Baden-Württtemberg unter §21 GemO und im Kommunalwahlgesetz unter §41 KomWG. Der Bürgerschaft wird über die Frage „Sind Sie für die Entwicklung des Sonderlandeplatzes (Flugplatzes) zu einem Gewerbegebiet auf Offenburger Gemarkung?“ zu entscheiden haben.
Initiative von der Stadtverwaltung
Bürgerentscheide sind in letzter Zeit in Mode gekommen. In Oberkirch und zuletzt Bad Peterstal gab es jedoch im Vorfeld ein Bürgerbegehren. D. h. eine Initiative aus der Bevölkerung hatte den Bürgerentscheid erzwungen – gegen den Willen des Gemeinderats. In Offenburg kam die Initiative nun allerdings von der Stadtverwaltung. Im Grundsatz ist es dieser hoch anzurechnen, dass sie die Bürger in Fragen der städtischen Entwicklung mit einbezieht und über die Zukunft des Flughafenareals abstimmen lässt.
Grüne stimmen dagegen
Im Offenburger Rat war eine Zweidrittel-Mehrheit notwendig. Dies hat die Verwaltung nun erreicht. Lediglich die Grünen-Fraktion hatte dem Bericht zufolge den Antrag geschlossen abgelehnt. Sie habe einen späteren Termin gefordert. Kritik kam auch von den Freien Bürgern und der AfD. Deren Fraktionsvorsitzender Taras Maygutiak hatte das Vorhaben in Frage gestellt. „Die Firmen zögen nicht mangels Flächen weg, sondern „weil in anderen Ländern die Produktionskosten günstiger sind“, wird er in dem Bericht zitiert. Fritz Düker (Freie Bürger) befürchtete klimatische Auswirkungen und verwies auf die hohe Zahl an Insolvenzen. Beide stimmten schließlich dennoch dem Antrag zu.

Wir der Flugverkehr in Offenburg bald eingestellt? Foto: Fliegergruppe Offenburg
Gewerbeflächenmangel in Offenburg
„Die Offenburger Bürgerinnen und Bürger sollen selbst entscheiden, ob aus dem bisherigen Sonderlandeplatz ein Gewerbegebiet werden soll,“ hatte die Stadt in einer Pressemitteilung angekündigt und schlug den Bürgerentscheid vor. Grund sei der akute Gewerbeflächenmangel, der ein echtes Problem für expansionswillige Unternehmen sei. Die Untersuchung eines Planungsbüros über die Möglichkeiten der Flächenreaktivierung und Nutzungsintensivierung in bereits bestehenden Gewerbegebieten laufe parallel.
Droht Abwanderung?
Sollte es nicht zur Entwicklung des 20 Hektar großen Areals zum Gewerbegebiet kommen, so die Pressestelle, drohten Abwanderung und verpasste Chancen für die Stadt. Das Gebiet sei teilweise im Flächennutzungsplan bereits als Gewerbefläche vorgesehen und die einzige verfügbare Fläche, auf der eine Entwicklung in dieser Größenordnung überhaupt möglich sei.
Zusammenhängende Gewerbefläche
Sie liegt im Bereich des interkommunalen Gewerbegebiets hoch³, in dem die Gemeinden Offenburg, Hohberg und Schutterwald gemeinsam Flächen für die wirtschaftliche Entwicklung bereitstellen. In Offenburg befinde sich bislang lediglich das Justizvollzugsgebäude auf dem vorgesehenen Areal. Die nun abgesegnete Variante schaffe eine 20 Hektar große, zusammenhängende Gewerbefläche.
Erholungsfunktion bleibe erhalten
Die Kleingartenanlage Stockfeld bleibt in dieser Planungsvariante erhalten; die Erholungsfunktionen von Königswald und Königswaldsee werden ebenfalls nicht beeinträchtigt und können über eine verbesserte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sogar leichter erreicht werden, wie es in der Pressemitteilung weiter heißt. Ein zweite Variante mit Erhalt des Sonderlandeplatzes wurde verworfen, da nur 10,7 Hektar für Gewerbeflächen übrig geblieben wäre.
Größe von 35 Fußballfeldern
Derzeit würden 180 aktive Mitglieder der Fliegergruppe Offenburg den Sonderlandeplatz für Sport- und Hobby-Flüge nutzen. Das 25 Hektar große Vereinsgelände entspreche der Größe von 35 Fußballfeldern. Geschäftsreiseverkehr sei jedenfalls mangels Infrastruktur nicht möglich, so die Stadt. Außerdem liege der Flugplatz Lahr – der über die nötige Infrastruktur verfüge, nur 15 Kilometer vom Flugplatz in Offenburg entfernt.
Kritik von Ralph Fröhlich
Doch Kritik an dem Vorhaben kam bereits vor der Gemeinderatsentscheidung pro Bürgerentscheid von Baumretter Ralph Fröhlich uns seiner Konferenz für Urban Transformation Design (KfUTD). Ein Gewerbegebiet bleibe ein massiver Eingriff in den Bodenhaushalt, mit langfristiger Versiegelung, steigendem Verkehr und verändertem Mikroklima, schreibt die Initiative auf ihrer Website. „Während Unternehmen wachsen wollen, schrumpft die verfügbare Fläche. Boden aber wächst nicht nach – er ist endlich.“ Fröhlich wirft die Frage auf: „Wie viel Wachstum verträgt Offenburg noch – und wo liegen die Grenzen?“

Baumretter Ralph Fröhlich warnt vor negativen Folgen für die Umwelt. Foto: KfUTD
„Was sind die Alternativen?“
Außerdem wurde bemängelt, dass trotz jahrelanger Debatte immer noch keine transparente Bedarfsanalyse vorliege. Ein Punkt, der auch in der Gemeinderatssitzung vom Montag angesprochen wurde: „Welche Firmen benötigen wie viel Platz und was sind die Alternativen?“ Zudem sei unklar, wie sich die Entwicklung auf den Autobahnzubringer Süd auswirken würde – denn beide Projekte würden laut Fröhlich räumlich ineinander greifen.
Balance zwischen Wirtschaft und Ökologie
Es werde sich zeigen, welche Prioritäten Offenburg in Zeiten der Klimaanpassung, Flächenknappheit und sozialer Herausforderungen setze. „Es geht um eine Balance zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und ökologischer Verantwortung, um das Verhältnis von Eigentum, Gemeinwohl und Lebensqualität.“ Dieser Bürgerentscheid werde zeigen, wie Offenburg künftig mit seinen letzten Freiflächen umgeht – als Stadt, die wachsen will oder als Stadt, die Weitsicht vor Wachstum stellt.
Klimaschutz soll mitgedacht werden
Die Stadt setzt bei der ökologischen Frage auf eine Stadtklimaanalyse. Diese zeige, dass bei sorgfältiger Planung bei der Umsetzung der Variante 1 keine erheblichen negativen Auswirkungen auf die angrenzenden Wohngebiete zu erwarten seien. Man wolle bei der Entwicklung des Gewerbegebietes Klimaschutz und -anpassung von Anfang an mitdenken. Hierzu würden unter anderem Baumpflanzungen und Fassadenbegrünungen zählen. Auf den Dächern könnten der Vorlage zufolge Photovoltaikanlagen installiert werden. Auch könne das Gewerbegebiet – in einem geplanten Ausbaugebiet der Wärmeversorgung Offenburg liegend – an das Fernwärmenetz angeschlossen werden.
„Die Frage ist nicht neutral“
Ob das den Baumrettern um Ralph Fröhlich ausreicht, darf bezweifelt werden. Sie kritisieren zudem die Frage, die den Bürger:innen zur Abstimmung vorgelegt werden wird. Diese sei positiv formuliert und vermittle ein Gefühl von Fortschritt, Aktivität und Zukunft. Wer mit „Ja“ stimmt, fühle sich damit leicht als jemand, der etwas bewegt oder voranbringt. Die Alternative – ein „Nein“ – wirke dagegen passiv, wie ein Bremsen oder Verhindern. „Damit ist die Frage nicht neutral, sondern sprachlich zugunsten der Verwaltung und Wirtschaft gerahmt“, schreibt die KfUTD weiter.
Sie lenke den Fokus auf das, was entstehen könnte – nicht auf das, was verloren geht, nämlich die Umwandlung einer Grünfläche und Flächenversiegelung.
Wer mit „Nein“ stimmen muss
Juristisch sei die Frage korrekt, spiele aber der Verwaltung und der Wirtschaft in die Karten. Eine Frage wie „Sind Sie dafür, den Sonderlandeplatz in ein Gewerbegebiet umzuwandeln?“ wäre neutraler gewesen. Schließlich weist Fröhlich darauf hin, dass wer sich für den Erhalt der Grünfläche ausspreche, klar und bewusst mit „Nein“ stimmen müsse.
Doppelter Wahlkampf in Offenburg
Der Bürgerentscheid gilt als angenommen, wenn die Mehrheit der Ja-Stimmen 20 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung ausmacht. Dies dürfte das Vorhaben jedoch aufgrund der parallel stattfindenden Landtagswahl nicht zum Scheitern bringen. Die kommenden Monate werden also nicht nur von den Parteien für den Wahlkampf genutzt, sondern auch von der Stadt und den Gegnern eines Gewerbegebiets auf dem Flugplatzareal.
Siehe auch hier:
1,4 Mrd. € Investitionen – Stadtentwicklung, Start-ups und Transferpreis beim Wirtschaftsforum OG