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Klimawandel in der Ortenau

Klimaatlas BW: Temperaturanstieg um bis zu 6,1 Grad in der Ortenau in 2100 möglich

Hitze in der Ortenau
© FelixMittermeier/pixabay
Der Klimaatlas BW zeigt alarmierende Entwicklungen für die Ortenau: Bis Ende des Jahrhunderts könnte die Temperatur um 3,5 Grad steigen, im August sogar um über 6 Grad. Schon jetzt sind mehr heiße Tage spürbar. Bernd Mettenleiter (MDL, Grüne) macht auf nötige „klugen Anpassungen“ aufmerksam. Einige davon werden vom Landratsamt bereits umgesetzt. Dazu zählen u. a. nachhaltiges Wildtiermanagement, klimastabile Baumarten und eine bessere Bewässerungsinfrastruktur.

Von Wolfgang Huber

Im zurückliegenden Bundestagswahlkampf stand das Thema Klimaschutz im Schatten der Wirtschaftskrise und der heiß diskutierten Migration. Tatsächlich steht die Sorge um das Klima hinter den beiden genannten Themen nur noch auf Rang drei, wie eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen Ende Januar ergab. Dabei scheint sich zunehmend die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Klimawandel mit dem Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen ohnehin nur noch abgemildert werden kann. Aufzuhalten ist die Klimaerhitzung nicht mehr.

Massiver weltweiter Ausbau der Erneuerbaren

Daraus jedoch zu schließen, man könne den Klimaschutz vernachlässigen, führt in die Irre. Wenn die Erderwärmung begrenzt werden soll, müssen weltweit Erneuerbare Energien ausgebaut werden. Und dies geschieht auch im großen Stil. So rechnen Experten mit einem massiven weltweiten Ausbau von Wind- und Solarenergie bis 2030. Laut einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) soll bis dahin aufgrund des rasanten Ausbaus der Anteil der Erneuerbaren bei 50 Prozent liegen. Vorreiter ist China, das von dem Zubau alleine 60 Prozent zu verantworten hat.

Doch das bereits seit Jahrzehnten exzessiv ausgestoßene Klimagas CO2 und das 40 mal klimaschädlichere Methan sorgen bereits jetzt für einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur. Auch in Deutschland, versteht sich. So geht es neben der CO2-Einsparung vor allem darum, sich auf die zu erwartenden Hitzeperioden einzustellen. Anhand von Klimaanpassungsmaßnahmen soll beispielsweise der Wald und die Landwirtschaft klimafit gemacht werden. Als Instrument für die Einordnung des Temperaturanstiegs in Baden-Württemberg hat die Landesregierung den online einsehbaren Klimaatlas BW entwickeln lassen.

Unerträgliche Hitze um 2100

Demnach ist in den Jahren ab 2071 bis zum Ende des Jahrhunderts mit einem Anstieg der Temperaturen in der Ortenau von 3,5 Grad Celsius im Median zu rechnen. Der Anstieg im August könne im Vergleich zum Referenzzeitraum 1971 bis 1990 mit einem Plus von bis zu 6,1 Grad zu Verhältnissen führen, die wir uns lieber nicht vorstellen wollen. Der Schwarzwald würde längst Waldbränden zum Opfer fallen und an Landwirtschaft wäre auch kaum noch zu denken. Bereits in den Jahren bis 2050 geben die Experten einen Anstieg von 1,3 Grad an, im August liegt demnach der Anstieg bei bis zu 1,6 Grad.

„Starkregen oder mehr Nächte im Sommer bei denen das Thermometer nicht unter 20°C sinkt: Wir spüren die Auswirkungen des Klimawandels immer stärker, auch hier in der Ortenau!“ schreibt Bernd Mettenleiter, der den Wahlkreis Kehl für Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg vertritt, in einer Pressemitteilung. „Was uns beim regionalen Klima in der Zukunft droht, zeigt der nun vorliegende Klimaatlas. Er warnt uns, aber er hilft uns auch dabei, den Klimawandel besser einzuschätzen.“

Mehr heiße Tage in der Ortenau

Der Klimaatlas wurde vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) gemeinsam entwickelt. Neben den Prognosen für die Zukunft enthält das Instrument auch Zahlen zur Vergangenheit und der Gegenwart. Darin könne man laut Mettenleiter zum Beispiel einsehen, dass es im Jahr 2024 im Ortenaukreis 14 heiße Tage mit Temperaturen über 30 Grad gegeben habe. Dies seien acht heiße Tage mehr pro Jahr als im Durchschnittszeitraum der Jahre 1961 bis 1990. Und es werden mehr: Laut Prognose werden es in drei Jahrzehnten über 20 heiße Tage sein. Gleichzeitig würde auch die Anzahl tropischer Nächte deutlich steigen.

„Mit dem Klimaatlas BW wurde ein Schlüsselwerkzeug für Kommunen, Planungsbüros sowie Bürgerinnen und Bürgern geschaffen“, ist daher Mettenleiter, der Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft ist, überzeugt. „Wir schaffen die Grundlage, um uns besser auf die Auswirkungen des Klimawandels vorzubereiten. Kluge Anpassungen an den Wandel sind geboten“, so der Grünen-Abgeordnete weiter.

Umstrittene Windenergie

Konzepte, wie die „Schwammstadt“ und mehr öffentliches Grün würden dabei helfen, die Folgen abzumildern. „Die Anpassung an den Klimawandel ist Gesundheitsschutz und bringt oft auch mehr Lebensqualität“, lässt sich Mettenleiter weiter zitieren. Daher freue er sich, dass im neuen Doppelhaushalt die Gelder für Kommunen massiv erhöht wurden: „Statt bisher fünf Millionen im Jahr, sind nun ab 2026 30 Millionen im kommunalen Investitionsfonds (KIF) beschlossen.“

„Die Anpassungen an den Klimawandel müssen dabei aber immer eng mit der Reduktion von Treibhausgasen verzahnt werden. Mit der erfolgreichen Solarpflicht und schnelleren Genehmigungsverfahren für Windkraft haben wir in Baden-Württemberg dazu wichtige Schritte eingeleitet“ so Mettenleiter abschließend. Gerade der letzte Punkt ist in der Ortenau bekanntermaßen höchst umstritten, zumindest wenn es um den Ausbau der Windenergie in sensiblen Ökosystemen wie dem Schwarzwald geht.

Klimaanpassungsmaßnahmen im Kreis

Doch wie können Klimaanpassungsmaßnahmen im Ortenaukreis aussehen? Verantwortliche und Akteure im Kreis bereiten sich auf vielfältige Weise auf die ansteigenden Temperaturen vor. Ein Bereich ist das Wald- und Wildtiermanagement. „Die Umsetzung eines professionellen Wildtiermanagements bietet uns in der klimaangepassten Waldbewirtschaftung viele Chancen“, stellte Diana Kohlmann, Dezernentin für den Ländlichen Raum beim Landratsamt Ortenau, bei einer Waldbegehung im Sommer 2024 fest. So könne mithilfe einer lebensraumangepassten, wildbiologisch orientierten Bejagung der Verbissdruck so weit gesenkt werden, dass die Hauptbaumarten ohne Schutz wieder wachsen.

Das richtige Verhältnis von Wald und Wild sei entscheidend für die dringend notwendige Naturverjüngung der Wälder, um diese zukunftsfit aufzustellen. Maximilian Lang, Wildtierbeauftragter des Ortenaukreises, sagte seinerzeit: „Das Wild ist zentraler Bestandteil des Ökosystems Wald und untrennbar mit diesem verbunden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Anzahl der Tiere nicht über der Tragfähigkeit des Lebensraums liegt, sodass die Bäume von morgen problemlos nachwachsen können.“

Erhöhter Aufwand nötig

In einem Interview mit dem Ortenau Journal im Dezember beschrieb Diana Kohlmann den Zustand der Ortenauer Wälder. Wie im gesamten Bundesgebiet seien die Wälder erkennbar im Klimastress. Trockenschäden und Absterbeerscheinungen an diversen Baumarten, sowie die Ausbreitung von Schädlingen seien vielerorts zu beobachten. Kohlmann: „Damit verbunden sind negative Auswirkungen auf alle Waldfunktionen, nicht nur in betrieblicher bzw. betriebswirtschaftlicher Hinsicht, was geringere Zuwächse und höhere Schadholzmengen angeht, sondern auch im Hinblick auf die ökologischen Funktionen des Waldes und die Erholungsfunktion.“ Es sei Stress für das gesamte Artenspektrum und es gebe einen deutlich erhöhten Aufwand für Verkehrssicherungsmaßnahmen im und am Wald.

Dafür seien die Forstfachleute vor Ort in den Revieren die direkten Ansprechpartner, wenn Waldbesitzer individuelle Fragen z.B. zur Baumartenwahl oder zu entsprechenden Pflegemaßnahmen hätten. Vom Land gebe es Fördermittel. Dabei unterstütze das Landratsamt die Waldbesitzer durch entsprechende Beratung und bei der Antragstellung. Auch im Rahmen der Waldbewirtschaftung gebe es Unterstützung: „Um unsere Wälder möglichst klimafit zu machen, gibt es mehrere Grundprinzipien, die sich gegenseitig ergänzen und die der Kern unseres Beratungsportfolios sind. Konkrete Maßnahmen seien erstens die Förderung der Baumartenvielfalt. Dazu werden laut Kohlmann bei der Verjüngung der Wälder gezielt klimastabilere Baumarten in die bunte Naturverjüngungsmischung eingebracht.

Förderung der Biodiversität und Strukturvielfalt

Als zweiten Punkt nannte sie die Förderung der genetischen Vielfalt, um ein möglichst hohes natürliches Anpassungspotenzial in den Wäldern zu halten. Drittens werde die konsequente Pflege und Förderung der Kronenentwicklung der sogenannten Zukunftsbäume vorgenommen, um über diese ein stabiles und vitales Grundgerüst in den Waldflächen zu entwickeln. Positive Effekte durch die Förderung der Strukturvielfalt, dem vierten Beispiel, seien Wasserhaushalt, biologische Vielfalt, Lichtsteuerung und vieles mehr. Nicht zuletzt sei die Integrative Förderung der Biodiversität nötig, um die Artenvielfalt unserer Wälder zu bewahren und den Arten eine „Brücke in die Klimazukunft“ zu bauen.

Gleichzeitig werden Gegenmaßnahmen gegen die Auswirkungen zunehmender Trockenheit ergriffen. So haben 15 Ortenauer Kommunen auf Initiative des Landratsamtes ebenfalls im Sommer 2024 eine Machbarkeitsstudie zur Einrichtung gemeinschaftlicher Bewässerungsinfrastrukturen für den Obst- und Weinbau in Auftrag gegeben. Damit solle untersucht werden, wo in der Nähe der bewässerungswürdigen Kulturen ausreichend nachhaltige Wasserressourcen vorhanden seien und Informationen über bestehende Wasserinfrastrukturen und ihre Ausbaupotenziale geliefert werden.

Zuverlässige Bewässerung

Die Auswirkungen des Klimawandels hätten sich in der Landwirtschaft in den letzten Jahren durch vermehrte Spätfröste, Früh- und Sommertrockenheit sowie Hitzeschäden gezeigt. Insbesondere der Obst- und Weinbau in der Vorbergzone auf Gesteinsverwitterungsböden sowie in den Talausgängen von Kinzig, Rench und Acher sowie die Sonderkulturen in der Rheinebene seien betroffen. Eine zuverlässige Bewässerung sei inzwischen unerlässlich, um Schäden zu vermeiden und die Qualität zu sichern. Die Bedeutung dieser bewässerungswürdigen Kulturpflanzen und das Bewusstsein, dass die Nutzung knapper Wasserressourcen konkurrierende Interessen betrifft, erforderten Handlungsbedarf, hieß es damals von Seiten der Kreisbehörde.

Ergänzende Information zum Klimaatlas:

Der Klimaatlas (www.klimaatlas-bw.de) zeigt sowohl das vergangene als auch das aktuelle Klima und die voraussichtliche Entwicklung auf. Dabei nimmt der nicht nur ganz Baden-Württemberg, sondern auch die einzelnen Kommunen in den Blick. Aufgeführt sind eine Reihe von Indikatoren, unter anderem Temperatur und Niederschlagsmenge, aber auch beispielsweise die Zahl von Tropennächten, Frosttagen, Tagen mit Starkniederschlägen oder Trockenperioden. Die Indikatoren sind jeweils für einzelne Jahre, Jahreszeiten oder Monate abrufbar.

Siehe hier:

China baut massiv auf Wind- und Solarenergie – CO2-Trendwende in Sicht?

Austausch zum Wildtiermanagement im Ortenaukreis

„Wir im Ortenaukreis stehen zu Windenergie an sinnvollen Standorten“

Sicherung des Obst- und Weinbaus

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