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Bürgerentscheid über Rheinwald: „Wir sehen, wie aufgebracht und entschlossen manche Menschen sind“

Kieswerk Diersheim
© Doris Geiger – Das Kieswerk Diersheim steht vor einer richtungweisenden Entscheidung.
Während in Rheinau über den Schutz des Rheinwaldes gestritten wird, steht im Hintergrund eine Entscheidung von enormer Tragweite: das Schicksal des Kieswerks Diersheim. Seit mehr als sechs Jahrzehnten prägt der Betrieb Arbeitsplätze, Haushaltskasse und Bauprojekte der Region. Nun rückt der Bürgerentscheid näher – und mit ihm die Frage, ob die Gemeinde auf Millionenbeträge verzichten will. Geschäftsführer Wentz erklärt im Interview mit Doris Geiger, warum ein „Ja“ fatale Folgen hätte.
Von Doris Geiger

Seit über 60 Jahren ist das Kieswerk Diersheim fest in der Gemeinde verankert. In dieser Zeit hat sich das Unternehmen nicht nur als sicherer Arbeitgeber etabliert, sondern auch als direkter Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger und als relevante Quelle für den kommunalen Haushalt.

Hochwertige Rohstoffe

Das Kieswerk produziert hochwertige Rohstoffe für lokale Bauprojekte, aber auch für jene, die außerhalb der Gemeindegrenzen von Bedeutung sind. Damit trägt das Unternehmen eine bedeutende Verantwortung für die Infrastrukturentwicklung.

Kommunale Einnahmen

Die vom Kieswerk seit Jahrzehnten gezahlte Kies-Pacht sorgt für erhebliche Einnahmen im kommunalen Haushalt. Dies sind mehrere hunderttausend Euro jährlich, die der Gemeinde Investitionsmöglichkeiten in Bereiche wie Infrastruktur, Bildung oder soziale Projekte verschaffen.

Bürgerentscheid angestoßen

Allerdings: Der Fortbestand des Unternehmens steht und fällt mit dem Zugang zu neuen Rohstoffvorkommen. Genau diesen will eine Bürgerinitiative verhindern. Sie hat einen Bürgerentscheid angestoßen, der sich gegen die geplante Nutzung weiterer Flächen richtet, da es sich hierbei um bewaldete Gebiete handelt.

Gegenposition wird gezeigt

Vor wenigen Wochen hatte der Vorsitzende des Zukunftsforums, Joachim Thomas, seine Sicht der Dinge ausführlich im Interview mit Pauline Schwarzwälder dargelegt. Laut Thomas gibt es Alternativen zum Kies aus Rheinau, die Abholzung des Rheinwaldes ließe sich durch nichts rechtfertigen. Aus Gründen der Ausgewogenheit bringen wir heute die Sichtweise des Kieswerks Diersheim aufs Tableau.

Kieswerk Diersheim

Der Rheinwald rund um das Kieswerk Diersheim soll gerodet werden. Foto: Zukunftsforum

Perspektive aller Beteiligten

Im Interview verdeutlicht Georg-Maximilian Wentz, Geschäftsführer des Kieswerks, wie relevant es ist, dass die Bürger:innen vor ihrer Entscheidung eine umfassendere Sichtweise auf das Thema erhalten. Ihm ist es wichtig, dass die Perspektiven aller Beteiligten beleuchtet werden, um eine sachliche und informierte Abstimmung zu ermöglichen.

Interview mit Georg-Maximilian Wentz:

Doris Geiger: Am 8. März 2026 stimmen die Rheinauer Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Bürgerentscheids über folgende Frage ab: “Sind Sie dagegen, dass die Stadt Rheinau in Diersheim Flächen des Rheinwaldes verpachtet, die zum Zweck des Abbaus von Kies und Sand gerodet werden?“ Was würde ein „Ja“ für Ihr Kieswerk bedeuten?

Georg-Maximilian Wentz: Sollten die Bürgerinnen und Bürger beim Bürgerentscheid mit „Ja“ stimmen, hätte dies gravierende Folgen für das Kieswerk Diersheim. Die Zukunft des Unternehmens wäre unmittelbar bedroht, denn ab dem Jahr 2029 könnten auf den bestehenden Flächen keine weiteren Kies- und Sandvorkommen mehr abgebaut werden. Das bedeutet nicht, dass das Kieswerk wirtschaftlich schlecht aufgestellt wäre, sondern vielmehr, dass die benötigten Rohstoffe schlichtweg nicht mehr zur Verfügung stünden. Ohne Zugang zu neuen Abbauflächen wäre der Weiterbetrieb des Werks unmöglich – die Produktion müsste eingestellt und der Betrieb nach über 60 Jahren geschlossen werden.

Doris Geiger: Was würde ein „Nein“ als Ergebnis des Bürgerentscheids für Ihr Kieswerk bedeuten?

Georg-Maximilian Wentz: Ein ablehnendes Votum im Bürgerentscheid, also ein „Nein“, würde für das Kieswerk Diersheim bedeuten, dass der Betrieb auch in Zukunft gesichert wäre. Wir hätten dann die Möglichkeit, weitere 15 Jahre in Diersheim arbeiten zu können. Seit 1963 ist unser Kieswerk ein fester Bestandteil der Gemeinde und steht für ein kooperatives Miteinander mit der kommunalen Verwaltung, dem Gemeinderat und den Bürgerinnen und Bürgern. Zahlreiche Anwohner nutzen unser Angebot und kommen mit dem Anhänger direkt zu uns, um Kies oder Sand für den Hausbau, den eigenen Hof oder den Garten zu erwerben.

Für den Fortbestand unseres Betriebs haben wir insgesamt weitere 4,96 Hektar Abbaufläche beantragt. Gleichzeitig zeigen wir uns kompromissbereit und gehen auf den von der Kiesstrategie der Gemeinde vorgeschlagenen Kompromiss ein, der eine Nutzung von 4,6 Hektar vorsieht. Diese zusätzlichen Flächen sind entscheidend, um das Kieswerk für mehr als ein weiteres Jahrzehnt zu sichern und sowohl die lokale Rohstoffversorgung als auch die wirtschaftliche Stabilität der Gemeinde langfristig zu gewährleisten.

Doris Geiger: Der Abbau von Kies und Sand gilt als sehr lukratives Geschäft. Betreiben Sie dieses auf Kosten der Natur?

Georg-Maximilian Wentz: Der weltweite Bedarf an Rohstoffen wie Sand, Kies und Splitt nimmt stetig zu. Auch in Deutschland werden diese Materialien nicht nur für den Bau von Wohnhäusern benötigt, sondern sie sind ebenso unverzichtbar für die Instandhaltung und Modernisierung unserer zunehmend veralteten Infrastruktur. Ein aktuelles Beispiel, das die Bedeutung dieser Baustoffe verdeutlicht, ist die Carolabrücke in Dresden, die im vergangenen Jahr zum Teil einstürzte. An diesem Fall wird deutlich, wie sanierungsbedürftig viele Bereiche unserer Infrastruktur mittlerweile sind.

Kieswerk Diersheim

Kies wird u. a. für den Wohnungsbau benötigt. Foto: Doris Geiger

Unser Betrieb läuft erfolgreich, doch profitieren nicht nur wir davon – auch die Menschen in Diersheim werden daran beteiligt. Für jede verkaufte Tonne Material erhält die Gemeinde nahezu zwei Euro. Das ist die höchste mir bekannte Kies-Pacht am gesamten Oberrhein, was für uns eher einen Wettbewerbsnachteil darstellt. Diese Einnahmen der Gemeinde, die zuletzt etwa eine halbe Million Euro betrugen, kommen direkt Projekten auf der Gemarkung zugute. So wurde beispielsweise der Sportplatz in Diersheim vor kurzem für 385.000 Euro umfassend saniert.

Der Schutz der Natur ist für uns ein nicht minder wichtiges, ja sogar zentrales Anliegen – auch und gerade, weil wir ein Wirtschaftsunternehmen sind. Die beantragten Flächen für den Rohstoffabbau würden nicht auf einmal, sondern über mehrere Jahre hinweg freigegeben. Zudem erfolgt die Aufforstung neuer Flächen noch bevor an anderer Stelle der erste Baum gefällt wird. Damit stellen wir sicher, dass der Eingriff in die Natur so schonend wie möglich erfolgt und die ökologischen Auswirkungen minimiert werden.

Doris Geiger: Wie hoch sind die Einnahmen für die Gemeinde durch Ihr Unternehmen insgesamt?

Georg-Maximilian Wentz: Im Laufe der letzten Jahre beliefen sich die Einnahmen der Gemeinde durch uns immer auf mehrere hunderttausend Euro. So wurde im Jahr 2020 z.B. allein durch die Kies-Pacht ein Betrag von über 450.000 Euro an die Gemeinde überwiesen – wir verkauften in diesem Zeitraum 300.000 Tonnen Material. In 2025 sind wir schon Ende Oktober auf Zahlungen von über 400.000 Euro gekommen, bei ca. 100.000 Tonnen weniger Produktion. Dies resultiert daraus, dass die Kies-Pacht-Abgabe zwischenzeitlich deutlich erhöht wurde. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer kommen hier dann auch noch hinzu.

Könnten wir die gewünschte zusätzliche Fläche nutzen, würden wir pro Jahr wieder ca. 300.000 Tonnen abbauen. Wenn wir mit 600.000 Euro Kies-Pacht pro Jahr rechnen und das auf 15 Jahre umlegen, erhalten die Diersheimer von uns insgesamt neun Millionen Euro. Hierzu kommt die Gewerbesteuer, die wir ebenfalls zahlen. Frei verfügbar für die Gemeinde. Zukünftige Steigerungen der Kies-Pacht sind hierbei nicht mit eingerechnet. Gerade in Zeiten, in denen viele Kommunen mit finanziellen Engpässen konfrontiert sind, ist dieser Beitrag von erheblicher Bedeutung. Diese Einnahmen sind nicht leicht zu ersetzen, falls man auf sie verzichten müsste. Wie im Staatsanzeiger berichtet, fehlen den Kommunen und Kreisen in Baden-Württemberg aktuell rund zwei Milliarden Euro – ein Defizit, das die Situation zusätzlich erschwert.

Doris Geiger: Es ist nicht allein der Bürgerentscheid, der die Zukunft des Diersheimer Kieswerks bestimmen wird. Sie befinden sich parallel dazu seit ca. zehn Jahren im ganz normalen Genehmigungsprozess durch das Landratsamt Ortenaukreis. Wie ist der aktuelle Stand?

Georg-Maximilian Wentz: Der Genehmigungsprozess für das Kieswerk in Diersheim zeichnet sich durch eine erhebliche zeitliche Dauer aus. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Deutschland hinsichtlich des Naturschutzes und der bürokratischen Anforderungen weltweit zu den führenden Ländern zählt. Unternehmen, die Veränderungen anstoßen möchten, sehen sich daher mit umfangreichen Prüfverfahren und Auflagen konfrontiert.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wurden zahlreiche Unterlagen eingereicht. Dazu zählen unter anderem die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die Natura 2000-Verträglichkeitsprüfung. Ergänzend wurde ein artenschutzrechtlicher Fachbeitrag beim Landratsamt vorgelegt und ein Antrag auf Waldumwandlung wurde gestellt. Das zuständige Landratsamt hat die eingereichten Unterlagen umfassend geprüft und uns anschließend mitgeteilt, welche weiteren Nachweise oder Ergänzungen erforderlich sind. Dieses Vorgehen entspricht der üblichen Praxis und ist Teil des Prozesses, um alle naturschutzrechtlichen und behördlichen Anforderungen zu erfüllen.

Kieswerk Diersheim

Derzeit wird der Antrag des Kieswerks einer Naturschutzrechtlichen Prüfung unterzogen. Foto: Doris Geiger

Derzeit arbeiten wir weiterhin daran, die von den Fachbehörden geforderten Unterlagen zu erstellen und auszuarbeiten. Auch wenn der Bürgerentscheid zugunsten des Kieswerks ausfällt, wird das Verfahren noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann.

Doris Geiger: Die in Diersheim gegründete Bürgerinitiative hat nach eigenem Bekunden nichts gegen ein Kieswerk, sie will nur unbedingt den Wald schützen, den Sie roden müssten. Laut Presse belasten die sehr emotional geführten Diskussionen zu diesem Thema mittlerweile sowohl das Ratsgremium als auch den Ortschaftsrat und die Bevölkerung.

Georg-Maximilian Wentz: Natürlich sehen wir, wie aufgebracht und entschlossen manche Menschen sind. Das kann ich auch nachvollziehen. Emotionen zeigen schließlich, wie wichtig den Menschen etwas ist. Wir möchten bei der Diskussion um dieses Thema die Perspektiven erweitern. Der Wald ist wichtig – aber wie alles im Leben ist auch er in einem ständigen Wandel. Wenn wir eingreifen, dann aus nachvollziehbaren Gründen, die wir transparent machen wollen. Und deren Folgen wir ausgleichen wollen und werden. Gerade zur Prüfung der Ausgleichsmaßnahmen wird auch sehr viel Zeit durch die beteiligten Behörden benötigt.

Doris Geiger: Gibt es auch übergeordnete Gründe für Ihren Wunsch nach einer Erweiterung des Abbaugeländes?

Georg-Maximilian Wentz: Ein wesentlicher Aspekt der geplanten Werkserweiterung liegt in der wirtschaftlichen Bedeutung der Rohstoffe Kies, Sand und Splitt überhaupt. Für die Infrastruktur – egal ob für Bahn, Rad, Pkw oder Flugzeug – werden mineralische Baustoffe benötigt. Aber auch für den Wohnungsbau wird immer ein Bedarf an mineralischen Baustoffen bestehen. Leider ist die Zahl der Kieswerke in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren um ein Viertel zurückgegangen. Wenn das so weitergeht, haben wir zwar Sand und Kies vor der Haustür, dürfen ihn aber nicht abbauen und müssen ihn dann aus dem Ausland importieren. Das wäre nicht nachhaltig und vor allen Dingen würde es unser Land an einer weiteren entscheidenden Stelle abhängig machen. Auch das sollte man bedenken.

Doris Geiger: Wenn Sie die Auwald-Beschützer verstehen, wie wollen Sie diesen entgegenkommen?

Georg-Maximilian Wentz: In dem wir miteinander sprechen und Argumente sachlich austauschen. Uns ist ein offener und sachlicher Dialog sehr wichtig. Genau dafür schaffen wir jetzt Gelegenheiten. Als Erstes laden wir am 2. Dezember ab 17 Uhr zu einem Adventsumtrunk ins Kieswerk ein. Bei dieser Veranstaltung möchten wir gemeinsam essen, trinken und vor allem die Gelegenheit bieten, Fragen zu stellen, und miteinander ins Gespräch zu kommen. Ein Bürgerentscheid ist ein großartiges Mittel in einer Demokratie. Es braucht aber Information, Transparenz, Debatte und eine friedliche und sachliche Auseinandersetzung, die auf Fakten basiert. Wir arbeiten gerade mit Hochdruck daran, die Möglichkeiten hierfür zu schaffen. Deshalb nutze ich dieses Interview auch gerne dafür, einen wichtigen Punkt der Fakten an dieser Stelle zu kommunizieren: Die 4,6 Hektar würden nicht auf einen Schlag gerodet. Das geschieht über mehr als zehn Jahre hinweg. Und schon bevor der erste Baum fällt, müssen auf den Ausgleichsflächen sämtliche Bäume gepflanzt werden. So entsteht ein fließender Prozess, bei dem auf der einen Seite etwas verschwindet, während auf der anderen bereits Neues entsteht.

Siehe auch hier:

Streit um Diersheimer Rheinauenwald – Joachim Thomas (Zukunftsforum): „Das Tötungsverbot ist eindeutig“

Offenburg bekommt Bürgerentscheid zu Gewerbegebiet auf dem Flugplatzareal – Kritik von Ralph Fröhlich

BA Immobilien

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