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Bekämpfung der Jugendkriminalität: Nach Offenburg hat nun auch Lahr ein Haus des Jugendrechts

Eröffnung des Haus des Jugendrechts in Lahr
© Stadt Lahr – Jürgen Rieger, Thorsten Erny, Marion Gentges, Iris Janke und Markus Ibert eröffnen die neue Einrichtung.
In Lahr hat das neue Haus des Jugendrechts eröffnet – als zweiter Standort im Ortenaukreis und zehntes seiner Art in Baden-Württemberg. Die Einrichtung vereint Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendhilfe und kommunale Jugendarbeit unter einem Dach, um schnell und wirksam auf Jugendkriminalität zu reagieren. Dabei geht es nicht nur um Repression, sondern auch um Prävention und Perspektiven für die zunehmende Zahl straffällig gewordener Jugendlicher – in einem ganzheitlichen, sensibel angelegten Ansatz.

Von Wolfgang Huber

Mit dem Haus des Jugendrechts hat in Lahr kürzlich neben Offenburg ein weiterer Standort für die Bekämpfung von Jugendkriminalität eröffnet. Gleichzeitig soll Kindern und Jugendlichen, die straffällig werden, eine Perspektive für ein straffreies Leben eröffnet werden. In Offenburg gibt es ein Haus des Jugendrechts bereits seit 2020. Lahr ist nun die zehnte Einrichtung dieser Art. Sie bündelt die Arbeit der Staatsanwaltschaft, der Polizei, der Jugendhilfe des Ortenaukreises sowie der Jugendarbeit der Stadt Lahr.

Anstieg der Jugendkriminalität

Tatsächlich ist die Jugendkriminalität im Jahr 2024 laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik erneut deutlich angestiegen. Alleine bei den unter 14-Jährigen gab es im Bereich der Gewaltkriminaltität einen Anstieg um 11,3 Prozent auf 13.755 tatverdächtige Kinder. Auch bei den Jugendlichen (14 bis 18 Jahre) gab es einen Zuwachs um 3,8 Prozent auf 31.383 Tatverdächtige, wie ZDF online berichtet. In der PKS wird außerdem die Gruppe der Heranwachsenden (18 bis unter 21-Jährige) unter dem Punkt Jugendkriminalität geführt.

In dem Bereich der Gewaltkriminalität werden die Delikte Mord, Totschlag, Raub oder gefährliche Körperverletzung geführt. Die Gründe für den Anstieg seit 2021 sind laut Experten die psychische Belastung durch die Corona-Maßnahmen sowie „Neue Männlichkeitskonzepte“, wie der Kriminologe Dirk Baier gegenüber dem ZDF sagte. Es würde sich im frühen Jugendalter zunehmend das „Recht des Stärkeren“ durchsetzen.

„Neue Männlichkeitskonzepte“

Was genau mit „neue Männlichkeitskonzepte“ gemeint ist, steht nicht im ZDF-Artikel. Aber es lässt sich wohl zum Teil mit der erheblichen Zuwanderung seit 2015 erklären. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat in einem Bericht von 2020 die Herausbildung dieser neuen Männlichkeitskonzepte umrissen. Dort heißt es: „Insbesondere männliche Jugendliche aus sozial benachteiligten Milieus, unabhängig von ihrer ethnischen und kulturellen Herkunft, nicht mehr über eine erfolgreiche Schul- und Berufsausbildung definieren. Stattdessen legen sie Wert darauf, einem Männerbild zu entsprechen, das Stärke betont und mit Schwäche und Unsicherheit nicht vereinbar ist.“

350 Quadratmeter große Räume

Diesen Trends soll nun verstärkt entgegengetreten werden. Bei dem feierlichen Festakt in Lahr wurden nun die 350 Quadratmeter großen Räume an ihrem Standort im 1. Obergeschoss des Gebäudes der Sparkasse an der Schillerstraße 16 in Lahr eingeweiht. Dabei waren Landrat Thorsten Erny, OB Markus Ibert, Jürgen Rieger, Präsident des Polizeipräsidiums Offenburg und Iris Janke, Leitende Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Offenburg dabei. Festrednerin war die Ministerin der Justiz und für Migration, Marion Gentges.

Neue Perspektiven für Jugendliche

„Heute geht mit dem Haus des Jugendrechts in Lahr bereits die zehnte Einrichtung dieser Art im Land und die zweite im großflächigen Landgerichtsbezirk Offenburg an den Start. Ich bin mir sicher, dass auch das neue Haus des Jugendrechts in Lahr einen großen Beitrag zur Bekämpfung von Jugendkriminalität leisten wird und jedem einzelnen jungen Straffälligen Perspektiven für ein straffreies Leben eröffnen kann“, wir Gentges in einer Pressemitteilung der Stadt Lahr zitiert.

Wirkungsvoll und rasch reagieren

In Offenburg sei das dortige Haus des Jugendrechts bereits seit Anfang 2020 erfolgreich tätig. Eine zentralisierte Einrichtung wie diese bringe eine Reihe von Vorteilen, heißt es. Im Haus des Jugendrechts Lahr werden ein Staatsanwalt, vier Beamte und Mitarbeiter der Polizei und zwei Mitarbeiter der Jugendhilfe im Strafverfahren des Landkreises Ortenaukreis und der Jugendarbeit der Stadt Lahr unter einem Dach eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten, um auf Straftaten von Jugendlichen wirkungsvoll und rasch reagieren zu können.

Kurze Wege für die Akteure

Zuständig ist das Haus demzufolge für Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden im Alter von bis zu 21 Jahren mit Wohnort im Amtsgerichtsbezirk Lahr. Dieser umfasst neben der Großen Kreisstadt Lahr auch die Gemeinden Friesenheim, Seelbach, Schuttertal und Kippenheim. Die kurzen Wege der verschiedenen in ihrem jeweiligen Bereich verantwortlich handelnden Akteure würden für einen bestmöglichen fachlichen Austausch sorgen. Dies führe zu einer gegenseitigen Steigerung der Kompetenz und zu mehr Verständnis für die unterschiedlichen Perspektiven auf das Jugendstrafverfahren.

Zielführende Lösungen

Die Räume seien mit moderner Vernehmungstechnik und kindgerecht ausgestattet. Insbesondere auf Opfer und Straftäter im Kindes- und Jugendalter könne sensibel eingegangen werden und schnelle sowie zielführende Lösungen gefunden werden. Neben Anklageerhebungen bei Gericht gebe es auch die Möglichkeit, erzieherische Maßnahmen (etwa Arbeitsstunden, die Teilnahme an Gesprächen der Drogenberatung, die Mitwirkung an einem Täter-Opfer-Ausgleich oder die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs) zu verhängen.

Repression und Prävention

Laut der Website des Haus des Jugendrechts widme sich die Arbeit widmet sowohl der Repression, als auch der Prävention. Die Polizei ist dabei zuständig für die Präventionsarbeit und die Aufnahme sowie Ermittlung und Aufklärung von Straftaten. Dazu gehören die Zeugenvernehmung und die Beweissicherung. Anklagebehörde ist die Staatsanwaltschaft. Aufgabe der Jugendhilfe im Strafverfahren ist demnach die Beratung, Unterstützung und Begleitung für Jugendliche und Heranwachsende im gesamten Strafverfahren.

Unterstützende Maßnahmen

Verfolgt wird explizit ein ganzheitlicher Ansatz, bei dem neben der notwendigen repressiven Verfolgung von Straftaten auch ein Augenmerk auf unterstützende Maßnahmen gelegt wird, um jugendlichen Tätern und ihren Familien eine Perspektive zu ermöglichen und den jugendlichen Täter möglichst schnell und frühzeitig „von der schiefen Bahn“ herunterzuholen.

Durch die behördenübergreifende Zusammenarbeit sollen problematische Entwicklungen bei Jugendlichen und Heranwachsenden frühzeitig erkannt werden. Zum Instrumentarium gehören Schulsprechstunden oder Präventionsveranstaltungen insbesondere zu den Themen Drogen, Medien und Gewalt. Außerdem gibt es Beratungstermine bei der Arbeitsagentur oder auch präventive Fallbesprechungen. Weiter heißt es: „Im Rahmen einer effizienten Strafverfolgung ist es unser Bestreben, die Dauer des Ermittlungsverfahrens deutlich zu verkürzen, um schnell auf begangene Straftaten mit repressiven Maßnahmen oder mit einer raschen Anklageerhebung reagieren zu können.“

Foto: (v.l.n.r.) Jürgen Rieger, Präsident des Polizeipräsidiums Offenburg, Thorsten Erny, Landrat des Ortenaukreises, Ministerin Marion Gentges, Iris Janke, Leitende Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Offenburg und Markus Ibert, Oberbürgermeister der Stadt Lahr. 

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