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Kunst & Kultur

Video: Ambivalenz trifft Eleganz: Sonja Schmitz als moderne Mephista der Musikszene

Künstlerin Sonja Schmitz
© Sonja Schmitz
Sie arbeitet in Offenburg in der Gesundheitsbranche und wohnte etliche Jahre in Kehl, nun in Baden-Baden. Sonja Schmitz, 1986 in Tuzla geborene Tešić, hinterlässt seit früher Jugend einen Sternenschweif funkelnder Musik. Im Interview mit Jürgen Stark im Dezember 2024 hatte sie für 2025 „ein paar Überraschungen“ angekündigt. Nun ist es soweit. Das hochwertige Video zum neuen Song „Nur nicht aus Liebe weinen“ hat sie vor Kurzem auf YouTube hochgeladen. Wir blicken auf die Künstlerin Sonja Schmitz als Mephista.

Der Begriff „kosmopolitisch“ ist offensichtlich aus der Mode gekommen. Das ist kein Wunder. Durch Sonja Schmitz wird vieles erkennbar, was im Schatten liegt. Es liegt an ihrer Biografie und ihrer Sehnsucht nach Erklärungen, die sie in der Musik sucht und findet. Das ist Kunst. Die bosnisch-slowenische Sängerin, Texterin, Komponistin und Musikproduzentin wurde ungewollt Chronistin eines unruhigen Zeitalters.

Beeindruckendes Remake

Der Ortenauer Sängerin Sonja Schmitz ist jetzt mit „Nur nicht aus Liebe weinen …“ – von Zarah Leander im Jahre 1939 gesungen – ein musikalisch wie videotechnisch beeindruckendes gefühlvolles Remake gelungen. Die bekanntesten Versuche von Dunja Reiter aus dem Jahre 1985 oder Nina Hagen von 2011 blieben auffällig eindruckslos, da sie den Song nur als Basis für deren Standards nutzten.

Sonja Schmitz gelingt mit ihrer Interpretation von Zarah Leander die Transformation von emotionaler Ambivalenz, Illusion und Verführung ins Jahr 2025; alle archetypischen Elemente, die sich in der Figur des Mephistopheles aus Goethes Faust – sich auch im Video wiederfinden. In unsere Zeit in künstlerischer Reinform transformiert: Verführerische Ambivalenz.

Verführung mit schöner Substanzlosigkeit

Die Sängerin verspricht Liebe und Treue – erklärt zugleich offen, dass alles Lüge ist. Sie weiß, dass ihre Worte nicht wahr sind, sagt sie dennoch. Wie Mephisto, der Faust alles verspricht, stets aber eine zweite Ebene verfolgt, verführt sie mit schöner Substanzlosigkeit – unsere Aktualität. Mephistopheles ist der Zyniker, der alle Hoffnung als Illusion entlarvt. Das Statement: Hellseherisch, dass Liebe immer mit Niederlage endet („das Ende ist immer Verzicht“) – und doch lässt sie sich auf das Spiel ein – mit Lust an der Täuschung.

Das Video:

YouTube: Sonja Schmitz – Nur nicht aus Liebe weinen

Rolle als Spiegel und Versuchung

Mephista hält uns den Spiegel vor und führt uns zugleich in Versuchung. Sonja zeigt wie trügerisch Liebe ist, aber gibt sich zugleich als Liebende aus – voller Leidenschaft doch ohne Illusion. Sie ist die, die liebt, und die, die nicht mehr liebt und an beides glaubt. Ihr Gründgens-Make-Up, ihr Kostüm, ihr spöttisches Lächeln visualisiert die innere Maske. Sie spielt eine Rolle, um nicht verletzt zu werden. Genau wie Mephistopheles ist Mephista eine Meisterin der Kontrolle, der Inszenierung, der Fassade. „Ich lüge auch und bin Dein“ ist teuflisch elegant. Das Paradoxon drückt Nähe und Entfremdung aus. Das ist die mephistophelische Formel – das moderne Glücksversprechen, das sich für Wissende von Anfang an selbst widerlegt.

Die elegante, kalte Verführung von Gründgens‘ Mephista

Nicht als dämonisch-klamaukhafte Musikbox, sondern eine kultivierte, fast unterkühlte Wissende. Sonja verführt mit Charme, Raffinesse und kühler Klarheit: „Ich lüge auch und bin Dein!“ Ganz in der Tradition von Gründgens’ Mephisto beansprucht sie mit einem Lächeln Fausts ganze Seele: Distanz und immerwährende Kontrolle.

Gründgens Mephisto wechselt Rollen – vom Diener zum Höfling, vom Clown zum Zyniker. Auch Sonja wechselt: Verliebte, Zynikerin,Verführerin – stets Maske. Die ironische Doppelbödigkeit Gründgens‘ neue Mephista lebt von Ironie, feiner Mimik, spitzen Bemerkungen des Liedtextes – nie eindeutig, nie greifbar. Doppelbödige Romanze in der Wahrheit beliebiger Liebe. Ihre ironisch-mephistophelische Darstellung verführt und entlarvt zugleich.

Dämonische Mephista als modernes ästhetisches Konzept

Teuflisch elegant, stilisiert, kontrolliert. Statt Herzschmerz künstliche Erhabenheit und Kühle – über den Gefühlen spielt sie damit. Der Bruch zwischen jedem Wort und tatsächlicher Haltung auf den Punkt gebracht– entzieht sie für Wissende jedem Pathos den Boden. Willkommen im Kriegsjahr 2025.

Sie führt ihr Publikum, zwingt es nie – sie ist der Spiegel tageswechselnder Wünsche. Die Sängerin sagt nichts, was ihr Gegenüber nicht hören will. Sie „spielt“ Liebe, weil auch andere spielen – und macht damit die Kompromisshaftigkeit aller menschlichen Beziehungen sichtbar. Wie Mephisto ist Mephista multidimensionale Projektionsfläche. Während Zarah Leander für ihre Musik die Balalaika nutzt, hat sich die gebürtige Bosnierin Sonja Schmitz auf die ähnliche Tamburica und das bosnische Tamburica Orchester „Komšije“ festgelegt.

Facebook-Profil: „Komšije“

Angriff auf die Moderne

Die darstellerische Anlehnung an Gründgens verleiht Mephista intellektuelle Kälte, szenische Größe, ironische Tiefe und verführerische Kontrolle, die zur modern-ambivalenten Botschaft des Liedes von Zarah Leander führt – unter bewusstem Verzicht auf jede KI und Bildbearbeitung, realistisch-brutal.

Sie ist Mephista – elegant, charmant – mit dem Blick auf das Unausweichliche hinter allen Gefühlen. Sonjas Inszenierung zeigt innere Zerrissenheit, Zynismus und Verführungskraft – nicht weil sie böse ist, sondern weil sie Liebe als ein Spiel offenbart – mit Rollen, Masken, Illusionen. Sie freut sich auf das Wiedererkennen des Ewigen in der Postpostmoderne.

Geschichte Der Schlager

„Nur nicht aus Liebe weinen“ wurde durch Zarah Leander berühmt, jedoch stammt der Song nicht aus dem gleichnamigen Film aus dem Jahre 1935, sondern wurde erst mit dem UFA-Klassiker „Es war eine rauschende Ballnacht“ populär. Die Urproduktion aus „bösen Zeiten“ genauso ambivalent wie der Inhalt -und deshalb so beängstigend nah?

Das Video:

YouTube: Sonja Schmitz – Nur nicht aus Liebe weinen

Songtext:

Es ist ja ganz gleich, wen wir lieben

Und wer uns das Herz einmal bricht

Wir werden vom Schicksal getrieben

Und das Ende ist immer Verzicht

Wir glauben und hoffen und denken

Daß einmal ein Wunder geschieht

Doch wenn wir uns dann verschenken

Ist es das alte Lied

Nur nicht aus Liebe weinen

Es gibt auf Erden nicht nur den Einen

Es gibt so viele auf dieser Welt

Ich liebe jeden der mir gefällt

Und darum sollst du heut mir gehören

Ich will dir Treue und Liebe schwören

Wenn ich auch fühle, es muss ja Lüge sein

Ich lüge auch und bin Dein!

Wir kamen von Süden und Norden

Mit Herzen so fremd und so stumm

So bin ich die deine geworden

Und ich kann dir nicht sagen warum

Denn als ich mich an dich verloren

Hab ich eines Andern gedacht

So ward die Lüge geboren

Schon in der ersten Nacht

Nur nicht aus Liebe weinen

Es gibt auf Erden nicht nur den Einen

Es gibt so viele auf dieser Welt

Ich liebe jeden der mir gefällt

Und darum will ich heut dir gehören

Du sollst mir Treue und Liebe schwören

Wenn ich auch fühle, es muss ja Lüge sein

Ich lüge auch und bin Dein!

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