In der katholischen Kirche „Maria Hilfe der Christen“ wurde erstmals Beethovens Meisterwerk, die 9. Sinfonie in d-Moll, op. 125, aufgeführt. Das internationale Projekt vereinte das Kammerensemble Kehl-Strasbourg, Sänger des Chors „Jubilate“ Cluny und die Bezirkskantorei Kehl. Die gesamtmusikalische Leitung hatte der französische Dirigent Gabriel Mattei.
Am Herzen aufbewahren
Es gibt Begegnungen mit der Kunst und durch die Kunst, die einem Menschen solche Glücksmomente schenken, dass man sie am liebsten alle wie Perlen sammeln und unter dem Hemd, am Herzen aufbewahren würde – um dann in den dunklen Gezeiten des Lebens mit ihrem Leuchten sich die Tage zu erhellen. Eine solche Begegnung fand am Sonntag bei einem international besetzten Beethoven-Konzert in Goldscheuer statt, wo über 130 Sänger und und Instrumentalisten eine grandiose Vorführung boten.
Großes Aufgebot an Musikern
In der proppenvollen Kirche – viel zu klein für ein solches Werk mit einem solchen Aufgebot an Musikern – wurde erstmals Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie in d-Moll, op. 125, aufgeführt, welche neben dem „Emperor Concerto“ wohl seine bekannteste und innovativste Komposition ist.
Aufruf zur Verbrüderung
Die Darbietung – die seitens der Künstler auch als politisches Zeichen für den Frieden und als Aufruf zur weltweiten Verbrüderung im Sinne Beethovens gemeint war – vereinte unter dem Dirigentenstab des Franzosen Gabriel Mattei drei Ensembles: das von ihm seit über zwanzig Jahren geleitete Kammerensemble Kehl-Strasbourg (Konzertmeisterin Suzanne Da Costa-Kunz), seinen Chor „Jubilate“ aus Cluny und die Kehler Bezirkskantorei, geführt von Carola Maute. Hinzu kamen die brillanten Solisten: Melanie Moussay (Sopran), Anaïs Yvoz (Alt), Antoine Hummel (Tenor) und Damien Gastl (Bass).
Erfolgreiche Uraufführung
Die Neunte Beethovens gilt als Meilenstein der Musikgeschichte, denn sie ist die erste Sinfonie mit Vokalpartie (im 4. Satz). Zwischen 1817 und 1824 entstanden, in einer Zeit, in der das berühmte Genie fast ganz taub war, wurde das Werk am 7. Mai 1824 im Wiener Kärntnertortheater mit immensem Erfolg uraufgeführt. Laut Überlieferungen konnte Beethoven den Applaus und die Ovationen nicht mehr hören. Daher habe ihn ein Musiker mit dem Gesicht zum Saal umgedreht – zur Erschütterung des Publikums.
Aufruf, Freiheit zu respektieren
Beethovens politische Ansichten waren geprägt von den Idealen der Französischen Revolution, und er sah sich selbst als einen Künstler, der für die Freiheit und die Menschenrechte eintrat. Die 9. Sinfonie war somit als politisches Statement seinerseits gedacht, das die Herrschenden aufforderte, die Menschenrechte und die Freiheit zu respektieren. Beethoven soll sogar ursprünglich geplant haben, die Sinfonie mit einem anderen Text zu vertonen, der direkt auf die politischen Verhältnisse seiner Zeit Bezug nahm. Die endgültige Version mit der „Ode an die Freude“ (basiert auf Friedrich Schillers Gedicht „An die Freude“) ist zwar weniger explizit, aber dennoch eine kraftvolle Botschaft der Hoffnung und der Einheit.
„Das Orchester entfesselte eine heilende Energie und emotionale Erlösung wie in einem Liebesakt.“ Fotos: Simona Ciubotaru
Dirigent gestaltet dreidimensional
Gabriel Mattei, Ensembles und Solisten gaben das Beste von sich und vollbrachten am Sonntag einen Akt der Kraft, der das Publikum fesselte und zutiefst beeindruckte. Die Schönheit der Sinfonie erstrahlte in ganz neuem Licht. Der Dirigent gestaltete klanglich die vier Sätze mit Subtilität, dreidimensional, in großen Kontrasten. Die Dialoge zwischen den Instrumentengruppen klangen dabei ausdrucksstark. Die Violinen spielten sehr zart, pastellfarbig, luftig, die Bässe dagegen voluminös – sie waren auch so etwas wie eine klangliche Wirbelsäule im komplexen Konstrukt der Sinfonie. Die Bläser spannten brillante Bögen zwischen kriegerischen Tönen und zutiefst poetischen Diskursen.
Erhabenheit der Botschaft
Mattei mied grundsätzlich die zeitgenössische sprintartige Kakophonie und ließ das hervorragende Kammerensemble bei den lyrischen Passagen in angemessen langsameren Tempi spielen. So konnte sich die Vielfalt der Stimmführung im Klangteppich entfalten und deutlich hörbar werden. Das menschliche Ohr kann nicht mehr als vier Stimmen gleichzeitig vernehmen, daher ergibt übermäßige Geschwindigkeit beim Musizieren keinen Sinn. In der angemessenen Ausdehnung der Tempi entfalten sich jedoch Erhabenheit und Reichtum der musikalischen Botschaft.
Leuchtende Freude der Einheit
Die Schönheit, die Orchester, Chor und Solisten zutage förderten, trieb vielen Zuhörern Tränen in die Augen. Die stürmischen Passagen – in denen die Bläser kriegerisch, fast voller Wut erklangen, während die Streicher „versuchten“, sie doch „irgendwie zu besänftigen“ – die Steigerungen wie gewaltige Wellen im Meer, der Kampf – wie vor einer Geburt – und darauf die leuchtende Freude der Einheit und Verbrüderung in der Ode im vierten Satz entfesselten eine heilende Energie und emotionale Erlösung wie in einem Liebesakt. Die Stimmen des Chors klangen kristallklar und derart hoch, als würden sie aus anderen, göttlichen Sphären herabgleiten und nicht hinaufsteigen.
Stille des Staunens und der Dankbarkeit
Nach dem letzten Ton folgte Stille. Eine mystische Stille, die Künstler und Publikum vereinte. Die Stille des Staunens und der Dankbarkeit. Und darauf folgten die Tsunamis der Ovationen und minutenlanger Applaus. Das bleibt im „Kästchen“ der Erinnerungen: „Gegen die Angst und gegen die von allen anständigen Bürgern in Europa verabscheuten Kriegsgebärden unserer Politiker, welche im Mülleimer der Geschichte landen werden – verachtet und vergessen!“, kommentierte ein Zuhörer aus dem Saal. Am Ende bleibt das Licht und die Verbrüderung aller Menschen, so wie es die Künstler in Kehl uns verkündeten.
Gespräche in drei Sprachen
Nach dem Konzert setzte sich die grenzüberschreitende Verbrüderung selbstverständlich fort: bei einem gemeinsamen Abendmahl in Marlen, mit einem Bierchen, einem Weinchen und vielen guten Gesprächen in drei Sprachen. Und als die Stimmung immer ausgelassener wurde, begannen die Musiker gemeinsam, fröhliche französische Lieder zu singen.
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