Von Rainer Braxmaier
Derzeit steht Offenburg im Fokus einer außergewöhnlichen Ausstellung. Die Städtische Galerie im Kunstforum präsentiert noch bis zum 19. Oktober die Ausstellung „Nur für Personal“ von Stefan Bircheneder. Der Künstler zeigt in feinpinseligem Hyperrealismus angelegte Malereien und Objekte einer ganz bestimmten Arbeitswelt bis hin zu Installationen, die ganze Raumsegmente vortäuschen: Industrieruinen und verlassene Arbeitsorte, die nur noch vergangene Spuren eines sozialen Lebens zeigen. Schaltkästen, Werkspuren, halb zerstörte Innenräume. Menschen sieht man nicht. Sie haben diese „lost places“ längst verlassen. Zurück bleiben die Schmuddelecken der Arbeitswelt.
Tradition der Fotorealisten
Außergewöhnlich ist die präzise jedes Detail erfassende Arbeitsweise des in der Oberpfalz lebenden ehemaligen Kirchenmalers, der seine Motive in ein nüchternes helles Bühnenlicht taucht, die in einem eigenartigen Widerspruch zu dem vergänglichen Sujet stehen –Bravourstücke der „Tromp-l´oeil-Malerei, wie sie die alten Meister pflegten. Stilistisch steht Stefan Bircheneder in der Tradition der Fotorealisten, die zu Beginn der 1970er Jahre vor allem in den USA im Nachklang der Pop Art Furore machten.
Riesige Leinwände und lebensgroße Figuren
Sie malten und plastizierten bewusst nach traditionell eigentlich verpönten Fotovorlagen riesige Leinwände und lebensgroße Figuren, bevorzugt aus der Alltagswelt. Der Maler Chuck Close (1940 – 2021) und der Bildhauer Duane Hanson (1925 – 1996) sind markante Beispiele dafür. In Europa sorgte der Schweizer Franz Gertsch (1930 – 2022) in diesem Genre für Furore. Der Kern dieser Kunst bestand in der ausdrücklichen Nutzung von Fotografien als Bildvorlagen, was neben den meist großen Formaten die künstlerische Wirkung der Arbeiten stark prägte – eine oft merkwürdige Stille und Endgültigkeit der Sujets.
Fotografie als künstlerisches Mittel
Diese „Metarealität“ brach im Übrigen endgültig der Fotografie den Bann als künstlerisches Mittel. Der 1974 in Vilshofen geborene Stefan Bircheneder, der nach einer Ausbildung als Kirchenmaler und Restaurator seit 2011 als freischaffender Künstler arbeitet, wirkt in diesem Kontext ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Doch seine Version des Fotorealismus geht über die Mittel der Malerei hinaus. Geradezu Kabinettstückchen sind in der Offenburger Ausstellung seine beiden Arbeitstische und Stühle, deren Oberfläche mit bemalten Leinwänden beklebt sind, auf denen der Maler seine Vorlieben für Gebrauchsspuren ausleben kann.
„Naturalismus“ und „Realismus“
Außerdem eignet sich sein Beispiel hervorragend für die Betrachtung des Unterschieds der Begriffe „Naturalismus“ und „Realismus“. Das sind Standartbegriffe der Kunstbetrachtung; sie werden oft unterschiedslos gebraucht und bedeuten eigentlich Gegensätzliches. Und um die Verwirrung komplett zu machen, in der Kunst des bayrischen Malers findet man beide einträglich vereint.
“Naturalismus“ bedeutet „der Natur entsprechend“, das heißt, die gemalten Abbilder werden in Perspektive, Proportionen, Licht und Schatten, Textur, also der Anmutung der Oberflächen, so gemalt, als wären sie „echt“ – und man vergisst, dass auf dem Bild nur das zweidimensionale Abbild einer dreidimensionalen Szenerie zu sehen ist, also eine Illusion, bei der die dritte Dimension nur durch bildnerische Mittel vorgetäuscht wird.
Darstellung der Wirklichkeit
Seit der Renaissance hat man diese bildnerische Auffassung immer weiter perfektioniert und mit Beginn der modernen Abstraktion wieder zerstört – und wieder zurückgeholt, wie das Beispiel der Fotorealisten zeigt. „Realismus“ hingegen ist ein inhaltlicher Begriff, der thematisch die Darstellung der Wirklichkeit zum Thema hat. Das können soziale Begebenheiten sein, die Wirklichkeit der Menschen eben – oder wie bei Stefan Bircheneder, die Spuren ihrer Tätigkeiten.
Lyrischer Aspekt des Mediums Kunst
Vor allem in seinem Zyklus „Nur für Personal“ nimmt der Künstler die verlassene, zerstörte und eben nicht mehr gebrauchte Arbeitswelt aufs Korn. Die Spuren stehen für die Menschen, die dort einmal gewirkt haben. Dabei klagt der Künstler nicht an; er zeigt es eben nur überdeutlich.
So perfekt und in sich geschlossen Bircheneders Beitrag auch ist, ein Stockwerk darüber, beim Kunstverein Offenburg-Mittelbaden kann sich das Auge in einer ganz andern Welt weiden. Mit Jean Remmlinger und Michel Cornu werden dort zwei renommierte elsässische Künstler vorgestellt, die einen ganz anderen, sehr viel lyrischeren Aspekt des Mediums Kunst vorstellen – nicht weniger überzeugend (zu sehen bis 20. Juni).
„Nur für Personal“ von Stefan Bircheneder
Termin: Noch bis 19. Oktober 2025
Ort: Städtische Galerie, Amand-Goegg-Str.2, Kulturforum 77654 Offenburg
Kontakt: Tel. 0781 – 82 2040 – E-Mail: galerie@offenburg.de
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag/Sonntag 11 – 17 Uhr
Internet:
Das könnte dich auch interessieren:
Vernissage in den ACURA-Kliniken: Andreas Gering´s Kunst zwischen Krieg, Schmerz und Hoffnung
ARTist Gengenbach begeistert mit der Ausstellung „Und es war Sommer…“ im Mercyschen Hof
Ödsbacher Straße 6
77704 Oberkirch
Telefon: +49 7802 916 99 43
E-Mail: info@brandmediaberlin.de
Ödsbacher Straße 6
77704 Oberkirch
Telefon: +49 7802 916 99 43
E-Mail: info@brandmediaberlin.de
2025 | Ortenau Journal – Das Nachrichtenportal für die Ortenau