Kunst & Kultur

Rainers Glosse #5: Die Kunst des Reisens – Reisen zur Kunst – 6 inspirierende Sommertipps

Rainer Braxmaier Glosse
© Grafik: FLM design + creative/Ortenau Journal – Künstler und Autor Rainer Braxmaier hat Kunst-Highlights auf Lager.
In der Überfülle der Angebote verlieren wir oft den Überblick: Was wollen wir sehen – was wäre uns wichtig? Eine kleine Orientierungshilfe soll die monatliche Glosse über sehenswerte Kunstereignisse geben, die manchmal in der Nähe, aber auch in erreichbarer Ferne liegen. Für den August schreibt der Künstler und Autor Rainer Braxmaier über das, was um diese Zeit die meisten gerne tun: das Reisen. Warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und die Kunst ansteuern?
Von Rainer Braxmaier

Die Lust zu reisen, überfällt uns gewöhnlich in der Urlaubszeit, also im Sommer. Da wäre es vielleicht die Anregung wert, das „All-Inclusive-Gefühl“ um einen Moment zu erweitern und neben den Fresstempeln entferntere Kunsttempel ins Visier zu nehmen. Denn in vielen schönen Gegenden warten auch reizvolle Kunstziele auf den Reisenden. Nach dem Motto: „Wenn wir schon mal da sind…“

Kurztrip nach Paris?

Weil die Auswahl solcher Objekte so groß und weltweit verstreut ist, wollen wir uns auf wenige Beispiele konzentrieren und mit einer verwegenen „Eintags-Idee“ beginnen: Wie wäre es mit einem Kurztrip nach Paris? Von der Ortenau aus – genauer: von Straßburg – ist die französische Hauptstadt zwei Zugstunden entfernt – dank des französischen Schnellzugs TGV, der mehr als 300 Kilometer pro Stunden schnell ist. Es soll schon Genießer gegeben haben, die das für einen Café am Boulevard St. Germain getan haben – ein etwas teures Vergnügen, nicht nur wegen des Kaffeepreises dort.

Deutscher Weltstar im Centre Pompidou

Doch ein lohnendes und für viele Jahre einmaliges Ziel wäre bis Ende des Monats September das berühmte Centre Pompidou. Der epochale Museumsbau für aktuelle Kunst auf dem Gelände der berühmten Pariser Markthallen ist bereits wegen dringender Renovierung für die nächsten fünf Jahre geschlossen– mit einer Ausnahme. Auf der riesigen Fläche der Bibliothek des Hauses zeigt der deutsche Weltstar der künstlerischen Fotografie, Wolfgang Tillmanns, derzeit eine Auswahl seiner wichtigsten Arbeiten.

Weltweite Achtung

Tillmanns, 1968 in Remscheid geboren, kam ursprünglich aus der Hamburger Rave-Bewegung und lotete das Medium der künstlerischen Fotografie mit so großer Intensität und Qualität aus, dass er weltweit Achtung genießt. Bis zum 22. September zeigt seine Schau im Centre Pompidou einen breiten Querschnitt seines Werkes von den frühen Portraits bis zu großformatigen abstrakten Bildern, die zum Teil ohne Kamera entstanden sind und Spuren von Chemikalien aufnehmen und verfremden.

Wolfgang Tillmanns Ausstellung

Wolfgang Tillmanns Retrospektive im Centre Pompidou. Foto: Nicole Braxmaier

Authentisches Bild über Künstler

Typisch für den Künstler auch die Inszenierung in Paris, die Reste der Bibliothekseinrichtung in Kontrast zu den Werken setzt. Natürlich darf man auch länger in der französischen Metropole verweilen, die genug Attraktionen für viele Tage zu bieten hat. Ein anderes lohnendes Reiseziel sind immer Künstlerhäuser, die, verstreut über ganz Europa, oft durch die Schilderung der Lebens- und Arbeitsumstände ein ganz authentisches Bild von dem jeweiligen Künstler geben, auch wenn man dort oft keine oder nur wenige originale Arbeiten sehen kann.

Die Gärten von Giverny

Im Folgenden deshalb eine spontane Auswahl solcher Häuser, die man selbst durch eigene Erfahrungen ergänzen kann. Prominentes Beispiel: Die Gärten von Giverny, 75 Kilometer westlich von Paris, wo Claude Monet in der reicheren letzten Hälfte seines Lebens gerne gelebt hat (www.giverny.org). Im Süden des Landes bietet das Herrenhaus „Jas de Bouffan“ in Aix en Provence einen Blick in die Lebens- und Arbeitswelt des Malers Paul Cezanne, der dort fast vierzig Jahre gelebt und gearbeitet hat. Nach gründlicher Renovierung wird es in diesem Sommer wieder geöffnet sein.

Der Herbst des Lebens

Tausende Kilometer nördlich davon, an der Grenze nach Dänemark steht seit den 1920er Jahren in Seebüll das Emil-Nolde-Haus, in dem der große deutsche Expressionist mit seiner Frau Ada den Herbst seines Lebens verbracht hatte. Nolde hatte das Haus selbst entworfen und auch den Garten besonders gepflegt, der ihm als Motiv für viele seiner Blumenbilder diente (www.nolde-stiftung.de).

Treppengeländer bemalt

Ein ganz ähnliches Bild bietet im Süden des Landes das Gabriele-Münter-Haus im bayrischen Murnau. Die expressionistische Malerin verbrachte dort viele Jahre mit ihrem Lebensgefährten Wassilij Kandinsky, der dort auch Spuren hinterließ, als er das Treppengeländer und Möbel bemalte (www.muenter-stiftung.de). Den Garten pflegte und benützte die Malerin auch gerne als Motiv für ihre kraftvollen Blumenbilder – einige von ihnen sind derzeit in der Ausstellung „Garden-Party“ im Musée Würth Erstein zu sehen (siehe Rainers Glosse #4).

Frühe Werke von Anselm Kiefer

Bleiben wir zum Schluss der Betrachtung in der näheren Umgebung. Vor einigen Monaten eröffnete der Maler Anselm Kiefer, ein Weltstar der Gegenwartskunst, der in der Nähe von Paris lebt, das „Anselm-Kiefer-Haus“ im Rastatter Stadtteil Ottersdorf. Dort verbrachte er einen Teil seiner Jugend. Kiefer, der in diesem Jahr 80 Jahre alt wurde, ist in Rastatt geboren. In dem liebevoll hergerichteten Museum, geöffnet jeden Freitag und Samstag, zeigt er vor allem auch frühere Werke (www.Haus-Kiefer-Rastatt.de). Bis Ende August kann man zudem eine Ausstellung von Aquarellen Anselm Kiefer sehen – im Emil-Nolde-Museum in Seebüll…

Foto: Nicole Braxmaier – In Harmonie mit der Innenarchitektur der Bibliothek im Centre Pompidou inszenierte der Fotokünstler Wolfgang Tillmanns seine Retrospektive.

Siehe auch hier:

Rainers Glosse #4: Die „Garden-Party“ im Musée Würth Erstein mit rund 100 Gartenbildern aus 500 Jahren

Rainers Glosse #3: Städtische Galerie: Der Unterschied zwischen „Naturalismus“ und „Realismus“

Rainers Glosse #2: Kunst, die zu uns kommt – über Monumente im öffentlichen Raum

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