Kunst & Kultur

Rainers Glosse #4: Die „Garden-Party“ im Musée Würth Erstein mit rund 100 Gartenbildern aus 500 Jahren

Rainers Glosse #4
© Grafik: FLM design + creative/Ortenau Journal – Im Mittelpunkt der Glosse #4: Das Musée Würth Erstein
In der Überfülle der Angebote verlieren wir oft den Überblick: Was wollen wir sehen – was wäre uns wichtig? Eine kleine Orientierungshilfe soll die monatliche Glosse über sehenswerte Kunstausstellungen geben, die manchmal in der Nähe, aber auch in erreichbarer Ferne liegen. Für den Sommermonat Juli nimmt sich der Künstler und Autor Rainer Braxmaier zwei Begriffe vor, die zur Jahreszeit gut passen: die Darstellung von Gärten und Blumen. Im Blickpunkt die „Garden-Party“ im Musée Würth in Erstein.

Von Rainer Braxmaier

Eigentlich überflüssig, sich jetzt Bilder von Blumen und saftigen Früchten in den Bäumen und Sträuchern anzuschauen. Der Rhythmus der Natur beschert uns nach der Blütezeit die Erntezeit, in der nacheinander, von der Erdbeere bis zum Apfel, viele Früchte zum Verzehr gereift sind. Dennoch ist es eine menschliche Eigenart, sich Garten- und Blumenbilder besonders gerne anzuschauen – und zwar über viele Epochen hinweg, zumindest seit die Künstler für ihre Visionen die Ateliers verlassen haben und die „Plein-Air-Malerei“ in der freien Natur pflegen.

Kunstsammlung mit 20.000 Objekten

Und wenn wir das im Sommer tun, finden wir in der Natur ähnliche Szenarien zum direkten Vergleich. Eine wahre Wundertüte bietet jeder Exkursion die Sammlung Würth. Seit 1972 hat der Fabrikant Reinhold Würth eine Kunstsammlung entwickelt, die in diesem Land ihresgleichen sucht. Die Sammlung umfasst inzwischen nahezu 20.000 Objekte von der Renaissance bis zur Gegenwart. Damit nicht genug. Würth, der den Großhandel seines Vaters zu einem Weltkonzern ausgebaut hat, zeigt seine Schätze reihum in inzwischen 15 eigenen Museen, fünf davon in Deutschland, weitere zehn im übrigen Europa.

Kleinod im Industriegebiet

Das Besondere daran: alle Museen liegen auf einem der vielen Würth-Betriebsgelände und kosten keinen Eintritt. Der mittlerweile 90 Jahre alte Unternehmer glaubt nicht nur an die sozialisierende Kraft von Kunstwerken bei seinen Belegschaften, sondern auch bei den Menschen überhaupt. Nun dauert die Fahrt von Offenburg aus bis zur Firmenzentrale in Künzelsau bei Heilbronn mehr als zwei Stunden – aber in wenigen Minuten ist man beim „Musée Würth France“ in Erstein. Ein im Industriegebiet der elsässischen Kleinstadt gelegenes Kleinod, das seit 2008 immer wieder interessante thematische Zusammenstellungen aus der riesigen Kunstsammlung des Unternehmers zeigt.

Expressionistische Motive

Dort läuft in diesen Monaten die Ausstellung „Garden-Party“; und sie zeigt eine Auswahl der schönsten Gartenbilder aus der Sammlung Würth. Die Art, wie Künstler aus verschiedenen Jahrhunderten dieses Thema behandelten, verspricht eine reine Augenweide, ohne kritische Einschränkungen oder kunsthistorische Vollständigkeit. Etwa 100 Werke von sechzig Künstlern geben einen Einblick in die Vielfalt des Genres.

Herausragend die Gemälde von Gabriele Münter, der Lebensgefährtin von Wassilij Kandinsky, die im gemeinsamen Haus in Murnau, das man heute noch besichtigen kann, einen sehr gepflegten Blumengarten unterhielt, der für ihre kräftigen expressionistischen Motive als Vorbild diente. Ebenso eine Perle der Präsentation sind die Parklandschaften des Berliner Nachimpressionisten Max Liebermann.

Details von Blüten und Pflanzen

Die meisten zeitgenössischen Künstler verlassen die zusammenhängenden Naturdarstellungen und betonen Details von Blüten und Pflanzen. Die großformatige Malerei des Österreichers Gunter Damisch wirkt wie inspiriert von Gustav Klimt´s „Der Kuss“ – nur eben mit Blüten. Ein weiterer Höhepunkt sind die großen Blütenbilder des US-Amerikaners Alex Katz, der ein bekennender Fan der Seerosenbilder von Claude Monet war. Von Hermann de Fries, einem Niederländer, der seit vielen Jahren in Franken lebt, sind mehr als hundert kleinformatige Pflanzen-Assemblagen, die der Künstler um Venedig gesammelt hatte, zu einer wandfüllenden Installation zusammengestellt.

Gabi Streile in der Staufenberg-Klinik

Die„Garden-Party“ im Musée Würth Erstein ist noch bis zum 4. Januar 2026 geöffnet. In diese Phalanx würde auch das Werk der Oberkircher Malerin Gabi Streile passen, die ebenfalls in der Sammlung Würth prominent vertreten ist, aber in der Sektion „Bäume“, die vor einigen Jahren schon in Erstein gezeigt wurde. Mit einer aktuellen Auswahl ihrer expressiven Blumenbilder ist sie aber vom 10. Juli bis zum 7. November in der Staufenburg-Klinik in Durbach zu sehen. Dort hat die Präsentation von Kunst eine lange Tradition, weil die Klinik einst der Hauptsitz des Kunstmäzens Rüdiger Hurrle war. Zum 20. Jubiläum der dort inzwischen angesiedelten „Galerie Kulturzeit“ hat die Münchner Kunstmanagerin Lucia Hornstein Gabi Streile mit der Präsentation „Summertime“ eingeladen. Vernissage ist am 10. Juli um 19 Uhr.

Siehe auch hier:

Rainers Glosse #1: Diese Ausstellung wertet den „Panikrocker“ Udo Lindenberg auf

Rainers Glosse #2: Kunst, die zu uns kommt – über Monumente im öffentlichen Raum

Rainers Glosse #3: Städtische Galerie: Der Unterschied zwischen „Naturalismus“ und „Realismus“

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