Straßburg, Sonntag, 23.11. Die ehrwürdigen Ensembles „La Chorale Strasbourgeoise“, unter der Leitung von Gaspard Gaget, und „Männerchor Eckartsweier“, unter der Leitung des Dirigenten Nicolas Jean, boten am Sonntag ein fulminantes Doppelkonzert im Palais des Fêtes Strasbourg.
Großartiges Doppelkonzert
Am Sonntag fand im historischen Gebäude Palais des Fêtes Strasbourg ein internationales Fest der choralen Musik statt, das sehr zahlreiche Besucher anzog und restlos beglückte. Unter dem Titel „Concert Magnificats“ hielten die Ensembles „La Chorale Strasbourgeoise“, vom noch sehr jungen Dirigenten Gaspard Gaget geleitet, und der „Männerchor Eckartsweier“, vom Franzosen Nicolas Jean geführt, ein großkalibriges Doppelkonzert.
Grenzüberschreitende Verbrüderung
Im zweiten Teil vereinten sie ihre Stimmen: in einem feierlichen Akt der grenzüberschreitenden Verbrüderung zwischen über 100 Künstlern. Ein Bläserquintett (Célestine Corbin (Klarinette), Godefroy Frey und Corentin Soulard (Trompete), Thierra Spiesser (Posaune), Diederlinde Linskens Buffel (Fagott)), in Begleitung eines Klaviers (Lorena Torales Lisowsky), bereicherte den Klangteppich. Gvantsa Gagnidze (Alt) bot ein sehr feinfühliges Solo. Der Abend wurde mit einer postmodernen choreographischen Darbietung des Centre Chorégraphique de Strasbourg eröffnet.

Nur fünf Dirigenten in 100 Jahren
Der rund 40 Stimmen starke Männerchor Eckartsweier ist über 100 Jahre alt und gilt als einer der besten Amateurchöre der Ortenau. In einem ganzen Jahrhundert hatte er nur fünf Dirigenten – seit 2020 wird er vom renommierten Straßburger Profimusiker Nicolas Jean geleitet und geprägt. Unter seiner Führung gewann das Repertoire deutlich an Internationalität und Modernität – so präsentierte sich das homogene Ensemble im Palais des Fêtes mit einem Lieder-Bukett aus unterschiedlichen Epochen.
Wehmütiges Stück
Es umfasste Titel wie das Spiritual „The Blind Man“ (Arrangement von Martin Folz) – mit einem sehr schönen Solo von Walter Meyer – und „La Montanara (Canto dei monti Trentini)“ von Toni Ortelli, um dann zu einem sehr wehmütigen Stück überzuwechseln: „Des deutschen Seemanns Weihnachten“, von Ludwig Baumann komponiert, wobei die Trompetenbegleitung (Godefroy Frey) den „Klang dreidimensionaler, tiefer machte“ – wie ein Zuhörer sagte.
Winterliche und lyrische Stimmung
„Der Mond ist aufgegangen“ erklang sanft, in langsamen Tempi, gefolgt von einem sehr munteren und perfekt punktierten „Jägerchor“ (a cappella) aus der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber (1786–1826). Mit „Weihnachtsglocken“ wurde die Stimmung wieder winterlich und lyrisch. Die Zugabe war bei dem begeisterten Applaus ein Muss – daher sangen die Eckartsweierer noch „My Evaline“ (von Rivers Cuomo) – voller Schwung und verschmitzt.
Dreidimensionalität des Klanges
Das Ensemble bestach erneut mit seinem hohen musikalischen Niveau: Ausgewogenheit zwischen den Stimmlagen, ein sehr heller, wunderschöner Tenor, getragen von einem runden, dunklen Bass mit großem Volumen. Dreidimensionalität des Klanges bei absolut sauberer Intonation. Beseeltheit und Eleganz, wobei die Sänger die meiste Zeit die Lieder a cappella vortrugen – das heißt, „auf dem dünnen Eis tänzeln“, weil man’s einfach kann. Und zwar ohne jeglichen „Ausrutscher“.

Die Chorbegleitung in Action. Foto: Simona Ciubotaru
Chemie zwischen Künstlern und Publikum
Es gibt Sternstunden der Musik, die einem nur Livekonzerte schenken können. Sie werden von einer bestimmten subtilen Chemie zwischen Künstlern und Publikum geprägt, die sich – wie auch Musik – nur schwerlich in Worte einfangen lässt. Vielleicht hilft dabei die poetische Sprache, zum Beispiel: „Die Zuhörer wurden im ätherischen Stimmgewebe wie in einem Kokon eingelullt“, oder vielleicht: „sie wurden vom ‚Klang-Licht‘ trunken.“
Kontinuierlicher Höhepunkt
Oder darüber erzählen, wie Palais des Fêtes Strasbourg – der über ein Jahrhundert alt ist, wie auch die zwei Chöre – unter den vereinten Stimmen wie ein immenser Klangkörper vibrierte. Diese Momente wurden dort zu einem kontinuierlichen Höhepunkt und machten die Idee des „Nada Brahma“ (die Welt ist Klang) direkt fühlbar.
Zwei Chöre vereint
Denn nach dem beeindruckenden Programm der Gastgeber (mit „In dulci jubilo“ von Bach, Pachelbels „Magnificat“ und dem „Magnificat C-Dur“ von Antonio Caldara) vereinten die zwei Chöre ihre Stimmen in einem harmonischen Einssein – so etwas hört man nicht alle Tage. Mit „Tausend Sterne sind ein Dom“ von Siegfried Köhler, einem wie ein Gebet vorgetragenen „Weihnachts-Wiegenlied“ von John Rutter, und dem (gute-Laune-Macher) Spiritual „Oh when the saints go marching in“ endete der Musikabend feierlich-berauschend.

Minutenlanger Applaus
Das Publikum wollte darauf nicht mehr nach Hause, tobte und applaudierte minutenlang. Bei der Zugabe dirigierten die zwei Chorleiter „vierhändig“ – was einer bestimmten Komik der Situation nicht entbehrte, aber den Musikhochgenuss noch mehr steigerte.
Hintergrund: La Chorale Strasbourgeoise – Geschichte
Die heutige „Chorale Strasbourgeoise“ geht auf den Straßburger Männergesangverein zurück, der am 23. März 1872 gegründet und zunächst von Georg von Madeweiss geleitet wurde. In seinen frühen Jahren war das Ensemble Teil der Meistersinger-Tradition und fest eingebettet in die damals im Elsass und in Deutschland aufblühende Kultur des Männerchorgesangs.
Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewann der Chor zunehmend an Bedeutung für das kulturelle Leben der Stadt. Ein entscheidender Schritt war der Beschluss von 1897, ein eigenes Sängerhaus zu bauen. Daraus entstand das Palais des Fêtes de Strasbourg, das sich bald zu einem zentralen kulturellen Veranstaltungsort der Stadt entwickelte und dem Chor eine feste Heimat bot.
Im Jahr 1921 übergab der Verein das Sängerhaus an die Stadt Strasbourg und nahm gleichzeitig den bis heute bestehenden Namen „Chorale Strasbourgeoise“ an. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem wichtigen Wandel: In den 1950er-Jahren öffnete sich der Chor und wurde zu einem gemischten Ensemble, was seiner musikalischen Entwicklung neue Impulse gab.
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