Ein Gespräch mit den Dirigenten Gabriel Mattei und Carola Maute, Suzanne Da Costa-Kunz (Konzertmeisterin) und Dr. Kristian Kunz (Vorsitzender des Ensembles) über die künstlerische und politische Dimension des Projekts.
Am Sonntag, 19. Oktober, um 18 Uhr erklingt in der Katholischen Kirche „Maria Hilfe der Christen“ in Kehl-Goldscheuer Ludwig van Beethovens 9. Symphonie in d-Moll, op. 125.
Das Konzert ist das Ergebnis einer einzigartigen deutsch-französischen Kooperation zwischen dem Kammerensemble Kehl-Strasbourg und dem Chor aus Cluny – unter Leitung des französischen Dirigenten Gabriel Mattei – zudem der Bezirkskantorei Kehl, unter der Leitung von Bezirkskantorin Carola Maute.
Auf die Frage, was die Musiker mit diesem Projekt verbinden, antworteten sie:
Carola Maute: „‚Alle Menschen werden Brüder‘ – diese Zeile bekommt in unserer Zeit eine neue Dringlichkeit. Beethoven hat mit der Neunten eine Friedensbotschaft geschaffen, die wir heute über Grenzen hinweg neu zum Klingen bringen. Ein deutscher und ein französischer Chor, ein grenzüberschreitendes Orchester, ein französischer Dirigent – das ist gelebte Völkerverständigung.“
Gabriel Mattei: „Dieses Konzert ist das Resultat von 20 Jahren Zusammenarbeit. Wir sind inzwischen stark genug, um ein Werk dieser Größe zu stemmen – musikalisch wie organisatorisch. Es ist nicht nur Musik, sondern ein Symbol für Zusammenarbeit und Frieden.“
Dr. Kristian Kunz: „Wir müssen dieses Zeichen jetzt setzen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Beethoven hat es damals getan – und seine Botschaft ist heute genauso aktuell. ‚Alle Menschen werden Brüder‘ heißt, Grenzen zu überwinden und den anderen zu verstehen, statt ihn zu bekämpfen.“
Die Arbeit an der 9. Symphonie sei ein Kraftakt, erklärt Mattei: „Für Chor und Orchester ist sie technisch enorm anspruchsvoll. Die französischen Sänger mussten intensiv an Aussprache und Klang arbeiten – denn sie möchten diese deutsche Hymne in deutscher Sprache perfekt singen. Das erzeugt sehr viel gute Energie – es ist keine Konkurrenz, sondern eine gemeinsame Herausforderung, die verbindet.“
Da Costa-Kunz: „Das Üben läuft bei den Instrumentalisten seit Monaten. Beethovens Neunte ist spieltechnisch ein sehr schweres Werk, auch für Profis. Das Ensemble umfasst für dieses Konzert 55 Musiker, dazu rund 70 bis 80 Sängerinnen und Sänger aus Cluny und Kehl. Viele spielen für nur geringe Gagen – aus Idealismus und Liebe zur Musik. Das ist beeindruckend.“
Auch organisatorisch war das Projekt eine Herausforderung.
Da Costa-Kunz: „Wir danken dem Kulturbüro, der Rheinstiftung, der Bürgerstiftung, der Volksbank, der Sparkasse und Musica Sacra herzlich. Ohne sie wäre dieses Konzert nicht möglich. Doch die finanzielle Lage bleibt schwierig – Noten, Reisen, Unterbringung: alles kostet, und viele Musiker sind Profis – sie leben ja von der Musik. Wir hoffen, das die Stadt Kehl auch wahrnimmt, was das Kammerensemble Kehl-Strasbourg für den Frieden und die Völkerverständigung hier leistet. Denn ohne finanzielle Unterstützung würde unser Verein nicht überleben.“
Mattei ergänzt: „Das Kammerensemble beweist mit Mut und wenig Geld, dass Kunst weiterleben kann. Aber ohne Förderung ist das Überleben solcher Vereine gefährdet.“
Dr. Kunz: „Das ist ein gesellschaftliches Problem: Für Kultur scheint kein Geld da zu sein – für Waffen schon. Genau deshalb machen wir diese Projekte. Wir wollen zeigen, dass Verständigung möglich ist. Kunst kann das sagen, was die Politik oft nicht mehr ausdrücken kann.“
Die Künstler sehen in ihrem Konzert auch ein Signal gegen den zunehmenden Nationalismus in Europa. Dr. Kunz: „Die europäische Idee wird von vielen Seiten infrage gestellt. Moderne Medien werden missbraucht, um uns um Jahrhunderte zurückzuwerfen – Nationalismus, Totalitarismus, Ausgrenzung nehmen zu. Das ist das Gegenteil von der europäischen Idee. Natürlich gibt es an der Globalisierung viel zu kritisieren, aber eines ist klar: Die großen Probleme unserer Zeit werden wir nur gemeinsam lösen. Der ursprüngliche Geist Europas – Brüderlichkeit, Frieden, Zusammenarbeit – ist bedroht, und genau deshalb ist dieses Konzert wichtig.“
Da Costa-Kunz: „Die Globalisierung wurde zu lange nur wirtschaftlich verstanden. Beethoven und Schiller sprechen allerdings von einer menschlichen Globalisierung – einer Weltgemeinschaft der Menschen. Das ist die wahre Botschaft dieses Werkes.“
Auch Mattei sieht in der Aufführung ein politisches Bekenntnis: „Wir Musiker machen keine Parteipolitik. Aber wir fühlen die Spannungen, die Bedrohung der Freiheit. Mit dieser Musik können wir laut und schön für die Freiheit und für den Frieden singen. Heute hat diese Botschaft mehr Gewicht denn je.“
Maute betont den positiven Aspekt: „Wir wollen Hoffnung geben. Dass Deutsche und Franzosen, Profis und Laien, gemeinsam Beethoven spielen, zeigt: Der europäische Gedanke lebt – durch Freundschaft, Vertrauen und Musik. Unser Chor versteht Musik immer auch als Verkündigung, wir sind ja ein Kirchenchor. In einer Zeit, in der das Wort ‚Krieg‘ laut und ‚Frieden‘ leise geworden ist, wollen wir die Friedensbotschaft Beethovens bewusst in die Öffentlichkeit tragen.“
Da Costa-Kunz schließt: „Unsere Gäste aus Cluny wohnen bei Kehler Familien und wir möchten ihnen dieselbe Gastfreundschaft bieten, wie wir sie auch in Cluny erlebt haben. Sie war herzlich, wunderbar. So entstehen Freundschaften, die weit über das Konzert hinausreichen. Musik verstärkt die Freundschaft – und Freundschaft die Musik. Das ist Europa im besten Sinn.“
Beethoven, Symphonie Nr. 9 in d-Moll, op. 125
Termin: 19. Oktober 2025, 18 Uhr
Ort: Katholische Kirche Maria Hilfe der Christen, Kehl-Goldscheuer
Veranstalter: Kammerensemble Kehl-Strasbourg, Chor aus Cluny, Bezirkskantorei Kehl
Internet:
Website Ev. Kirchengemeinde Kehl
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