Polit-Splitter Ortenau

CDU, Grüne, SPD: Der Polit-Splitter Ortenau über Macht, Motivation und Menschlichkeit in der Kreispolitik

Andreas Schwab CDU
© Foto: EU-Parlament – Andreas Schwab ist neuer und alter Bezirksvorsitzender der CDU-Südbaden.
Politik mit Augenzwinkern und Substanz: Der neue Polit-Splitter beleuchtet aktuelle Themen aus der Ortenau – von CDU-Parteitagen mit schwacher Beteiligung über (vermeintliche?) grüne Förderzusagen bis hin zu sozialdemokratischem Einsatz für bedrohte Arbeitsplätze. Zwischen Apfelsaftaktionen, Bürokratiekritik und europäischer Perspektive zeigt sich: Die politische Landschaft in der Region ist so vielfältig wie herausfordernd – und manchmal auch überraschend menschlich.
Von Wolfgang Huber

Aufgrund der Fülle an Presseinformationen, die uns im Laufe der Zeit erreichen auf der einen Seite, und der begrenzten zeitlichen und personellen Ressourcen beim Ortenau Journal auf der anderen Seite, haben wir im September ein neues Format gestartet, das kompakt und mit einem Augenzwinkern über politische Entwicklungen in der Region informiert und einen Überblick über die wichtigsten Personalien und Themen aus der politischen Szene des Kreises zusammen.

Zum Einstieg die CDU

Eines gleich vorweg: Von AfD, FDP und Linken haben wir in letzter Zeit wenig gehört. Dafür schaffen es die Grünen, die aktuell drei Landtagsabgeordnete stellen, aufgrund ihrer professionellen Pressearbeit zuverlässig in den Polit-Splitter. Aber auch die SPD und die CDU sind vertreten. Mit den Kanzlerpartei wollen wir auch einsteigen.

Neuer Bezirksvorsitzender

Am Freitag haben die 92 Delegierten beim Bezirksparteitag der CDU in Singen den Europaabgeordneten Andreas Schwab als Bezirksvorsitzenden der CDU Südbaden bestätigt. Der 52-Jährige erhielt dabei lediglich gut 67 Prozent der Stimmen. Der Beobachter ist verwirrt. Bei der sonst auf Einigkeit bedachten Union stimmen 30 Delegierte gegen den Rechtsanwalt, der den Wahlkreis Südbaden, und damit auch die Ortenau, seit 2004 in Straßburg vertritt. Und von einem Gegenkandidaten ist in der Pressemitteilung nichts zu lesen.

Schwache Mitgliederbeteiligung

Doch auch die geringe Teilnahme der Parteimitglieder lässt Schlimmes vermuten. Ist die CDU noch gar nicht für den Landtagswahlkampf motiviert? Immerhin vertrete der Bezirk 12.200 Mitglieder. Weniger als 100 fanden den Weg nach Singen. Vielleicht lag es an dem doch etwas abgelegenen Austragungsort. Immerhin: Neben den Vorstandswahlen verabschiedeten die Delegierten auch den Leitantrag „Südbadische Forderungen zum Landtagswahlprogramm 2026“.

Volker Schebesta Staatssekretär

Der CDU-Vize im Bezirk hat gut lachen, denn er wurde im Amt bestätigt. Foto: Kultusministerium 

Ominöses Zitat

Vielleicht war Andreas Schwab bei seiner Rede deshalb auf Bewährtes zurückgegriffen: „Die Welt ist aus der Ordnung geraten… Die Starken tun, was sie können, und die Schwachen leiden, was sie müssen“, zitierte er einen gewissen „Thukydides“ aus dem Melier-Dialog. Neu ist, das die CDU ein Herz für die Schwachen zu haben scheint. Und so will man Schwab beim Wort nehmen, wenn er sagt: „Wir glauben an die Stärke des Rechts, nicht an das Recht der Stärkeren. Wir wollen durch Verantwortung, Prinzipien, Partnerschaft und Haltung vorangehen.“

Gute Nachricht

Als EU-Parlamentarier hatte er dann aber noch eine gute Nachricht dabei. So komme den Unternehmen am Oberrhein bald die Elektronische Entsenderichtlinie zugute. Ob damit auch weniger Bürokratie einhergeht, bleibt abzuwarten. Aus der Ortenau wurden Staatssekretär Volker Schebesta (MdL) als Stellvertreter, Dr. Steffen Auer als Schatzmeister, Felix Ockenfuß als Digitalbeauftragter sowie Marc-Manuel Armbruster in den Bezirksvorstand gewählt.

Rückläufige Zuwanderung

Schließlich wies Justizministerin Marion Gentges auf die rückläufigen Zugangszahlen bei der Migration durch die Grenzkontrollen und Rückführungen hin und Kanzleramtschef Thorsten Frei auf den gesunkenen Wohlstand. Fragt man sich, wer seit 2005 durchgängig den oder die Kanzlerin stellt. Frei: „Sinkende Steuereinnahmen zeigen, dass der Staat nicht mehr alles finanzieren kann.“ Aufbruch klingt irgendwie anders. Denn nicht nur die Wirtschaft wartet auf den großen Wurf.

Apfelsaft für die Bürgerstiftung

Bernd Mettenleiter, der im Landtag den Wahlkreis Kehl vertritt, traf sich dieser Tage, traf zum Antrittsbesuch mit Bürgermeister Tobias Polley im Rathaus Willstätt. Dabei zog Plolley den Bogen von ökologischer und finanzieller Nachhaltigkeit am Beispiel von 400 Kilogramm Äpfeln, die – von Mitarbeitern der Gemeinde und Helfer:innen der Bürgerstiftung geerntet – 270 Flaschen naturtrüben Saftes ergaben. Diese sollen nun zugunsten der Bürgerstiftung verkauft werden.

Förderzusage im Gepäck?

Ob es sich dabei bereits um das Tafelobst bzw. -silber der Gemeinde handelte, bliebe angesichts der katastrophalen Lage der Kommunen in Deutschland noch zu klären. Während Mettenleiter lobte („Dieses Engagement für Streuobstwiesen und den sozialen Zusammenhalt ist beeindruckend“), versicherte der Bürgermeister das Ziel, die Finanzen der Gemeinde solide aufzustellen und gleichzeitig weiter in Infrastruktur und Vereinsleben zu investieren.

Bernd Mettenleiter Tobias Polley  Tobias Polley Bernd Mettenleiter

 Bernd Mettenleiter zu Besuch bei Tobias Polley. Foto: Holger Hemler/Gemeinde Willstätt u. Norbert Hense

Unterstützung für den Solidarpakt Sport 

Das ist auch bitter nötig. So war auch die geplante Sanierung der Hanauerlandhalle Thema. Das Projekt stelle für Willstätt eine große finanzielle Herausforderung dar. „Sport verbindet und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt – deshalb unterstützt das Land den Solidarpakt Sport jährlich mit über 100 Millionen Euro“, erklärte der Grünen-Politiker. Aber ist damit jetzt auch eine Förderzusage verbunden? Denn sonst

Förderquote bei 70 Prozent

Auch die Sanierung mehrerer Brücken über die Kinzig oder der Ausbau der Ganztagesbetreuung an Grundschulen kamen demnach zur Sprache. Zumindest an der Stelle kann die Gemeinde mit Geld rechnen, legt man das Zitat von Mettenleiter zugrunde: „Als Mitglied im Bildungsausschuss habe ich mich für eine hohe Förderung der Kommunen eingesetzt. Dies mit Erfolg, denn die Förderquote wird bei außergewöhnlichen 70 Prozent liegen.“ Will ja keiner, dass Willstätt noch sein Goldenes Buch verkaufen muss, in das sich Mettenleiter mit den Worten „Willstätt ist immer einen Besuch wert!“ eintrug.

Schutz der Beschäftigten

Nicht zuletzt forderte die SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Katja Mast, ein entschiedenes Vorgehen zum Schutz der Beschäftigten und ihrer Familien.“ Anlass: Der betrübliche Stellenabbau bei Bosch in Bühl. Mast: „Arbeitsplätze müssen geschützt werden!“ Das Ansinnen ist löblich. Vielleicht kann eine entschlossene Wirtschaftswende Abhilfe schaffen. Denn die Ursachen für den Stellenabbau sollen in politischer Überregulierung und industriefeindlichen Rahmenbedingungen liegen, wie man hört.

Prominent an der Quelle

Rund 1.500 der 13.000 Arbeitsplätze, die Bosch streicht, und in etwa die Hälfte der Belegschaft, sollen am Standort Bühl wegfallen. „Die Menschen in Bühl und Umgebung verdienen Sicherheit. Niemand darf ohne Perspektive dastehen“, betont Mast, die mangels eines gewählten SPD-Abgeordneten in der Ortenau diese aus Pforzheim mit vertritt. Dabei sitzt sie doch prominent an der Quelle, könnte ihren Einfluss geltend machen.

„Immer neue Vorschriften“

Denn dass Appelle alleine nichts bewirken, wird aus der Aussage des Landesvorsitzenden der Familienunternehmer in Baden-Württemberg, André Bartel, deutlich. Denn Schritte wie der von Bosch haben dieser Tage einen realen Hintergrund: „Ambitionierte Klimaziele, immer neue Vorschriften und einseitige Subventionen haben die Industrie zunehmend belastet“, erklärte Bartel im Staatsanzeiger. „Planwirtschaftlich anmutende Verpflichtungen, was genau zu produzieren ist, wurden über ESG-Vorgaben gemacht“, habe er gesagt.

Firma Bosch Bühl  Katja Mast Staatssekretärin

Bosch baut Stellen in Bühl ab. Katja Mast (SPD) will Jobs sichern. Fotos: Alexander Schmitt u. Photothek Media Lab

Forderung: Transparente Gespräche

Katja Mast unterstütze derweil ausdrücklich die IG Metall Offenburg im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze und für Alternativen zum Abbau, wie sie in der Pressemitteilung zitiert wird. Die Gewerkschaft fordere von Bosch transparente Gespräche und Informationen über die Zukunftsperspektiven des Standorts, heißt es.

Nötige Reformen

„Unternehmen wie Bosch haben eine gesellschaftliche Verantwortung – der Erhalt von Arbeitsplätzen muss Teil ihrer Strategie sein“, so Mast weiter. Doch Arbeitnehmerrechte und Arbeitsplatzerhalt lassen sich nicht einfach verordnen. Einfach in Berlin für die dringend benötigten Reformen sorgen würde Sinn machen.

„Sozialverträgliche Subventionen“

Die Wirtschaft warnt seit Jahren vor den Folgen der Bürokratie. Ob das schon in der Hauptstadt angekommen ist? Sonst wird sie noch öfter Sätze sagen müssen wie diesen: „Ein Stellenabbau in dieser Größenordnung würde unsere Region stark treffen und zwar in Gegenwart und Zukunft. Wir brauchen klare, sozialverträgliche Lösungen für die Beschäftigten.“

Siehe auch hier:

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