In Deutschland fehlt es nicht nur an Pflegekräften oder LKW-Fahrer, sondern auch an zehntausenden Lehrkräften. Vor diesem Hintergrund erscheint die Politik des Kultusministeriums der grün-schwarzen Landesregierung in Stuttgart bei Personalfragen in den Schulen zunehmend grotesk. So schlägt ein Softwarefehler in der Kultusverwaltung zur Zeit hohe Wellen. 1.440 Lehrerstellen wurden 20 Jahre lang als besetzt geführt. Die Schulen im Land waren strukturell unterbesetzt. Grund war ein Programmierfehler in der Personalstellensoftware.
Arbeitslos im Sommer
Auch die Praxis des Landes, angehende Pädagogen nach ihrem Referendariat und dem Ende des Schuljahres noch vor den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, ruft jedes Jahr aufs Neue Kritik hervor. Rund 4.000 KollegInnen waren davon 2025 betroffen. Schon seit Jahren fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Beendigung dieses Vorgehens. Das stärkt nicht unbedingt das Vertrauen junger Absolventen in die Politik und den Lehrerberuf im Speziellen. Das sieht für Unbeteiligte mehr und mehr nach einer bildungspolitischen Irrweg aus.
Fluchtreflex von Lehrpersonal
Das Nachrichtenportal Spiegel online zitiert Monika Stein von der GEW dementsprechend süffisant: »Ich kann jede Person verstehen, die von Ulm in Baden-Württemberg nach Neu-Ulm in Bayern wechselt, weil dort die Sommerferien bezahlt werden und etwa Grundschullehrkräfte bald mit A13 etwa 500 Euro mehr auf der anderen Seite der Donau bekommen«. Die grün-schwarze Landesregierung setzt damit zunehmend den Bildungsstandort Baden-Württemberg aufs Spiel. Was die Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) davon abhält, zu handeln, ist nicht ersichtlich.
Foto: Landesregierung BW – Kultusministerin Theresa Schopper ist schockiert
Sparpolitik als Bumerang
Womöglich ist es die schwäbische Spar-Zwangsneurose. Die rund 15 Millionen Euro, die durch die Sommerferienarbeitslosigkeit von angehendem Lehrpersonal laut GEW gespart wird, könnten sich noch als Bumerang erweisen. Gespart wurde in der Vergangenheit auch an der Ausstattung der Schulen und der öffentlichen Verwaltung insgesamt. Das fällt der Politik im Ländle zur Zeit auf die Füße. Denn auch der Vorgang um die 1.440 „Geisterlehrer“ wirft Fragen auf. Und das alles in Zeiten mangelnder Unterrichtsversorgung.
Aktion in der Offenburger Innenstadt
Die Jungen Liberalen Ortenau (Julis) haben dies als wohl einzige erkannt – legt man die bislang verhaltenen öffentlichen Reaktionen von Verantwortungsträgern als Maßstab. Der Parteinachwuchs der FDP hat am vergangenen Samstag in der Innenstadt von Offenburg den Kontakt mit Passanten gesucht, um sich mit ihnen über die Bildungspolitik auszutauschen. Die JungpolitikerInnen kritisieren die nun aufgedeckte IT-Panne im Kultusministerium.
„Schwerwiegende Mängel“
So sei die Panne der angeblich besetzten Lehrerstellen weit mehr als ein technischer Fehler. Vielmehr offenbare sie schwerwiegende Mängel in der Bildungsverwaltung des Landes. „Die Panne ist ein massives Verwaltungsversagen mit unmittelbaren Folgen für Kinder, Eltern und Lehrkräfte“, lässt sich die FDP Landtagskandidatin und Kreisvorsitzende der Jungen Liberalen, Ann-Kathrin Stulz, zitierten. Solche Fehler dürften sich nicht wiederholen.
Junge Liberale fordern sofortige Stellenbesetzung
Die Jungen Liberalen fordern Konsequenzen. Die entdeckte Lücke von 1.440 „Geisterlehrern“ sei ein deutliches Zeichen dafür, wie dringend eine Modernisierung der Verwaltung nötig sei. „Unsere Forderung ist klar: Die unbesetzten Stellen müssen sofort besetzt werden“, betont Stulz. Als Vertreter der Generation Z dürften Ann-Kathrin Stulz und ihre Mitstreiter besonders sensibilisiert sein, wenn es um die Bildungsmisere im Land geht. Viele von ihnen planen ein Studium und haben Anspruch auf ein funktionierendes Bildungssystem. Das gilt natürlich auch für alle ihre AltersgenossInnen.
Ann-Kathrin Stulz (FDP) kritisiert die Bildungspolitik in Baden-Württemberg.
Lehrkräftemangel auf dem Land
Kritisiert werden auch die veralteten Strukturen. Bildung dürfe daran nicht länger scheitern. Die Jungen Liberalen zeigen sich besonders betroffen über die Auswirkungen im ländlichen Raum, wo der Lehrkräftemangel schon jetzt gravierend sei. „Wie sollen wir junge Menschen für den Lehrerberuf gewinnen, wenn das Bildungssystem selbst so wenig Verlässlichkeit ausstrahlt?“, bringt Stulz den Sachstand auf den Punkt.
„Aus dem letzten Jahrhundert“
Die Landtagskandidatin hält tiefgreifende Veränderungen für geboten: „Es fällt mir schwer zu akzeptieren, wie viel im Bildungssystem von Baden-Württemberg weiterhin aus dem letzten Jahrhundert stammt. Diese Panne sollte der letzte Weckruf sein. Unser Land muss moderner, gerechter und zukunftsfähiger werden – und das beginnt bei der Bildung.“ Offensichtlich haben die Jungen Liberalen die Situation vollumfänglich begriffen.
Kritik gibt es seit Jahren
Ob man das auch von der Landesregierung behaupten kann, ist nicht gesichert. Die Kritik an der Entlassung von jungen Lehrkräften vor den Sommerferien wurde schon vor Jahren laut. Dabei würde die Bezahlung über den Sommer hinweg laut GEW weniger kosten, als eine Werbekampagne zur Gewinnung von Fachkräften für das Land Baden-Württemberg, wie Spiegel Online schreibt.
Foto: FREEPIK – Junge Lehrer haben es im Ländle nicht leicht.
Änderung bei befristeten Stellen
Immerhin eines hat die GEW mittlerweile erreicht: Die ebenfalls gängige Praxis, befristete Lehrerstellen zu den Sommerferien zu kündigen, wurde 2023 endlich abgeschafft. Davon waren ebenfalls Tausende Lehrkräfte betroffen, die größtenteils nicht einmal Anspruch auf Arbeitslosengeld I hatten, wie es die Gewerkschaft auf ihrer Website schildert.
Zermürbendes Klein-Klein
Es ist für viele in der Gesellschaft zermürbend, dass auch nur kleinste Fortschritte über Jahre mühsam erkämpft werden müssen. Anstatt sich auf das kommende Schuljahr vorbereiten zu können, müssen die ReferendarInnen in den bürokratischen Infight mit den Arbeitsämtern treten, um im Sommer Geld zu bekommen und über die Runden zu kommen. Ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens in die Politik kommt da sicher nicht auf.
Im Schulsystem halten
Die jetzt in der Pflicht stehenden Akteure im Landtag suchen indes nach den Fehlerquellen. SPD und FDP haben eine Sondersitzung des Bildungsausschusses beantragt. Die FDP erwägt gar einen Untersuchungsausschuss, wie SWR Online berichtet. Kultusministerin Schopper sei „schockiert“ und wolle LehrerInnen, die jetzt keine Stelle an Gymnasien bekommen, in die Haupt- und Realschulen lotsen, um sie erstmal im Schulsystem zu halten. Der Flurschaden, der nun bereits entstanden ist, wird jedoch nur schwer zu beheben sein.
Bildungschancen der Generation Alpha
Aber am 8. März stehen ja Landtagswahlen an. Es wäre an der Zeit, der GenZ mehr Einfluss und Mitsprache zu ermöglichen. Junge KandidatInnen wie Ann-Kathrin Stulz gibt es nicht wenige. Schließlich sind sie es, die noch viel Lebenszeit vor sich haben und beispielsweise die Zukunft und die Bildungschancen der Generation Alpha wahren müssen. Die kommt nämlich nach der inzwischen auch schon in die Jahre gekommene GenZ und wird schon bald in die Universitäten und auf den Arbeitsmarkt drängen.
Foto: Niklas Herr (19 aus Lahr), Ann-Kathrin Stulz (22 aus Durbach), Justin Behrendt (25 aus Schwanau von den Jungen Liberalen Ortenau.
Das könnte dich auch interessieren:
Erzdiözese Freiburg stellt Weichen: Personalentscheidungen für 2025 und 2026 bekannt gegeben
Ödsbacher Straße 6
77704 Oberkirch
Telefon: +49 7802 916 99 43
E-Mail: info@brandmediaberlin.de
Ödsbacher Straße 6
77704 Oberkirch
Telefon: +49 7802 916 99 43
E-Mail: info@brandmediaberlin.de
2025 | Ortenau Journal – Das Nachrichtenportal für die Ortenau