Von Wolfgang Huber
„Die Umstellung auf Kartenzahlung ist ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung einer modernen, digitalen Verwaltung. Sie erhöht nicht nur die Sicherheit für Mitarbeitende und Bürgerinnen und Bürger, sondern reduziert auch den Verwaltungsaufwand erheblich“, erklärte Landrat Thorsten Erny am Freitag in Form einer Pressemitteilung. Nun läuft in der Ortenau eine lebhafte Diskussion über diese Maßnahme der Kreisverwaltung. Die Palette der nun noch akzeptierten Zahlungsmethoden reiche von gängigen EC-/Girokarten und Kreditkarten bis zu kontaktlosem Bezahlen per Smartphone oder Smartwatch.
Steilvorlagen für die politischen Ränder
Auffallend ist allmählich, dass die Politik den Parteien am rechten und linken Rand zuverlässig und in einer gewissen Regelmäßigkeit Steilvorlagen liefert, um die Stimmung in der Bevölkerung zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sei es bei der strikten Verweigerung der Politik, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen oder bei der jahrelangen stoischen Weigerung, trotz öffentlicher Überforderung und drastisch schwindender Akzeptanz die illegale Migration zu begrenzen.
Über zwei Drittel wollen Bargeld erhalten
Auch das Thema Bargeldabschaffung wird seit Jahren in den Kommentaren und Postings in Facebook & Co. heftig thematisiert. So verwundert es nicht, dass 72 Prozent der Bundesbürger laut einer aktuellen Umfrage der Bundesbank, über die BR24 berichtet, die Bedeutung des Bargelds für die Gesellschaft als Ganzes als sehr wichtig oder ziemlich wichtig einschätzt. Fast genau so viele wollen Bargeld weiter nutzen. Als Vorteile werden dabei unter anderem die Anonymität und Datenschutz oder die finanzielle Beteiligung aller Bevölkerungsschichten genannt.
Die Liste Lebenswerte Ortenau (LiLO) zeigt sich jedenfalls besorgt über die vollständige Umstellung auf Kartenzahlung im Landratsamt Ortenaukreis. Sie hält die Entscheidung der Kreisverwaltung, ab Oktober keine Bargeldzahlungen an ihren Standorten mehr zu akzeptieren, für falsch und für demokratisch bedenklich.
LiLO: „Fatales Signal“
„Bargeld ist laut Europäischer Zentralbank weiterhin ein gesetzlich anerkanntes Zahlungsmittel. Dass eine staatliche Behörde dieses Zahlungsmittel vollständig ausschließt, ist ein fatales Signal“, heißt es in einer Pressemitteilung der LiLO. Während private Unternehmen das Zahlungsmittel ihrer Wahl nutzen dürften und Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden können, ob sie einen solchen Anbieter unterstützen oder boykottieren, sei diese Entscheidungsfreiheit gegenüber staatlichen Stellen nicht gegeben. „Man kann eben nicht einfach ‚woanders hingehen‘, wenn es um Führerschein, Zulassung oder Ausweisdokumente geht.“
Ausgeschlossene Gruppen
Eine Vereinfachung von Verwaltungsprozessen oder erhöhte Sicherheit sieht die LiLO nicht. „Sicherheit und Effizienz dürfen nicht auf Kosten der Bürgerrechte gehen“, so die parteiunabhängige Liste. Der Ausschluss von Bargeld könne gerade für ältere Menschen, einkommensschwache Gruppen oder digital weniger versierte Bürger zu einer Barriere im Kontakt mit der Verwaltung werden.
Landrat Thorsten Erny solle die Umstellung überdenken oder zumindest eine ergänzende Möglichkeit zur Barzahlung beibehalten. Dies könne beispielsweise über zentrale Zahlstellen oder Automaten erfolgen, heißt es weiter. Öffentliche Verwaltung müsse allen Menschen offenstehen, nicht nur denen mit EC-Karte oder Smartphone.
„Gelebte Freiheit und Inklusion“
Auch die AfD-Fraktion im Ortenauer Kreistag kritisiert die Abschaffung der Barzahlung in den Dienststellen der Kreisverwaltung. „Das nehmen wir mit Sorge zur Kenntnis. Diese Maßnahme lehnen wir entschieden ab“, schreibt die AfD. Zum einen sei Bargeld gelebte Freiheit und gelebte Inklusion, zum anderen weist die Fraktion auf dessen Funktion als grundgesetzlich geschütztes Zahlungsmittel hin.
Ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie Bürgerinnen und Bürger mit geringem Einkommen oder ohne Zugang zu digitalen Zahlungsmitteln seien auf Bargeld angewiesen. Die vollständige Umstellung auf Kartenzahlung diskriminiere diese Bevölkerungsgruppen. Die Teilhabe an Verwaltungsdienstleistungen werde erschwert. Nicht jeder besitze ein Smartphone, eine Girokarte oder sei mit digitalen Zahlungsverfahren vertraut, heißt es weiter. Die Kreistagsfraktion der AfD Ortenau fordert Inklusion statt Exklusion als Grundlage moderner Verwaltung.
Wachsende Cyberkriminalität
Die Argumente des Ortenaukreises zur Sicherheit und geringerem Verwaltungsaufwand hält die Rechtsaußenpartei für fragwürdig. „Wie hoch war denn das tatsächliche Sicherheitsrisiko oder der Mehraufwand bislang? Gibt es belegbare Daten? Die pauschale Behauptung, Kartenzahlung sei sicherer, überzeugt nicht – insbesondere vor dem Hintergrund wachsender Cyberkriminalität.“
Nicht zuletzt sei die freie Wahl des Zahlungsmittels ein Ausdruck von staatlicher Neutralität. Im Umkehrschluss sei der Ausschluss bestimmter Zahlungsformen demnach ein massiver Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Bürger. Genau so wie die Liste Lebenswerte Ortenau fordert die AfD schließlich die Beibehaltung der Bargeldzahlung als ergänzende Zahlungsmöglichkeit.
Zwei Drittel bezahlen digital
Das Landratsamt hatte am Freitag bei der Bekanntgabe der Entscheidung darauf verwiesen, dass zwei Drittel der Kunden ohnehin bereits digital bezahlen. Die Umstellung soll schrittweise erfolgen. Ab dem 1. Juli 2025 seien zunächst die Außenstellen der Kfz-Zulassungsbehörden in Achern und Wolfach an der Reihe, später folge die Umstellung auf Kartenzahlung auch an den Standorten Kehl und Lahr. Zum 1. Oktober werde dann auch im Hauptgebäude in Offenburg in der Badstraße ausschließlich Kartenzahlung akzeptiert.
„Blick auf die Zukunft“
„Wir verstehen, dass jede Veränderung Fragen aufwerfen kann. Doch die Umstellung auf Kartenzahlung ist sachlich begründet, bewährt sich in vielen anderen Bereichen längst – und bringt erhebliche Vorteile für Verwaltung und unsere Kundschaft. Und niemand wird ausgeschlossen – im Gegenteil, alle profitieren von mehr Service, Sicherheit und Schnelligkeit“, wirbt die zuständige Finanzdezernentin Ulrike Karl in einer Pressemitteilung dafür, diesen Schritt ohne Aufgeregtheit, aber mit Blick auf die Zukunft zu betrachten.
„Nicht mehr zeitgemäß“
„Die Aufregung, insbesondere hinsichtlich unserer Kfz-Zulassung, ist sachlich kaum nachvollziehbar. Rund ums Auto wird seit Jahren nahezu alles bargeldlos abgewickelt – vom Fahrzeugkauf über Steuer und Versicherung. Nur an der Zulassungsstelle sollte Bargeld noch eine entscheidende Rolle spielen? Das ist nicht mehr zeitgemäß“, so Karl. Gleichwohl versicherte sie, dass es für nachweislich besonders gelagerte Einzelfälle weiterhin pragmatische Lösungen geben werde. „Für wenige Einzelfälle ohne Konto oder Karte stehen auch weiterhin geeignete und bürgerfreundliche Alternativen bereit.“
Haushaltslage im Hintergrund
Die gesetzlichen Grundlagen würden eine klare Sprache sprechen: Nach der Gemeindekassenverordnung (GemKVO) ist der Zahlungsverkehr „nach Möglichkeit unbar“ abzuwickeln, heißt es. Gleichzeitig werde die Entscheidung auch vor dem Hintergrund der Haushaltslage getroffen. „Wir haben – zugunsten einer moderaten Kreisumlage – bewusst auf zusätzliche Stellen verzichtet. Das bedeutet: Wir müssen wie von der Politik gefordert bestehende Abläufe konsequent hinterfragen und optimieren“, so Karl.
Bezahlschranke regionaler Medienhäuser
Viele Lebensbereiche – vom Einzelhandel über Mobilitätsdienste bis hin zu Medienangeboten – würden heute konsequent auf digitale Abläufe und Bezahlformen setzen. Auch Online-Abonnements und digitale Bezahlschranken gehören demnach mittlerweile zum Alltag, gerade auch bei den regionalen Medienhäusern. Im europäischen Ausland sei Kartenzahlung längst der Standard. Das Landratsamt bittet alle Bürgerinnen und Bürger, sich rechtzeitig auf die neue Zahlungsweise einzustellen und bei den Behördengängen eine geeignete Zahlkarte oder ein mobiles Endgerät bereitzuhalten.
Zweifel an der öffentlichen Hand
Ähnlich wie auch die als Zwangsgebühren gebrandmarkte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird die Bargeldabschaffung noch lange als Thema erhalten bleiben. Es sind diese Kristallisationspunkte der öffentlichen Diskurses, die viele zunehmend an der öffentlichen Hand zweifeln lassen. Der Staat unterminiert selbst seine Stabilität durch die Entfremdung von der Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Mancher fragt sich, ob staatliche Stellen und Politiker von der Stimmung außerhalb der Vorstandsetagen und Abgeordnetenbüros nichts mehr mitbekommen.
„Muss allgemein verfügbar bleiben“
Immerhin will die Bundesbank im Zusammenspiel mit der Europäischen Zentralbank das Bargeld zumindest so lange in Umlauf halten, wie es die Bevölkerung wünscht. Es müsse allgemein verfügbar bleiben und akzeptiert werden. Es bestehe daher „Handlungsbedarf“. Auch wenn knapp die Hälfte der Umfrageteilnehmer damit rechnet, dass Münzen und Banknoten in 15 Jahren verschwunden sein werden.
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