Von Wolfgang Huber
Bei den Ortenauer Grünen hat in den vergangenen Wochen ein öffentlich ausgetragener Streit der Partei mit dem ehemaligen Vorsitzenden des Grünen Ortsverbands Offenburg und Gemeinderat in Ortenberg, Rüdiger Heimpel, für Aufsehen gesorgt. Es geht um die Vorgänge rund um den Parteiaustritt Heimpels am 23. März, eine Einstweilige Verfügung, eine Strafanzeige sowie Vorwürfe gegen die Bundestagskandidatin Ann-Margret Amui-Vedel und um den Zustand der Partei vor Ort im weitern Sinne.
Einstweilige Verfügung liegt auf Eis
Von dem Antrag einer Einstweiligen Verfügung gegen seinen ehemaligen Ortsverband hat Rüdiger Heimpel zwischenzeitlich abgesehen. Heimpel hatte Ende April einen solchen vorbereitet, weil er seine Persönlichkeitsrechte gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gefährdet sah. Der Grund: Nach seinem Parteiaustritt ein paar Tage zuvor und seinem Gang an die Öffentlichkeit wollte der Ortsverband Offenburg in der Sitzung vom 29. April über die Personalie beraten. Laut Heimpel stand das Thema als Punkt 1 auf der Tagesordnung.
„Urteil über meine Person“
Nach Ansicht des erst 18-Jährigen sollte in besagter Sitzung durch die Aussprache während seiner Abwesenheit und ohne seine Beteiligung über seine Person urteilen. „Man will erzählen, aber nicht diskutieren. Man will urteilen, aber keinen Widerspruch. Das ist keine Aussprache – das ist Selbstinszenierung auf meine Kosten,“ so Heimpel. Er empfinde es als geradezu peinlich, dass der Ortsverband sich eigens einen Tagesordnungspunkt schafft, nur um sich im geschlossenen Kreis über jemanden zu verständigen, der nicht mehr da ist – und dem man auch vorher das Gespräch verweigert habe.
Eingreifen des Landesverbands?
Diesen Vorgang wollte Heimpel anhand der Einstweiligen Verfügung verhindern. Hierfür habe er einen auf Persönlichkeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beauftragt. Zwischenzeitlich und wohl um den Fall nicht weiter anzuheizen, hatte der Grünen-Landesverband Baden-Württemberg wohl den Ortsverband Offenburg dazu gedrängt, den besagten Tagesordnungspunkt 1 zu streichen. So die Darstellung Heimpels. Deshalb habe er von einer Antragsstellung beim Landgericht abgesehen. Die dazu nötigen Unterlagen seien jedoch nach anwaltlicher Prüfung vorbereitet gewesen. Seine Klagebereitschaft habe bestanden.
Strafanzeige gegen Hense
Er kündigt in einer Pressemitteilung vom 25. April an, die Maßnahme – sofern notwendig – auch während der Versammlung vollstrecken zu lassen. Heimpel betonte, dass er diesen Schritt nicht leichtfertig gehe. Er sah aber in den Vorgängen einen Bruch mit demokratischer Fairness. „Wer über Menschen spricht, ohne sie zu hören – der will kein Gespräch, der will ein Urteil. Ich bin gegangen – aus Überzeugung. Und ich bin bereit, mich zu verteidigen – aus Prinzip“, so Heimpel.
Einen anderen juristischen Vorgang stellt jedoch die Strafanzeige des Gemeindratsmitglieds gegen Norbert Hense dar. Diese habe nach wie vor Bestand, so Heimpel. Es werde weiterhin wegen Nötigung und Bedrohung durch die Staatsanwaltschaft Offenburg ermittelt. Zusätzlich habe er ein innerparteiliches Schiedsverfahren gegen Hense eingeleitet, um den Vorfall auch parteiintern überprüfen und klären zu lassen.
Parteiaustritt als Startpunkt
Anlass zu der Strafanzeige sei ein Vorfall im Rahmen einer Nominierungsveranstaltung zur Landtagswahl gewesen, bei der ihm von Norbert Hense körperliche Gewalt angedroht worden sei. Hense ist Stadtrat in Kehl und persönlicher Mitarbeiter des Landtagsabgeordneten Bernd Mettenleiter.
Auslöser der scheinbar verfahrenen Situation war der Parteiaustritt von Rüdiger Heimpel am 23. März 2025. Begründet hatte das Heimpel mit dem Verweis auf eine politische Kultur, insbesondere im Kreisverband der Partei, die sich zunehmend von sachlicher Auseinandersetzung entfernt habe. Statt konstruktiver Diskussionen und offener Debatten hätte sich ein Klima etabliert, in dem persönliche Interessen, Machtkalkül und parteiinterne Netzwerke die Oberhand gewännen.
Vorwürfe gegen Amui-Vedel
Insbesondere die Bundestagskandidatin Dr. Amui-Vedel sei ein Hauptgrund für den Parteiaustritt gewesen. Sie habe während des Wahlkampfs gegen ihn und weitere Unterstützende Stimmung gemacht – obwohl diese wesentlich zur Umsetzung der Wahlkampfarbeit beigetragen hätten. Auch ihr genereller Umgang mit Mitgliedern des Ortsverbands sei von einem abwertenden Ton geprägt gewesen, der von oben herab geführt wurde.
Amui-Vedel habe Heimpel vorgeworfen, sich nicht ausreichend für ihre Kandidatur engagiert zu haben. Dies, obwohl er den Großteil der Veranstaltungen in Offenburg und Umgebung maßgeblich mit organisiert und aktiv begleitet habe. Auch sei sie bei einer Veranstaltung nicht ausreichend über die Gegebenheiten in Ortenberg informiert gewesen und geäußert, dass in der Gemeinde ein flächendeckendes Tempo-30-Limit mehrheitsfähig sei. Diese Einschätzung steht laut dem angehenden Pflegefachmann im klaren Widerspruch zur tatsächlichen Stimmung in der Gemeinde, wo ein solches Vorhaben nicht auf breite Zustimmung treffe.
Ignoranz gegenüber Kritik
Die ehemalige Bundestagskandidatin, die auch Umweltbeauftragte der Stadt Kehl ist, gab auf Anfrage keine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab. Weder zu etwaigen inhaltlichen Differenzen, noch zum Vorwurf der strukturellen Altersdiskriminierung von jungen Mitgliedern und auch nicht zu der Behauptung, bei den Grünen würden politische Positionen ohne Ausschreibung vergeben.
Heimpel beschreibt in der entsprechenden Pressemitteilung recht detailliert etliche Defizite. So sei der parteiinterne Umgang mit Ehrenamtlichen häufig von Ignoranz gegenüber deren inhaltlicher Arbeit und einer Abwehrhaltung gegenüber konstruktiver Kritik geprägt gewesen. Heimpel nennt auch schwerwiegende Verstöße auf Ebene des Kreisverbands Ortenau. Insbesondere der Kreisvorstand – allen voran die beiden Kreisvorsitzenden (Zeitpunkt März 2025) – hätten wiederholt gegen das Gebot der Trennung zwischen Partei- und Privatangelegenheiten gemäß § 2 Parteiengesetz verstoßen. Entscheidungen seien „offenbar auf Grundlage privater Motive getroffen worden.“
Lange Liste der Kritikpunkte
Desweiteren gebe es einen intransparenten Umgang mit den Parteifinanzen. Doch die Liste der Kritikpunkte des Jungpolitikers ist lang. Heimpel weiter: „Zudem besteht ein Anfangsverdacht des Arbeitszeitbetrugs bei zwei Beschäftigten des Kreisverbands. Auch hier fehlt es an transparenter Kontrolle, klaren Arbeitsnachweisen und einer funktionierenden Aufsicht.“ Persönliche Differenzen seien in parteiliche Verfahren getragen, Entscheidungen offenbar auf Grundlage privater Motive getroffen worden.
„Du bist zu jung dafür“
Auch im eigenen Ortsvorstand sei seine Arbeit behindert und ausgegrenzt worden – insbesondere durch seine Co-Vorsitzende. „Statt Unterstützung erfuhr ich immer wieder Abwertung – häufig unter dem Vorwand meines Alters. Es hieß dann: ‚Du bist zu jung dafür‘, oder ‚Das kannst du in deinem Alter nicht beurteilen´“, so Heimpel. Seine Vorschläge für eine verbindliche Satzung sowie begleitender Geschäftsordnungen, um Entscheidungsprozesse zu präzisieren und innerverbandliche Kontrolle zu gewährleisten, seien ignoriert worden. Diese Konflikte nahmen Heimpel zufolge mit der Zeit Überhand – teils sei das Persönliche sogar bewusst gegen das Politische ausgespielt worden.
Zähe Informationspolitik der Grünen
Zu den vorgetragenen Schilderungen über etwaige Missstände im Kreisvorstand gab es im Detail keine Stellungnahme des Grünen-Kreisverbands. Eine bereits am 27. März getätigte Anfrage, den Parteiaustritt Heimpels betreffend, blieb unbeantwortet. Die in einer weiteren Anfrage angesprochenen konkreten Punkte blieben ebenfalls unbeantwortet im Raum stehen. Eine zusätzliche Anfrage an die Grünen-Stadträtin von Offenburg, Maren Seifert, sei von ihr an die Vorsitzende des Ortsverbands, Nursin Karadeniz, weitergeleitet worden. Eine Antwort blieb jedoch aus.
Vom Kreisverband kam am 29. April die offizielle Pressemitteilung zum Vorgang des Parteiaustritts vom März. Diese Pressemitteilung geben wir hier nachfolgend im Wortlaut wieder:
„Rüdiger Heimpel ist mit sofortiger Wirkung aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen ausgetreten und hat damit auch sein Amt als Co-Vorsitzender des Ortsverbandes Offenburg niedergelegt. Dies geschieht nach nur sechs Monaten im Amt und ist das Ergebnis anhaltender Spannungen sowie schwerwiegender interner Konflikte.
Trotz wiederholter Gesprächsangebote und Vermittlungsversuche seitens des Kreis- und Ortsvorstandes, zahlreicher Mitglieder sowie externer Gesprächspartner*innen zeigte sich Rüdiger Heimpel nicht bereit, sein Verhalten zu reflektieren oder an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten.
Zu den zentralen Kritikpunkten zählten wiederholte Kompetenzüberschreitungen sowie ein unangemessener und teils abwertender Umgang mit anderen Mitgliedern. Darüber hinaus kam es zu heftigen internen Auseinandersetzungen über die Verwendung von Bildmaterial in den sozialen Medien. Konkret ging es um Bilder eines Wahlkampfstandes, die Heimpel in einer Wahlkampfgruppe zur Verfügung stellte und die anschließend von einem Mitglied in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurden. In diesem Zusammenhang leitete Heimpel zivilrechtliche Verfahren gegen zwei Mitglieder ein – darunter eine minderjährige Person. Zudem äußerte er sich mehrfach problematisch in der öffentlichen Kommunikation.
In einer Vorstandssitzung am 18. März 2025 wurde Rüdiger Heimpel aufgefordert, sich bis zum 23. März zu seinem Verhalten zu erklären, die rechtlichen Schritte zurückzunehmen und sein Amt zu überdenken. Dieser Aufforderung kam er nicht nach. Stattdessen erklärte er am 23. März seinen Rücktritt – begleitet von einer eigenen Pressemitteilung, die zentrale Sachverhalte einseitig und verzerrt darstellte.
Der Ortsverband Offenburg und der Kreisverband Ortenau weisen diese Darstellungen entschieden zurück und betonen, dass der Rücktritt die Konsequenz wiederholten und schwerwiegenden Fehlverhaltens ist. Dieses Verhalten war mit den Werten der Partei sowie dem Anspruch an eine konstruktive und solidarische Zusammenarbeit nicht vereinbar.
Der Ortsverband Offenburg von Bündnis 90/Die Grünen bedauert diese Auseinandersetzung und wird zeitnah über die Nachfolge beraten sowie eine Mitgliederversammlung einberufen.“
Politische und private Rückendeckung
An Rückendeckung soll es Rüdiger Heimpel eigenen Aussagen zufolge nicht mangeln. So hat er laut seiner Antwort auf unsere Anfrage zahlreiche Rückmeldungen aus „unterschiedlichsten gesellschaftlichen und politischen Kreisen erhalten – viele davon ausdrücklich unterstützend oder mit nachvollziehbarem Verständnis für meine Entscheidung“. Auch juristisch und privat habe er Unterstützung. „Mehrere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte stehen mir beratend zur Seite, sodass ich im Bedarfsfall kurzfristig reagieren kann. Darüber hinaus erfahre ich breite ideelle Unterstützung im privaten und politischen Umfeld“, schreibt Heimpel.
Sein Mandat im Ortenberger Gemeinderat will Heimpel behalten. Über einen Beitritt zu einer anderen Fraktion denke er zunächst nicht nach. Vielmehr wolle er sich als fraktionsloser Gemeinderat für die Belange an seinem Heimatort einsetzen.
Gesprächsangebot noch ohne Termin
Dennoch kommt eventuell etwas Bewegung in die Sache. So sei ihm auf nachdrückliches Drängen mehrerer Mitglieder des Ortsverbands signalisiert worden, dass man sich nun auch ausdrücklich im direkten Austausch mit ihm und den aufgeworfenen Vorwürfen auseinandersetzen möchte. Ein konkreter Gesprächstermin sei bis Anfang Mai nicht benannt gewesen. Er begrüße diesen zwar Schritt ausdrücklich – mache aber ebenso deutlich, dass er auf die Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte achten werde und im Zweifel rechtlich weiterverfolgen werde.
Kommentar
Schwer zu sagen, was an den Vorwürfen von Rüdiger Heimpel, der am 21. Juli 19 Jahre alt wird, dran ist. Seine Schilderungen sind zumindest sehr detailliert, strukturiert und klar ausformuliert. Möglicherweise – das lässt sich im ganzen politischen Spektrum erkennen – wird der Kampf um Macht und Einfluss, um Posten und lukrative politische Ämter mit immer härteren Bandagen geführt. Erkennbar war dies auch im teilweise unsäglichen Umgangston praktisch aller Parteien während des Bundestagswahlkampfs.
Diese Verrohung des zwischenmenschlichen Umgangs und erst Recht des gesellschaftlichen politischen Diskurses in Teilen der Gesellschaft hat bedenkliche Ausmaße erreicht. Es wird in der politischen Auseinandersetzung bewusst mit Unwahrheiten oder Verdrehungen hantiert. Dabei geht es längst nicht mehr um einen Wettstreit zwischen verschiedenen Konzepten, sondern rein um den Macherhalt bzw. Machtgewinn sowie persönliche Vorteile.
Gut möglich, dass sich diese Verhaltensmuster bis hinab in die Ortsebene auch bei den Grünen eingeschlichen haben. Nach vielen Jahren der Regierungsbeteiligung und Machtausübung, gerade in Baden-Württemberg, geht ja nicht selten politischem Führungspersonal der Kompass dafür verloren, was einer lebendigen Demokratie eigentlich gelebt werden sollte: Der sachliche Austausch von Argumenten und der demokratische Wettstreit der Ideen.
Da kann ein engagierter, idealistischer Parteiakteur mit guter Beobachtungsgabe unter Umständen schon stören. Besonders, wenn er als 18-Jähriger nicht ernst genommen wird. Unter Umständen macht sich auch Nervosität breit, da nicht nur im Bundestag, sondern auch bei der anstehenden Landtagswahl 2026 der Verlust von eben dieser Macht droht. Zum einen wären die Grünen dafür selbst verantwortlich, zum anderen wurden und werden sie von anderen politischen Lagern seit Jahren massiv und teilweise unsachlich angegriffen. Dies beweist, dass sich alle allmählich mal am Riemen reißen und zur Vernunft kommen sollten.
Oder um es mit den Worten von Rüdiger Heimpel zu sagen: „Ich verlasse diese Partei nicht aus Trotz, sondern aus Verantwortung – mir selbst und den Idealen gegenüber, für die ich einst eingetreten bin. Politik ist kein Selbstzweck. Sie muss sich stets an der Glaubwürdigkeit ihrer Vertreterinnen und Vertreter messen lassen. Diese Glaubwürdigkeit sehe ich in der aktuellen Verfasstheit der Partei nicht mehr gegeben.“
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