In der Folge der Jahreszeiten beginnt jetzt der Herbst – doch für die Kunstszene ist es Frühling. Denn traditionsgemäß starten die meisten Institutionen nach der Sommerpause mit ihrem neuen Jahresprogramm. In der Ortenau ist das nicht viel anders. Der Kunstverein Offenburg-Mittelbaden legt ab 20. September die Gedächtnisausstellung für den in diesem Jahr überraschend gestorbenen Starfotografen Wilfrid Beege („Beegee“) wieder auf.
Lebendiger Tupfer
Eine Woche später (Eröffnung 29. September, 11 Uhr) zeigt der Kunstverein Mittleres Kinzigtal in Haslach den „Rückblick“ seines 80 Jahre alten Urgesteins Albert Reichenbach, der seit einigen Jahren in Zell am Harmersbach lebt. Nur die Städtische Galerie Offenburg lässt ihre fünfte Auflage des Oberrheinischen Kunstpreises mit den Schweizer Schwestern Claudia und Julia Müller über die Sommermonate bis in den Herbst laufen.
Nicht ganz in das Schema passt auch der Künstlerkreis Ortenau, jedoch wegen seiner organisatorischen Struktur. Vor 44 Jahren als Produzentengalerie gegründet bestimmen dort nicht Vorstandsmitglieder oder Expertenräte das Programm, sondern die in dem Verein organisierten Künstler selbst. Eine Garantie für aktuelle Auseinandersetzungen, die einen lebendigen Tupfer in die Palette der Ausstellungsangebote setzt. Die Startausstellung im leider etwas dezentral gelegenen Artforum in der Okenstraße scheint das zu bestätigen: Kuratiert vom zweiten Vorsitzenden Jens Stickel stellt sich der junge Freiburger Bildhauer Paul Ahl mit Skulpturen, Objekten und Rauminstallationen vor.
Variantenreich und bunt
Der Titel „What surrounds us“ (Was uns umgibt) ist zugleich ein Hinweis auf die künstlerische Vorgehensweise des 40 Jahre alten Bildhauers. Er schafft seine Werke nach einem bestimmten Konzept, das jedoch, wie die Ausstellung zeigt, variantenreich und im besten Sinne bunt ist. Denn seine Formen erfindet Ahl nicht, er findet sie. Die den Eingang des Artforums beherrschende Arbeit „Zaunecke“ zeigt auch, wo: Sie zeigt zwei meterhohe Maschendrahtzäune, in deren Winkel sich allerlei Herbstlaub und weggeworfene Verpackungen verfangen haben.
Ahl sucht also seine Umgebung bewusst nach Dingen ab, die ihren praktischen Wert verloren haben und deshalb ausgemustert werden. Verpackungsmüll, der zum Schutz der weltweit verschickten Konsumgüter entworfen wurde. Diese Entscheidung steht am Anfang des Konzeptes. Danach folgt die Veredelung zum Kunstwerk. Paul Ahl verwendet diese „wertlosen Muster“ als Grundlage von Betonabgüssen, die er mit Pigmenten einfärbt, in einzelnen Beispielen auch zusätzlich mit Farbe bearbeitet. Dadurch abstrahiert und entkernt er die Ausgangsformen, macht in den besten Beispielen überhaupt erst ihre formale Qualität sichtbar. Durch die oft rigorose Buntheit und das Fehlen jeglicher „Peinture“ werden die Gegenstände aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang endgültig herausgerissen und gewinnen eine neue, geradezu reine Funktion – als ästhetische Objekte.
Entdeckungen machen
Dadurch, dass der Künstler eine vorgegebene Ausgangsform akzeptiert, liegt es zunächst nur an seinem Auge, das Kunstpotential von Wegwerfprodukten zu erkennen und durch die Behandlung zu steigern. Die meist kleinformatigen Objekte nennt Paul Ahl mit lakonischen Humor „Umverpackungen“ und es spricht für seine Faszination und seinen immensen Arbeitsfleiß, dass er inzwischen bei Nummer 265 angekommen ist. Ihnen ist auch nichts von der eigentlich spürbaren Schwere eines Betongusses erhalten geblieben, und der Besucher imArtforum wird eine weitere Entdeckung machen können. Der große Raum wirkt merkwürdig leer und still, dabei hat Paul Ahl fast 60 Objekte in den beiden Etagen platziert.
Die Ausstellung von Paul Ahl, „What surrounds us“ im Künstlerkreis Ortenau, Galerie im Artforum, Offenburg, Okenstraße 57, dauert bis zum 13. Oktober, Öffnungszeiten: Freitag 17-20 Uhr, Samstag und Sonntag 14-17 Uhr; Sonderveranstaltungen: am Mittwoch, 9. Oktober, um 15 Uhr „Ein Nachmittag mit Frau von H.“, Kunstgespräch mit Renate von Heimburg und am Sonntag, 13. Oktober, um 15 Uhr, Finissage mit dem Künstler.
Rainer Braxmaier
Ödsbacher Straße 6
77704 Oberkirch
Telefon: +49 7802 916 99 43
E-Mail: info@brandmediaberlin.de
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