Eurodistrict

Erster Besuch bei Racing Strasbourg im Meinaustadion: Zwischen Eurodistrict, Fußballfieber und Stadionzauber

Stade de la Meinau
© Geraldine Zimpfer – Das Meinaustadion in Straßburg ist ein Schmuckkästchen.
Ein Sonntagnachmittag in Straßburg, ein traditionsreiches Stadion und die erste Begegnung mit Racing Club Strasbourg – für den Autor wird der Besuch in der Meinau zu mehr als nur einem Fußballspiel. Zwischen Presseakkreditierung, deutsch-französischer Freundlichkeit und einer besonderen Premiere für die Begleitung zeigt sich, warum Racing für viele Fans in der Ortenau mehr ist als ein Nachbarverein. Eine Kolumne über Atmosphäre, Erwartungen und die Faszination Fußball im Eurodistrict.
Von Wolfgang Huber

Straßburg liegt praktisch vor der Haustür – zwei, drei Steinwürfe von Oberkirch entfernt. Und doch war mir der Fußball-Leuchtturm der Elsass-Metropole bislang eher aus der Zeitung vertraut als aus eigener Anschauung. Ein Spiel von Racing Club Strasbourg im legendären Stade de la Meinau? Fehlanzeige. Und das, obwohl ich mich ohne falsche Bescheidenheit als ausgewiesenen Fußball-Fan bezeichnen würde.

Zahlreiche Ortenauer Racing-Fans

Dieses Versäumnis musste behoben werden. Erst recht, weil sich das Ortenau Journal künftig intensiver mit Themen rund um den Eurodistrict Strasbourg–Ortenau befassen wird. Deutsch-französische Freundschaft, grenzüberschreitende Zusammenarbeit – große Worte, die hier im Alltag gelebt werden. Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport: Der Austausch ist lebendig. Tausende überqueren jedes Jahr den Rhein – zum Wandern, zum Essen oder eben, um Racing Straßburg live zu erleben. Denn in der Ortenau hat der Club eine beachtliche Fangemeinde.

Begleitung von Routinier Peter Cleiß

Einige dieser Fans kenne ich persönlich. Drei, um genau zu sein. Einer davon: Peter Cleiß. Ehemaliger Schulleiter der Berufsschule Kehl, ausgewiesener Eurodistrict-Kenner und nebenbei Berichterstatter über Racing für die Mittelbadische Presse und die Badischen Neuesten Nachrichten. Künftig wird er auch das Ortenau Journal regelmäßig mit Spielberichten versorgen.

Erster Stadionbesuch von Geraldine

Peter, der seit Januar als Gastautor für das Ortenau Journal schreibt, half bei der viel zu kurzfristigen Presseakkreditierung – dank exzellenter Kontakte in die Meinau. Der Pressesprecher der Elsässer, Jeoffrey Voltzenlogel, nutzte die Gunst der Stunde und akkreditierte kurzerhand mich sowie meine Beraterin und Assistentin Geraldine Zimpfer. Unkompliziert, schnell, wertschätzend. Normalerweise braucht man dafür rund zehn Tage Vorlauf. Für Geraldine war es zudem eine Premiere: ihr erstes Fußballspiel in einem großen Stadion.

Racing Strasbourg  Racing Strasbourg

Im Stade de la Meinau gibt es mitunter packenden Fußball zu sehen. Fotos: Philipp Cleiß

Menschen Welten öffnen

Die große Welt des Profi-Fußballs mit all ihrer Faszination, den großen Stadien, der besonderen Atmosphäre und dem Medienrummel begeistert mich seit jeher. Diese Welt mit Menschen zu teilen, die mir nahestehen, ist mir ein echtes Anliegen. Es erfüllt mich, Begeisterung weiterzugeben – und die funkelnden Augen neben mir zu sehen.

Unfreiwilliger Abstecher ins Banlieue

Bevor Peter uns auf Parkplatz P3 nahe der Meinau in Empfang nehmen konnte, stand allerdings erst einmal Orientierung auf dem Programm. Ehrlich gesagt war es das Navi, das uns nach einem unfreiwilligen Abstecher durch Straßburger Banlieues schließlich ans Ziel führte. Peter war dennoch sichtlich erfreut, uns in „seiner“ Welt begrüßen zu dürfen. Geteilte Freude ist doppelte Freude – in diesem Fall sogar dreifache.

Herzlich willkommen!

Auffällig war die Freundlichkeit aller Beteiligten: Ordner, Mitarbeiterinnen am Akkreditierungsschalter, Vereinsangestellte. Charmant, zuvorkommend, offen. Vielleicht nicht trotz, sondern wegen unserer badischen Herkunft, die man uns wohl ansieht – oder anhört. Wir fühlten uns jedenfalls willkommen. Möglicherweise auch dank Peter Cleiß, der beim Racing viele Freunde hat.

Stade de la Meinau Racing Strasbourg

Die Straßburger Ultras protestieren seit Monaten gegen den US-Investor BlueCo. Fotos: Geraldine Zimpfer / Philipp Cleiß 

Schwindelerregende Höhen

Der Weg zur Pressetribüne führt an einer Aussichtsplattform vorbei – und dort stockte mir erstmals der Atem. Beim Blick nach unten öffnete sich ein gefühlter Abgrund. Das Spielfeld schien hundert Meter entfernt, steil bergab. Realistisch betrachtet waren es wohl eher 60 Meter. Doch zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit klafft bekanntlich manchmal eine Lücke. Auch die Pressetribüne selbst – ganz oben auf der imposanten Haupttribüne – ist nichts für schwache Nerven.

Austausch mit Peter Cleiß

Trotzdem überwiegt die Vorfreude an diesem kalten, feuchten, nebligen Sonntagnachmittag. Laptop ausgepackt, fachlicher Austausch mit Peter über die Erwartungen – und los geht’s. Wobei: Eigentlich ging erst einmal gar nichts. Die erste Halbzeit: gähnend langweilig. Man spürte deutlich, dass Selbstverständnis und Selbstvertrauen der jungen Racing-Elf nach drei Niederlagen gelitten hatten.

Der Fußball-Gott hat Urlaub

Nun habe ich vorab keineswegs auf ein wildes 4:3 gehofft. Aber ein torloses 0:0 ist die ewige Drohkulisse jedes Stadionbesuchs und so ziemlich das Gegenteil von Spektakel. Torlose Remis gehören  aber leider auch zum Fußball wie Tornetze und Ersatzbänke. An diesem Tag schien der Fußball-Gott besonders schlecht gelaunt. Anders lässt sich kaum erklären, warum Racing gegen den harmlosen FC Lorient aus der bretonischen Provinz offensiv so ideenlos blieb.

Geraldines breites Grinsen

Fast ohne Strafraumszenen verstrich die erste Hälfte. Ein Blick nach links verriet mir jedoch: Geraldine störte das kein bisschen. Sie war gefesselt von der Atmosphäre in diesem charmanten Schmuckkästchen namens Meinau. Für sie war alles neu, alles besonders. Mir war derweil noch immer etwas schwindelig unter dem Tribünendach. Geraldine grinste unentwegt. Und genau dafür macht man solche Ausflüge. Ein Tor hätte dem Ganzen zwar die Krone aufgesetzt – Salz in der Suppe eben.

Stade de la Meinau Stade de la Meinau

Fans des FC Lorient zünden Pyrotechnik, das Stadion ist in eine Rauchwolke gehüllt. Fotos: Geraldine Zimpfer

Endlich Torchancen

Nach der Pause wurde es zumindest etwas besser. Racing erhöhte das Tempo, kam zu Chancen – der Treffer blieb dennoch aus. Doch allein das Drumherum rechtfertigte die Fahrt über den Rhein. Mitte der zweiten Halbzeit zündeten die wenigen Lorient-Fans Pyrotechnik, das Stadion verschwand minutenlang in einer dichten Rauchwolke. Auch das gehört offenbar dazu.

Die Vereinslegenden

Mehr hatte man sich erhofft – zu Recht. Schließlich ist der Racing Club Strasbourg der Verein von Legenden wie Gilbert Gress, Weltmeister Youri Djorkaeff, Ex-Dortmunder Alexander Frei oder Nationaltrainer Raymond Domenech. Seit Jahren spielt der Verein im oberen Tabellendrittel, aktuell sogar international in der Conference League. Die jüngste Profi-Mannschaft Europas mit großen Ambitionen.

Willkommene Weihnachtspause

Wenn im Frühjahr die Rückrunde startet, dürften die Akkus wieder voll sein. Derzeit wirkt es, als käme die Weihnachtspause keinen Tag zu früh. Wir werden wiederkommen – Racing ist ein wichtiger Player im Eurodistrict. Gleiches gilt für SIG Strasbourg im Basketball. Auch dort führt der Weg bald hin.

Mission erfüllt

Das eigentliche Ziel aber ist erreicht: Geraldine hatte ein unvergessliches Erlebnis. Ihr breites Grinsen hat sich längst verselbständigt – man fürchtet fast einen Kieferkrampf. Mission completed.
Bis bald, schöner Racing!

Siehe auch hier:

Profit mit jungen Fußball-Talenten: So krempelt der US-Investor BlueCo Racing Strasbourg um

Identität oder Profit?: Warum Racing Straßburg trotz aktuellem sportlichem Höhenflug gespalten ist

BA Immobilien

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