Arbeitswelt

Urteil des Amtsgerichts Lahr stärkt Arbeitnehmer: Rechtsschutz auch nach Aufhebungsvertrag möglich

Richter Gerichtsurteil
© Wirestock/freepik – Das Amtsgericht Lahr sorgt für Klarheit beim Rechtsschutz von Arbeitnehmern.
Wenn Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, verweigern Rechtsschutzversicherer oft die Kostenübernahme für den beauftragten Anwalt – mit Verweis darauf, dass kein „Rechtsschutzfall“ vorliege. Doch das Amtsgericht Lahr hat nun ein klares Signal gesetzt: Schon die Androhung einer Kündigung reicht aus, um den Versicherungsfall auszulösen. Arbeitsrechtsanwalt Markus Hartmann erklärt, warum sich Betroffene nicht vorschnell mit einer Ablehnung zufriedengeben sollten.
Von Markus Hartmann

Eine für Arbeitnehmer wichtige Entscheidung haben wir, die Kanzlei Hartmann – Abel – Zimmer – unlängst beim Amtsgericht Lahr erstritten. Der Verlust des Arbeitsverhältnisses ist für viele Arbeitnehmer an sich schon ein Schock, sind doch die möglichen Auswirkungen auf die ganze Familie durch den Verlust des Einkommens gelegentlich kaum absehbar.

Verweigerte Kostenübernahme

Erschwert wird die Situation dann in zunehmendem Maße durch Rechtsschutzversicherer, die die Kosten des zwischenzeitlich eingeschalteten Rechtsanwaltes, der die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber abgewickelt hat, nicht übernehmen wollen und wir sprechen hier sehr häufig über vierstellige Beträge.

Wenig Probleme wird es mit dem Versicherer geben, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, denn eine solche Kündigung löst regelmäßig einen sogenannten Versicherungsfall aus, der den Versicherer bedingungsgemäß zur Zahlung zwingt.

Frau Ärger

Ärger ist vorprogrammiert, wenn der Versicherer nicht zahlen will. Foto: Drazen Zigic/freepik

Arbeitgeber will sich trennen

Allerdings häufen sich die Fälle, in denen Arbeitgeber zur Vermeidung eines Prozessrisikos nach ausgesprochener Kündigung Aufhebungsverträge anbieten. Das Angebot eines solchen Aufhebungsvertrages signalisiert für sich gesehen bereits, dass sich der Arbeitgeber trennen will und eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit im Arbeitsverhältnis kaum zu erwarten ist. Daher lassen sich viele Arbeitnehmer auch auf solche Verhandlungen ein.

Der Schock danach

Verlaufen die Verhandlungen so, dass beide Parteien, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zufrieden mit dem Ergebnis sind, kommt der Schock danach. Der Rechtsanwalt versucht, seine Kosten beim Versicherer abzurechnen und der verweigert die Übernahme mit dem Hinweis darauf, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages anders als die Kündigung keinen Rechtsschutzfall darstelle und daher nicht bezahlt werde. Das kommt häufiger vor als man denkt.

Der Teufel steckt im Detail

Der Bundesgerichtshof hat zu dieser Konstellation zwar Grundsätze entwickelt, die von Versicherern aber gelegentlich ignoriert oder zu Lasten des eigenen Versicherungsnehmers (um)interpretiert werden. Grob gesagt verlangt der Bundesgerichtshof, dass aus dem Verhalten des Arbeitgebers irgendwie deutlich werden muss, er wolle das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beenden, also eine Kündigung individuell und konkret angedroht worden sein muss, dann stelle der hiernach abgeschlossene Aufhebungsvertrag einen Rechtsschutzfall dar und der Versicherer müsse die regelmäßig hohen Kosten übernehmen und nicht der ohnehin gebeutelte Arbeitnehmer. Wie immer steckt aber der Teufel im Detail.

Wann ist eine Kündigung „individuell und konkret angedroht“?

Hier hat das Amtsgericht Lahr für wohltuend klare Verhältnisse gesorgt. Der zu entscheidende Fall wies einige Besonderheiten auf, allerdings hat sich das Gericht grundsätzlich geäußert. Zunächst einmal befasste sich das Amtsgericht Lahr damit, wie man die vorgegebenen Bedingungen der Rechtsschutzversicherer zu lesen und zu verstehen habe.

Wir zitieren:

„Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbare Sinnzusammenhangs versteht.

Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen.

Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (s. Nur BGH, Urt. v. 08.01.2020 – IV 5 C 49/25 – 6 – ZR 240/18, r+s 2020, 163)“.

Mann Frau

Was tun, wenn der Arbeitgeber kündigt? Foto: garetsvisual/freepik

Kündigung in Aussicht gestellt

„Versicherungschinesisch“ hilft dem Versicherer also nicht weiter, sehr wichtig. Dann folgt der entscheidende Teil, den jeder Versicherungsnehmer in einer Notlage wie oben beschrieben künftig einwenden kann:

„Eine Kündigung wird nach dem o.g. Verständnismaßstab dann angedroht, wenn sie dem Versicherungsnehmer als Arbeitnehmer in Aussicht gestellt wird. Erforderlich ist hierbei nicht, dass der Entschluss zur Kündigung auf Arbeitgeberseite bereits feststeht. Dies würde dem allgemein üblichen Begriffsverständnis einer Drohung oder Androhung widersprechen.

Gewisse Unwägbarkeiten

Zwischen der Drohung oder Androhung eines künftigen Umstandes und der entsprechenden Verwirklichung liegt stets eine mit einer gewissen Unwägbarkeit behaftete Komponente, deren Inhalt zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Drohung oder Androhung gerade noch nicht feststeht. Steht hingegen die Kündigung bereits fest – so sinngemäß die Auffassung der Beklagten – so bedarf es gegenüber dem Arbeitnehmer überhaupt keiner Androhung derselben.

Dem Versicherer den Boden entzogen

Die Kündigungsandrohung wäre obsolet; aus Sicht der arbeitsvertraglichen Parteien hätte eine derartige „Kündigungsandrohung“ keinen eigenständigen Wert. Der Arbeitgeber würde ein Schreiben formulieren, in welchem er seinen festen Entschluss, eine Kündigung auszusprechen, kundtut, und müsste anschließend in einem weiteren Schreiben die Kündigung aussprechen. Dies zeigt, dass bei einer Kündigungsandrohung im Sinne von Ziff. B.2.1.3.1 Abs. 2 ARB 2023 der Entschluss zur Kündigung regelmäßig noch nicht feststeht“. Damit ist der regelmäßig zu beobachtenden Argumentation der Versicherer der Boden entzogen.

Fazit:

Bei einer Ablehnung der Kostenübernahme nach Aufhebungsvertrag darf man also nicht resignieren. Es lohnt immer, in Verhandlungen mit dem Versicherer zu treten, diese brandneue Entscheidung zu zitieren und eine Klage gegen den eigenen Versicherer ins Auge zu fassen, lehnt der Versicherer gleichwohl die Kostenübernahme ab.

(Urteil des Amtsgericht Lahr, Az 5 C 49/25)

Siehe auch hier:

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