Arbeitswelt

Teurer Vergleich: Bundesarbeitsgericht (BAG) stärkt Arbeitnehmerrechte beim Mindesturlaub

Urlaub in natura
© Leonhard Niederwimmer/pixabay – Ein Arbeitsgerichtsurteil zum Urlaubsanspruch kann für Arbeitgeber teuer werden.
Ein Urteil mit einer gewissen Sprengkraft: Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitnehmer selbst dann Anspruch auf Auszahlung ihres gesetzlichen Urlaubs haben, wenn ein Vergleich diesen angeblich „in natura“ gewährt – obwohl der Urlaub krankheitsbedingt gar nicht genommen werden konnte. Ein denkbar teurer Irrtum für Arbeitgeber! Der Fall zeigt: Beim gesetzlichen Mindesturlaub hört der Spaß auf. Vergleiche sollten daher mit größter Sorgfalt formuliert werden.
Von Markus Hartmann

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seiner Entscheidung vom 3.6.2025 – Aktenzeichen – 9 AZR 104/24 – erneut Sprengstoff für kurzsichtige Arbeitgeber geliefert.

Was war geschehen?

Ein Arbeitgeber hatte einem Mitarbeiter ordentlich auf den 30.4. gekündigt, weil der länger krankheitsbedingt ausgefallen war. Der Mitarbeiter klagte und man einigte sich – nicht unüblich – darauf, dass der Mitarbeiter die Kündigung akzeptierte und hierfür eine Abfindung erhielt. So weit, so üblich. Im gerichtlichen Vergleich fand sich dann aber auch folgender Passus: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“

Zur Erläuterung: Jeder Mitarbeiter erwirbt in jedem Kalenderjahr Urlaubsansprüche, und zwar die im Bundesurlaubsgesetz (BurlG) vorgegebenen und die Tage, die der Arbeitgeber on top gibt, womit jeder Urlaub über 20 Arbeitstage pro Jahr aus zwei Elementen besteht, dem gesetzlichen Urlaub und dem individuell vereinbarten.

20 Tage gesetzlicher Urlaubsanspruch

In der Praxis sieht das bei 30 Tagen Jahresurlaub so aus, dass 20 Tage auf den gesetzlichen und 10 auf den individuellen Urlaubsanspruch entfallen. Gemeint ist damit der Freizeitanspruch, den man in Rimini, im Harz oder in Thailand verbraucht und dafür Geld, das sog. Urlaubsentgelt bekommt. Damit ist der Urlaub „in natura gewährt“. Im vorliegenden Fall waren das sieben Tage.

Es gibt aber Konstellationen, bei denen man den Urlaub nicht mehr in Freizeit abbauen kann, etwa weil man bis zum Ende der Kündigungsfrist krank ist. Nicht in Freizeit verbrauchter Urlaub ist laut Gesetz abzugelten, d.h. auszubezahlen.

Und darum ging es hier.

Der Mitarbeiter war vom 1. Januar bis zum 30. April durchgängig krank gewesen, konnte den Urlaub also gar nicht „in natura“ nehmen. Trotzdem tat man im Vergleich so, als sei das passiert. Der anwaltlich gut vertretene Mitarbeiter forderte trotz der glasklaren Formulierung, der Urlaubsanspruch sei ja erfüllt, die Abgeltung für sieben Tage Urlaub. Und er bekam Recht.

Das BAG konstatierte, dass kein Arbeitnehmer auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten könne. Das war es für den Arbeitgeber, der trotz des sprachlich an sich eindeutigen Vergleichs nun noch einen vierstelligen Betrag nachzahlen muss. Arbeitgeber aufgepasst, Vorsicht also bei solchen Vergleichen.

Heilige Kuh im Arbeitsrecht

Der gesetzliche Mindesturlaub ist auch so etwas wie eine heilige Kuh der Arbeitsrechtsjuristen. Anders kann das aber beim individuellen Urlaub aussehen. Aber Weiteres dazu fragen Sie den Anwalt Ihres Vertrauens, es ist komplex und kompliziert.

Siehe auch hier:

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