Arbeitswelt

Mehr als ein Generationswechsel: Warum die Unternehmensnachfolge oft an Emotionen scheitert

Bei der Unternehmensübergabe kann viel schief gehen
© geralt/Pixabay – Bei Unternehmensübergaben geht oft wertvolles informelles Wissen verloren.
Wenn Unternehmensnachfolgen scheitern, liegt das selten an fehlenden Verträgen oder Strategien – sondern oft an emotionalen Spannungen und ungeklärten Erwartungen. Gastautor Timo Seggelmann beleuchtet auf Persoblogger.de die unterschätzte menschliche Dimension der Übergabeprozesse im Mittelstand. Er zeigt: Wer Nachfolge rein technisch denkt, verkennt die kulturelle Tiefe dieses Wandels – und riskiert das Lebenswerk. HR spielt dabei eine Schlüsselrolle, die bislang kaum genutzt wird.

Während klassische Nachfolgeberatungen stark auf juristische, steuerliche und finanzielle Aspekte fokussiert seien, werde der menschliche Faktor oft ausgeklammert. Genau das könne jedoch über Erfolg oder Misserfolg einer Übergabe entscheiden. In seinem Gastbeitrag auf Persoblogger.de beleuchtet Timo Seggelmann von Oak Horizon die unterschätzte emotionale und kulturelle Dimension der Unternehmensnachfolge – insbesondere im Mittelstand.

Unausgesprochene Erwartungen

Seggelmann zufolge sind es nicht fehlende Strategien oder Verträge, die Übergaben scheitern lassen, sondern emotionale Spannungen, unausgesprochene Erwartungen und persönliche Konflikte. Ob Lebenswerk, Identitätsanker oder Teil der Familiengeschichte – Gerade im Mittelstand sei das Unternehmen häufig tief mit der Person des Inhabers oder der Inhaberin verknüpft. Eine Trennung von Unternehmens- und Unternehmeridentität sei in diesen Fällen kaum möglich.

Zeit, Vertrauen und Dialog

Ein Praxisbeispiel verdeutlicht diese Zusammenhänge: Ein mittelständischer Maschinenbaubetrieb mit rund 300 Mitarbeitenden stand vor der Herausforderung, einen externen Nachfolger für den langjährigen Geschäftsführer zu finden. Der Übergang gestaltete sich nicht allein über Verträge – trotz passender Werte und Qualifikation des Nachfolgers. Es brauchte Zeit, Vertrauen und Dialog. Nur durch offene Gespräche und schrittweise Verantwortung konnte der neue Geschäftsführer die Unternehmenskultur verinnerlichen und der scheidende Inhaber loslassen.

Verlust von Kontrolle und Status

Nachfolge ist laut Seggelmann ein hoch emotionaler Prozess – für beide Seiten. So verliert die abgebende Generation Kontrolle und Status, während die übernehmende unter Druck steht, Erwartungen zu erfüllen und gleichzeitig neue Impulse zu setzen. Das hat Folgen, denn diese Spannungen könnten sich auf die gesamte Organisation auswirken – vom Führungsteam bis ins familiäre Umfeld.

Die Herausforderung wächst: Laut KfW-Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2024 planen bis 2028 jährlich rund 106.000 KMU-Inhaberinnen und -Inhaber die Übergabe. Gar rund 190.000 geplante Nachfolgen erwartet das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) bis 2026. Gleichzeitig fehle in 40 Prozent der Betriebe eine Nachfolgestrategie. Verstärkt werde die Problematik durch Fachkräftemangel, demografischen Wandel und steigende Komplexität im Steuer- und Vertragsrecht.

Verlust informellen Wissens

Hier gibt es laut Seggelmann eine eklatante Lücke im klassischen Beratungsmodell: Verträge allein reichten nicht aus. Ohne tragfähige Beziehungen, Vertrauen und kulturelle Integration könnten Übergaben Schaden anrichten – etwa durch den Abgang von Schlüsselpersonen oder den Verlust informellen Wissens.

Deshalb fordert er eine stärkere Rolle von HR im Nachfolgeprozess. Personalabteilungen könnten als Brückenbauer zwischen Menschen, Strukturen und Kulturen wirken. HR könne mit Coaching, Dialogformaten und durchdachter Veränderungskommunikation den Prozess begleiten, um Spannungen frühzeitig entgegenzuwirken. Dazu gehörten auch klare Rollendefinitionen, Wissenstransfer sowie Integration von „Alt“ und „Neu“.

Offenen Raum aktiv schaffen

Ein Schlüsselfaktor für gelingende Übergaben sei laut dem Autor die sogenannte psychologische Sicherheit – also das Vertrauen, sich ohne Angst vor negativen Konsequenzen äußern zu können. Studien von Amy Edmondson (Harvard Business School) belegten, dass Teams mit hoher psychologischer Sicherheit erfolgreicher, innovativer und resilienter agieren. Gerade im sensiblen Nachfolgekontext müsse ein solcher offener Raum aktiv geschaffen werden, um Loyalitätskonflikte und verdeckte Spannungen konstruktiv zu verarbeiten.

Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil

Seggelmann plädiert dafür, Nachfolge als strategische Chance zu begreifen – zur Erneuerung von Führung, Kultur und Organisation. In Zeiten des Fachkräftemangels sei eine starke Unternehmenskultur ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Wer Nachfolge richtig gestalten wolle, müsse sie aus der Mitarbeiterperspektive denken und anerkennen, dass sie mehr als ein formaler Prozess sei. Sie sei ein zutiefst menschliches Ereignis – und damit entscheidend für den Fortbestand von Unternehmertum als Lebensform. Für nachhaltige Wirkung auf Menschen, Teams und ganze Organisationen.

red/ChatGPT

Zum Ausgangsartikel: Warum Nachfolge mehr als ein Übergabeakt ist (PERSOBLOGGER.DE)

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