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Arbeitsrecht

Arbeitgeberkündigung: Gefährliches Einwurfeinschreiben oder die Tücken des Postversandes!

Brief
© jackmac34/pixabay
Vorsicht beim Einwurfeinschreiben: Wer eine Kündigung verschickt, muss den Zugang nachweisen können – sonst drohen teure Folgen. Im Fall vor dem Bundesarbeitsgericht scheiterte ein Arbeitgeber genau daran: Die Kündigung per Einwurfeinschreiben galt nicht als zugestellt, weil entscheidende Nachweise fehlten. Das Arbeitsverhältnis bestand weiter – mit womöglich fünfstelligen Nachforderungen. Was das Urteil für Arbeitgeber bedeutet und worauf beim Versand von Kündigungen zu achten ist.

Von Markus Hartmann

Arbeitgeber bedienen sich bei der Übermittlung von Kündigungen häufig der Deutschen Post oder eines anderen Dienstleisters gleicher Art. Kündigungen werden erst rechtserheblich, wenn sie zugestellt sind, erst dann können sie die gewünschten Folgen und auch Klagefristen auslösen. Beweispflichtig für den Zugang ist der Arbeitgeber. Gerne genutzt wird dabei das Einwurfeinschreiben.

Der Fehler

So hatte das auch der Arbeitgeber in dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) am 30.1.2025 entschiedenen Fall (Az. 2 AZR 68/24) gehandhabt. Seine erste Kündigung war aber unwirksam, weil die betreffende Mitarbeiterin schwanger war, was sie erst im Rahmen des Verfahrens gegen diese erste Kündigung einwandte. Das Verfahren lief jedoch weiter und einige Monate nach Klageerhebung behauptete der Arbeitgeber, er habe zwischenzeitlich nochmals gekündigt, nachdem die behördliche Zustimmung zu dieser zweiten Kündigung vorgelegen habe.

Zwei Mitarbeiterinnen hätten das Kündigungsschreiben in einen Umschlag gesteckt und zur Post gebracht, wo es dann als Einwurfeinschreiben verschickt und wenige Tage über ein digitales Infoportal der Post als zugestellt rückgemeldet worden sei. Die Klägerin hätte diese Kündigung aber innerhalb dreier Wochen ab Zustellung mit einer Klage angreifen müssen. Das habe sie nicht getan, weshalb diese Kündigung wirksam sei, und das Arbeitsverhältnis beendet habe.

Die Klage

Die schwangere Mitarbeiterin bestritt das, diese zweite Kündigung habe sie nie erreicht. Vor dem Arbeitsgericht kam sie damit nicht durch, die Kündigung müsse man als zugestellt erachten, weshalb die Klagefrist versäumt und die Kündigung wirksam sei.

Hiergegen legte die Mitarbeiterin Berufung zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ein und bekam Recht. Das wiederum überzeugte den Arbeitgeber nicht, der seinerseits Revision zum BAG einlegte, dort aber keinen Erfolg hatte.

Erster Fehler des Arbeitgebers bzw. seiner Prozessbevollmächtigten sei gewesen, nicht den einwerfenden Postboten als Zeugen anzubieten, was sich jeder Arbeitgeber merken sollte. Relevant sind aber folgende Ausführungen des BAG:

Jedenfalls genügt der von der Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegte Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung die jeweilige Postfiliale und die Sendungsnummer ersichtlich sind, zusammen mit einem von der Beklagten im Internet abgefragten Sendungsstatus („Die Sendung wurde am 28.07.2022 zugestellt.“) nicht für einen Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Klägerin tatsächlich zugegangen ist.

Kein Anscheinsbeweis

Anscheinsbeweis bedeutet, dass der Arbeitgeber grob gesagt in Sachen Zustellung das Seinige getan hat und es jetzt am Mitarbeiter ist, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften, eine für den Arbeitgeber recht bequeme Situation, denn gelingt diese Entkräftung nicht, ist das Schreiben als zugestellt anzusehen.

Diesen Anscheinsbeweis sah das BAG aber trotz des Zustellnachweises nicht, womit es sich auf den ersten Blick in Widerspruch zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahre 2023 setzte, der von einem Anscheinsbeweis ausging.

Aber: Der BGH hatte es mit der Variante des Einwurfeinschreibens zu tun, bei der durch den Postmitarbeiter in den Briefkasten oder das Postfach des Empfängers eingeworfen wird. Unmittelbar vor dem Einwurf wurde – und hierin liegt der Unterschied zum Fall beim BAG – das sog. „Peel-off-Label“ (Abziehetikett), das zur Identifizierung der Sendung dient, von dem zustellenden Postmitarbeiter abgezogen und auf einen vorbereiteten, auf die eingeworfene Sendung bezogenen Auslieferungsbeleg aufgeklebt. Auf diesem Beleg bestätigte der Postmitarbeiter nach dem Einwurf mit seiner Unterschrift und der Datumsangabe die Zustellung. Dann gilt der Anscheinsbeweis.

Die Begründung

Diesen Nachweis hatte unser Arbeitgeber aber nicht bzw. im Verfahren nicht vorgetragen (zweiter Fehler), so dass die Entscheidung des BAG keinen Widerspruch auslöste.

Das BAG sodann weiter:

Die Vorlage des Einlieferungsbelegs begründet keine gegenüber einfachen Briefen – bei denen kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung besteht (st. Rspr., vgl. BGH 19. Mai 2022 – V ZB 66/21 – Rn. 10; 21. Januar 2009 – VIII ZR 107/08 – Rn. 11) – signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Zugang der Sendung beim gewollten Empfänger des Einwurf-Einschreibens. Da durch die Absendung eines Schreibens nicht der Nachweis seines Zugangs erbracht werden kann, ist der Einlieferungsbeleg für die Frage des Zugangs ohne Bedeutung (vgl. BGH 27. September 2016 – II ZR 299/15 – Rn. 32, BGHZ 212, 104).

Der Sendungsstatus

Der Ausdruck des Sendungsstatus, auf dem dieselbe Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg sowie das Zustelldatum vermerkt sind, bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr für einen Zugang. In diesem Fall lässt sich weder feststellen, wer die Sendung zugestellt hat, noch gibt es ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass das vom Bundesgerichtshof beschriebene oder das jeweils gültige Verfahren der Deutschen Post AG für die Zustellung der eingelieferten Postsendung tatsächlich eingehalten wurde.

Der Sendungsstatus ist kein Ersatz für den Auslieferungsbeleg. Er sagt nichts darüber aus, ob der Zusteller tatsächlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die konkrete Zustellung gerichtet hat, die den Schluss rechtfertigen würde, dass die eingelieferte Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist.

Die Begründung II

Für dieses Ergebnis spricht ferner, dass der von der Beklagten vorgelegte Sendungsstatus weder erkennen lässt, an wen die Zustellung erfolgt sein soll (persönlich an den Empfänger, an eine andere Person in dessen Haushalt oder Einwurf in den Hausbriefkasten), noch zu welcher Uhrzeit, unter welcher Adresse oder zumindest in welchem Zustellbezirk. Würde ein solcher Sendungsstatus, der auch die Person des Zustellers in keiner Weise kenntlich macht, für einen Anscheinsbeweis genügen, hätte der vermeintliche Empfänger der Sendung – anders als bei dem Einwurf eines Schreibens in den Hausbriefkasten durch einen Boten – praktisch keine Möglichkeit, ihn zu erschüttern oder gar einen Gegenbeweis anzutreten.

Das Arbeitsverhältnis besteht weiter

Folge war, dass die erste Kündigung wegen der Schwangerschaft nichtig und die zweite Kündigung als nicht zugestellt galt, was bedeutete, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG rund 2 ½ Jahre nach Einleitung des Kündigungsschutzverfahrens IMMER NOCH BESTAND und dadurch theoretisch extreme Nachforderungen der Mitarbeiterin ausgelöst wurden in sicher fünfstelligem Bereich.

Fazit: Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig der Nachweis für die Zustellung einer Kündigung ist, wenn nicht persönlich übergeben, sondern zugestellt werden soll. Ein einfaches Einschreiben ist völlig nutzlos, da es lediglich belegt, DASS man etwas abgeschickt hat, über die Zustellung an den Adressaten gibt es keinerlei Aufschluss. Wenn man partout die Post bemühen will, sollte man unbedingt darauf achten, die vom BGH erwähnte Variante zu wählen.

Unsere Erfahrung

Wir werden auch immer mit der Frage konfrontiert, ob man „per Einschreiben“ kündigen solle. In der Praxis bewährt ist – soweit räumlich machbar – die Botenzustellung. Man beauftragt einen vertrauenswürdigen Mitarbeiter, das Kündigungsschreiben durchzulesen, zu bestätigen, dass es vom Arbeitgeber original unterschrieben ist und es dann in einen Briefumschlag zu verbringen.

Anschließend wirft dieser Mitarbeiter das Kündigungsschreiben beim zu Kündigenden ein oder übergibt es an ihn persönlich. Ist der zu Kündigende nicht da, sollte man nicht an Familienangehörige übergeben, sondern stattdessen doch einwerfen. Anschließend macht der zustellende Mitarbeiter ein Handyfoto vom Briefkasten und notiert sich Tag und Uhrzeit der Zustellung. Damit hat der Arbeitgeber wirksam zugestellt.

Kleiner zusätzlicher Praxistipp: Möglichst vormittags zustellen, dann gilt das Schreiben auch an diesem Tag als zugegangen, was manchmal wichtig ist, vor allem, wenn am Monatsende gekündigt werden soll.

Unser Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Oberkirch 

Siehe auch hier:

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