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„Nie wieder still!”: Offenburg zeigt beim CSD 2025 Flagge für die Forderung nach Gleichstellung

© Pauline Schwarzwälder – Beim CSD Offenburg demonstrierten queere Menschen und Unterstützer für die Rechte der LGBTQIA+-Community
Beim CSD in Offenburg wurde unter dem Motto „Nie wieder still!“ nicht nur gefeiert, sondern lautstark für Gleichberechtigung demonstriert. Farbenfrohe Fahnen, stolze Stimmen und klare Botschaften machen deutlich: Queere Rechte sind Menschenrechte – jeden Tag. Der künftige CSD-Verein kämpft mit viel Herzblut für Sichtbarkeit. Trotz Bürokratie gelang es, ein starkes Zeichen zu setzen – für mehr Liebe, weniger Hass und eine buntere Gesellschaft – auch in Offenburg. Ein Interview mit Marcel Endres.

Von Pauline Schwarzwälder

Schallend rufen die Musik und Parolen des CSDs Unterstützerinnen und Unterstützer aus den Häusern. Gemeinsam verbreiten sie einen Aufruf für Gleichberechtigung, für Toleranz und für Liebe. Farbenfrohe Fahnen wehen im Wind, fröhliche Kinder winken von Balkonen und sich sichtlich frei fühlende Menschen singen und fordern Sichtbarkeit. Die Innenstadt an diesem Tag so bunt und laut zu erleben, wirft die Frage auf, ob sie nicht vorher vollends in schwarz-weiß gestrichen war.

Stattfindende Ungleichberechtigung

Dass der Pride Month im Juni die Aufmerksamkeit auf Problematiken wie Homophobie, Transphobie und Diskriminierung aller Art lenkt, bedeutet nämlich keinesfalls, dass nicht auch an jedem anderen Tag Ungleichberechtigung stattfindet. Der Christopher Street Day in Offenburg unter dem Motto „Nie wieder still!“ ist, wie jeder andere CSD auch, nicht nur eine Feier, die hart erkämpfte Rechte zelebriert, sondern auch und vor allem eine Demonstration für Gleichberechtigung aller Menschen. Es ist keine Minderheit, die sich hier versammelt, sondern eine große Gruppe von Aktivist*innen, die in erster Linie dafür einsteht, dass Hass niemals eine Meinung darstellt und die Freiheit einer Person nicht von ihrer Sexualität, ihrem Geschlecht, ihren Präferenzen, ihrer Herkunft oder Religion bestimmt werden sollte, sondern von dem bloßen und unverkennbaren Fakt, dass sie Mensch ist.

Unternehmen und Parteien bleiben weg

Auch in diesem Jahr, spüre ich die Kraft dieser Aussage in der Menschenmenge, die sich für sie einsetzt. Mir fällt auf, dass auch bei CSDs in der Umgebung die Präsenz von Unternehmen und Parteien im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich nachgelassen hat. Als wäre es plötzlich nicht mehr förderlich, ihr Image zu bewahren. Bis auf einen Stand der Partei „Die Linke Ortenau“ und vor allem der Linksjugend begegnen mir auf dem Weg durch Offenburgs Innenstadt keine Parteien, die Flagge zeigen. Allerdings scheint es der CSD Offenburg auch keineswegs nötig zu haben. Viele private Teilnehmer*innen folgen den Wägen zu einer lauten und bunten Karawane.

Interview mit Organisator*innen

Für die Organisation der Pride-Parade ist der zukünftige CSD-Verein Offenburg zuständig, dessen Vorstandsmitglieder*innen Marcel Endres und Leja Ghane dem Ortenau Journal freundlichst sämtliche Hintergrundinformationen zur Verfügung gestellt haben.

Ortenau Journal: Wie lange gibt es den CSD in Offenburg schon und wie ist die Umsetzung zustande gekommen?

Marcel Endres: Den CSD Offenburg gibt es seit 2024 und ist durch eine Zusammenarbeit der Linksjugend, Bunter Block Offenburg und Bunter Treff Lahr zustande gekommen. Für weitere Demos und Veranstaltungen wurde eigens ein CSD-Verein namens „Christopher Street Day (CSD) Offenburg e.V.“ gegründet. Die Vereinsgründung ist leider noch nicht abgeschlossen, vermutlich aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in den Behörden.

Ortenau Journal: Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Offenburg, lokalen Organisationen und anderen CSDs in der Region für den Erfolg des CSD Offenburg? Gibt es hier besondere Partnerschaften?

Marcel Endres: Eine Zusammenarbeit mit regionalen Organisatoren und der Stadt Offenburg ist sehr wichtig. Gerade in Bezug auf das Fest im Bürgerpark ist ein intensiver Austausch mit der Stadt unausweichlich, um alle Auflagen zu erfüllen. Da wir noch ein neuer, in Gründung befindlicher Verein sind, fangen wir gerade an, mit verschiedensten Organisationen zusammenzuarbeiten bzw. uns auszutauschen. Insbesondere auch mit anderen CSD-Organisationen wie z. B. der CSD Heilbronn oder auch CSD Deutschland. Noch haben wir keine besonderen Partnerschaften, sind aber stets im engen Austausch.

Ortenau Journal: Wie stellt das Team sicher, dass der CSD Offenburg inklusiv ist und die Vielfalt der LGBTQIA+-Gemeinschaft in Offenburg und Umgebung widerspiegelt?

Marcel Endres: Wir möchten den CSD 2025 und auch die zukünftigen inklusiv gestalten. Daher binden wir viele unterschiedliche Gruppierungen und Vereine mit ein, die entweder bei der Demo mitlaufen oder einen Infostand im Bürgerpark betreiben. Die Gruppierungen und Organisatoren sind vielfältig. Sei es für Transrechte, Queere Zentren, Schwule Wandergruppen, Puppy-Gruppierung oder auch für Gesundheitsthemen.

Ortenau Journal: Welche Rolle spielen Bildung und Aufklärung während des CSD, und gibt es spezielle Angebote oder Veranstaltungen, die darauf abzielen, Vorurteile abzubauen und Wissen zu vermitteln?

Marcel Endres: Durch die Demo wird viel für die Aufmerksamkeit für Queere Rechte getan, durch Plakate werden die Mitmenschen auf unsere Forderungen aufmerksam gemacht und im Bürgerpark haben alle dann die Möglichkeit sich an den Infoständen zu informieren und auch Aufklärungen zu bekommen. Auch durch verschiedene Redebeiträge, die auf der Bühne stattfinden, wird durch das Aufklären abgezielt, Vorurteile abzubauen und Wissen zu vermitteln. Auf der Bühne wird ebenfalls eine abwechslungsreiche Show stattfinden, die von verschiedenen Musik-Acts bis hin zu unterhaltsamen Drag-Shows reichen. Damit möchten wir jedem zeigen, dass queere Menschen keine Menschen sind, vor denen man sich fürchten muss. Vielmehr sind sie es wert, geschützt zu werden, da sie das Leben lieben und alle daran teilhaben lassen möchten.

Ortenau Journal: Mit welchen Schwierigkeiten oder Widerständen wird der CSD Offenburg konfrontiert, und wie geht ihr damit um?

Marcel Endres: Es ist natürlich nicht einfach, einen CSD zu organisieren. Durch bürokratische Hürden ist unsere Vereinsgründung noch nicht abgeschlossen, was sich durch die fehlenden Mitgliedsbeiträge in der Finanzierung bemerkbar macht. Wir haben viele ehrenamtliche Unterstützer*innen und dennoch gleicht es an eine Herkules-Aufgabe, mit so wenigen Mitteln eine tolle Demo und ein tolles Fest zu gestalten. Wir sind auf private Spenden wie z. B. über Go Fund Me angewiesen und sind jedem Helfenden dankbar. Wir sind froh, dass wir hier in Offenburg weitestgehend mit offenen Armen empfangen werden. Es gibt leider CSD-Veranstaltungen die es schwerer haben, die offen kritisiert oder beleidigt werden, die teilweise durch Bedrohungen extrem gesichert oder sogar abgesagt werden müssen. Hier in Offenburg haben wir es bis jetzt nicht erlebt, auch wenn wir wissen, dass es nicht jedem gefällt und es bei einigen Mitmenschen nicht in die Ideologie passt, haben wir bisher nur positive Resonanzen bekommen und das macht uns sehr Stolz. Das zeigt: wir sind auf einen einen guten Weg.

Ortenau Journal: Was ist die wichtigste Botschaft, die ihr der Öffentlichkeit mitgeben möchtet, und wie kann jeder Einzelne dazu beitragen, diese Botschaft zu verbreiten und zu leben?

Marcel Endres: Unsere wichtigste Botschaft ist, dass Queere Rechte Menschenrechte. Wir möchten daher Sichtbarkeit schaffen. Der CSD ist die optimale Gelegenheit, diese Botschaft zu verbreiten und alle können mitmachen. Durch den Besuch des CSD zeigt man auch als nicht queere Person, dass unsere Belange wichtig sind. Wir würden uns auch wünschen, dass mehr Menschen Flagge zeigen. Es gibt für queere Menschen oftmals Situationen, in denen wir uns in unserer Sicherheit bedroht fühlen. Durch das zeigen einer Pride-Flagge z. B. als kleines Armband können wir uns sicherer fühlen, da wir wissen, wir sind nicht allein! Der CSD-Verein Offenburg erhofft sich durch die bestehenden Organisator*innen und dem in den Startlöchern stehenden Verein, künftig jedes Jahr eine CSD-Demonstration und Veranstaltung abzuhalten. Weiterhin wird eine breite Unterstützung benötigt, um gemeinsam für Gerechtigkeit einzustehen. Die Vielzahl an Besuchern, die auch die letzten zwei Jahre aktiv war, wird auch für kommende Veranstaltungen benötigt, um Flagge zu zeigen. Obwohl der CSD Offenburg in erster Linie ein regionaler CSD ist, bleibt es wichtig, Sichtbarkeit auch in Kleinstädten zu zeigen. Im letzten Jahr profitierte Offenburg unter anderem auch von der Unterstützung und den Besucher*innen umliegender Städte. Es wird deutlich, dass es sich hierbei um ein gemeinsames Projekt handelt. Aktivismus betrifft alle Menschen.

Kommentar

Für mich persönlich als Autorin dieses Beitrags ist der CSD Offenburg dieses Jahr sowie auch in 2024 eine ganz besondere Erfahrung gewesen. Morgens stehe ich noch vor dem Spiegel und überlege, wie ich mich selbst individuell ausdrücken möchte. Welches Kleidungsstück schreit am lautesten „Ich!”? Doch sobald ich am ZOB Offenburg, wo die Parade startet, angekommen bin, mischt sich mein Selbstausdruck mit ganz viel Gemeinschaftsgefühl. Hier sind alle Leute laut und vor allem stolz. Leider existiert viel Hass auf der Welt und oft fühlen sich Personen, besonders in Kleinstädten, nicht gesehen und verstanden. Aber bei Veranstaltungen wie dem CSD besteht diese Sichtbarkeit und das Verständnis. Es freut mich zu sehen, wie viele Menschen an solchen Tagen auf die Straße gehen und darauf aufmerksam machen, dass eben noch nicht alle gleichberechtigt sind. Wer sich raus hält, keine Meinung zu Menschenrechten hat, steht diesen aktiv im Weg. Repräsentation ist unglaublich wichtig und ich wünsche mir zutiefst, dass alle Menschen die Liebe und den Stolz spüren können, die der CSD ausstrahlt und einfordert.

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