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Designierter Ministerpräsident Manuel Hagel (CDU): „Wir sehen größere Übereinstimmungen mit SPD und FDP.“

Manuel Hagel und Wolfgang Huber
© Geraldine Zimpfer – CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel (links) und Chefredakteur Wolfgang Huber im Gespräch.
Mit dem Auftritt des CDU-Spitzenkandidaten Manuel Hagel in Stadelhofen gewinnt der Wahlkampf im Wahlkreis Kehl spürbar an Dynamik. In einem ausführlichen Gespräch nach seiner Rede erklärt der designierte Ministerpräsident von Baden-Württemberg, welche Koalitionen er für möglich hält, wie er Bürokratieabbau wirklich durchsetzen will und welche Maßnahmen er für mehr Wohnraum plant. Außerdem spricht er offen über die Stimmung im Land – und warum ihn die Ortenau immer wieder begeistert.
Von Wolfgang Huber

Mit dem Besuch von Manuel Hagel hat die CDU im Wahlkreis 52 Kehl die heiße Phase des Wahlkampfs eingeläutet. Der Spitzenkandidat der Christlichen und wahrscheinlich nächste Ministerpräsident von Baden-Württemberg sprach vor den zahlreichen Gästen in der Stadelhofener Renchtalhalle über seine politischen Schwerpunkt (Bericht folgt). Doch er sprach wohl nicht alle Punkte an, die die Menschen in Baden-Württemberg bewegen.

Bürokratieabbau konkret

Nach seiner Rede und dem Abspielen des Badener Lieds durch die Trachtenkapelle Stadelhofen trafen wir Manuel Hagel in der Trainer-Kabine zum Interview. Er erläutert seine Koalitionspräferenzen, erklärt, wie er Bürokratie konkret abbauen will und wie er für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen will. Außerdem spricht er über die miese Stimmung im Land und darüber, was der Staat überhaupt leisten kann. Und schließlich, warum er gerne in die Ortenau kommt.

Das Interview mit Manuel Hagel:

Ortenau Journal: Herr Hagel, Sie sind der designierte kommende Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Derzeit sieht es nach einer Neuauflage der grün-schwarzen Koalition aus, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Sehen Sie noch andere Konstellationen, die infrage kommen?

Manuel Hagel: Am 8. März haben die Wählerinnen und Wähler das Wort. Wir als CDU werden dann demütig das annehmen, was der Wähler gesprochen hat. Aber wir arbeiten dafür, dass wir zum einen stärkste Kraft werden, um Baden-Württemberg eine stabile, verlässliche und berechenbare Landesregierung zu geben, aber eben auch, damit wir mehrere Optionen haben. Weil das immer wertvoll ist für Koalitionsverträge. Und deshalb gibt es nicht nur die Option mit den Grünen. Es gibt, wenn man aktuelle Umfragen sieht, auch die Option der Deutschland-Koalition, also mit SPD und FDP. Und im Moment, wenn wir die Wahlprogramme so übereinanderlegen und uns die Frage stellen, wie wir mutig Politik machen können, die für Stabilität steht, aber auch für einen neuen Aufbruch, dann sehen wir mit der FDP und der SPD im Moment größere Übereinstimmungen.

Manuel Hagel (CDU)

Manuel Hagel (CDU) im Interview mit dem Ortenau Journal. Foto: Geraldine Zimpfer

Ortenau Journal: Schließen Sie eine Zusammenarbeit mit der AfD aus?

Manuel Hagel: Kategorisch!

Ortenau Journal: Die baden-württembergische Industrie mit ihren Hidden Champions steht erheblich unter Druck, die Zeit für Reformen drängt. Was können Sie sofort umsetzen, wenn Sie an der Regierung sind? Gibt es ein 100-Tage-Programm oder Ähnliches?

Manuel Hagel: Wir werden in unserer Klausur im Kloster Schöntal Ende Januar die ersten drei Monate beschreiben, was wir mit einer CDU-geführten Landesregierung sofort anpacken wollen. Für uns ist nur wichtig, weil die Kandidatinnen und Kandidaten der CDU alle aus der Kommunalpolitik kommen, dass wir nichts versprechen, was wir nicht halten können. Die Menschen im Land wissen, dass man sich auf die CDU verlassen kann und deshalb kündigen wir nur an, was wir halten können. Für uns hat es viel mit dem Thema Bürokratieabbau zu tun. Wir hören oft, dass das Land gar nicht zuständig ist, aber für über zwei Drittel der Verwaltungsvorgänge in der Organisation sind wir zuständig. Darum werden wir uns kümmern, dass schnell und spürbare Entlastungen für Industrie, für Mittelstand und für die Bürger in Baden-Württemberg folgen.

Ortenau Journal: Wie wollen Sie von der Ankündigung von Bürokratieabbau zum Handeln kommen? Also was können Sie da konkret angehen?

Manuel Hagel: Ich glaube, man redet von Bürokratieabbau schon länger, als ich alt bin. Und deshalb sind wir davon überzeugt, dass wir nicht immer nur die alten Antworten wiederholen sollten, sondern mutig neue Dinge wagen. Wir wollen ein Goldplating-Verbot. Das heißt, dass nur wenn eine Regelung von Europa oder vom Bund kommt, dass die in Baden-Württemberg eins zu eins so umgesetzt wird und nicht immer noch eine Schippe drauf gelegt wird. Wir wollen ein Bürokratie-Moratorium, dass nichts Neues mehr reguliert wird für unsere Wirtschaft. Drittens wollen wir ein Verfallsdatum für jede neue Norm, dass jede neue Norm in Baden-Württemberg nach drei, fünf, sieben oder neun Jahren automatisch außer Kraft geht. Dann schauen wir uns an, ob die Norm ihr Ziel erreicht hat. Gibt es eigentlich das Problem noch, das diese Norm regeln wollte? Nicht derjenige, der etwas abschaffen möchte, muss eine Mehrheit dafür finden, sondern der, der es wieder einführen möchte, muss eine Mehrheit dafür finden. Und wir als CDU sind bereit, dass wir sagen, one in, two out. Das heißt, dass Landtag und Landesregierung nur dann noch eine neue Norm erlassen können, wenn sie mindestens zwei bestehende Normen im gleichen Rechtskreis abschaffen. Mit diesen drei Maßnahmen können wir glaube ich ganz konkret im Land Schwung in die Sache bekommen. Da brauchen wir kein Europa und keinen Bund, da können wir uns auf uns selbst verlassen. Und allein die Maßnahmen wären es wert, zügig angegangen zu werden.

Ortenau Journal: Für den Zuzug von Fachkräften werden Wohnungen benötigt. Bezahlbarer Wohnraum ist jedoch so gut wie nirgends mehr vorhanden. Das ist Gift für den Wirtschaftsstandort. Wie wollen Sie das Problem angehen?

Manuel Hagel: Wenn wir über Fach- und Arbeitskräfte reden, werden wir natürlich Zuzug in unser Land brauchen. Aber wir sehen im Moment massenhaft Entlassungen im Automotive-Bereich und in der Industrie. Wir sehen es bei ganz vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, wo es nicht jeden Tag in der Zeitung steht. Für uns als CDU haben die Menschen hier bei uns im Land in der Frage hohe Bedeutung, weil wir nicht wollen, dass die Menschen in Arbeitslosigkeit geraten und die Unternehmen in Insolvenz. Wir wollen jetzt eine Brücke bauen hin zu neuer Beschäftigung und neuer Produktivität. Das Thema Wohnraum hat viel mit Deregulierung und Standardabbau zu tun. In Österreich haben wir bürokratiebedingte Baunebenkosten von über 20 Prozent haben. Bei uns sind es unter 10. Das heißt, die Absenkung von Baustandards, was den Brandschutz angeht und vieles mehr, wird sehr schnell ganz konkrete Auswirkungen haben. Wir wollen die Grunderwerbsteuer auf 3,5 Prozent absenken für den Ersterwerb, wenn Familien sich zum ersten Mal Wohneigentum erwirtschaften. Und wir wollen eine degressive Abschreibung für jene, die Wohnraum schaffen. Sie sollen 10 Prozent in den ersten fünf Jahren abschreiben können. Das sind wirtschaftspolitische Maßnahmen, und da sind wir uns mit der Bauwirtschaft im Land einig, dass das schnell zu einer konjunkturellen Belebung in Baden-Württemberg führen wird. Für diese Maßnahmen krempeln wir jetzt die Arme hoch, dass aus unseren Überzeugungen dann auch eine Mehrheit wird. Dass es umgesetzt werden kann.

Manuel Hagel und Wolfgang Huber

Manuel Hagel (CDU): „Politik muss auch auf Empfang gehen und zuhören.“ Foto: Geraldine Zimpfer

Ortenau Journal: Die Stimmung im Land ist schlecht. Ist die Stimmung schlechter als der tatsächliche Zustand des Landes? Wie sehen Sie das?

Manuel Hagel: Wir leben in einem tollen Land. Und dieses Land ist es auch wert, dass wir uns für es einsetzen. Schauen Sie, ich komme so viel herum im ganzen Land. Meine Überzeugung ist, dass man den Menschen deutlich mehr Wahrheit zumuten kann, als es vielleicht manche glauben. Deshalb setzt unsere Politik nicht darauf, immer nur so zu kommunizieren, dass man eine möglichst gute Schlagzeile produziert. Sondern für uns ist die Lebenswirklichkeit der Menschen wichtig. Deshalb müssen wir die Lage beschreiben, wie sie ist. Weil die Menschen alles spüren. Wir müssen dann eben eine Politik machen, mit der wir weder aus der Situation rauskommen. Die schlechte Nachricht ist, dass alle unsere Probleme hausgemacht sind. Die gute Nachricht ist, dass die meisten unserer Probleme hausgemacht sind. Deshalb können wir es wieder in den Griff bekommen, wenn wir bereit sind, uns auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren. Für uns heißt das Wirtschaftspolitik, Sicherheitspolitik und mutige Bildungspolitik.

Ortenau Journal: Okay, noch schnell zwei Fragen. Die Liste Ihrer Vorhaben ist lang. Förderung von Bildung, Wissenschaft, Klimaneutralität, Stärkung des Sicherheitsapparats etc. etc. Wie wollen Sie den Spagat zwischen Zukunftsfähigkeit und knapper Kassen bewältigen? Es fehlt ja überall an Geld.

Manuel Hagel: Unser Staat hat nicht zu wenig Geld. Seit der Gründung der Republik sind die Steuereinnahmen von Jahr zu Jahr gestiegen. Unser Problem entstand dadurch, dass die Ansprüche immer größer geworden sind, als es der finanzielle Rahmen hergegeben hat. Deshalb muss der Staat mit dem Geld auskommen, das ihm die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung stellen. Wir haben in den letzten 10, 15 Jahren ein staatliches Leistungsversprechen abgegeben, was der Staat als Einzelinteresse für jeden regelt. Das unser Gemeinwesen jetzt auf nahezu jeder Ebene beginnt, dysfunktional werden zu lassen. Weil nicht noch so viel Geld, nicht noch so viele Stellen dazu führen werden, dass wir diese Ansprüche erfüllen. Deshalb geht es um Fokussierung, dass wir uns auf das Wichtige konzentrieren, was der Staat leisten muss. Nicht alles wird der Staat auch in Zukunft leisten können. Diese Fokussierung, diese Konzentration, dieser wache Blick aufs Land ist für uns entscheidend, dass wir aus der politischen Mitte heraus eine Politik machen für ein Land, das einfach funktioniert.

Ortenau Journal: Auf der Webseite des CDU-Landesverbands schreiben Sie, dass Sie die Bereitschaft zuzuhören und sich in die Haltung des Gegenübers hineinzuversetzen, für unerlässlich halten. Können Sie diese Bereitschaft in der Bevölkerung noch ausreichend spüren? Es gibt ja diese, sagen wir mal, Spaltung im Land.

Manuel Hagel: Absolut. Als CDU ist unsere Vorstellung, dass Politik nicht den ganzen Tag nur auf Sendung ist und redet, sondern auch auf Empfang geht und zuhört. Und genau das lernen Sie in der Kommunalpolitik. Wir haben bei der CDU keinen einzigen Kandidaten, der nicht in der Kommunalpolitik aktiv war. Ich bin seit bald 20 Jahren bald Gemeinderat und seit vielen Jahren Kreisrat. Und Erwin Teufel hat mal gesagt, Landespolitik ist fast immer wie Kommunalpolitik und fast nie wie Bundespolitik. Und je länger ich Landespolitik mache – bald 10 Jahre – weiß ich, wie recht er hat. Und deshalb ist Landespolitik immer dann richtig, wenn sie die Kommunen, die Menschen in den Fokus nimmt. Und genau das ist unsere DNA als CDU. Die Grünen beschreiben das manchmal als langweilig. Aber es ist eine ganz tragende Säule für die Landespolitik in Baden-Württemberg. Und dieser Blick auf die ganz normalen Leute, das macht uns als CDU einfacher aus.

Ortenau Journal: Wir haben ja hier in der Ortenau so ziemlich die meisten Sonnenstunden in der Republik. Wie ist es in Ehingen? Ist da auch viel Sonne?

Manuel Hagel: Wir liegen direkt an der Donau. Das, was Sie als Sonne haben, haben wir als Nebel. Darum bin ich so gern bei Ihnen.

Siehe auch hier:

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