Kolumne

Eine liebevolle Betrachtung über zwei Luxus-Automaten in Lahr, Elsterjagd und warme Suppe in kalten Zeiten

Café Winter Advent
© KI / Andreas Peter Geng – Der Kolumnist befasst sich heute mit dem Teilen von Kaffee und zwei Maschinen in Lahr.
Während in Lahr zwei neue Kaffeemaschinen für 30.800 Euro perfekte Cappuccinos liefern, ringen Bürger mit Steuerbescheiden für ihre Genossenschaftsanteile und freuen sich über eine warme Suppe am Marktplatz. Zwischen Luxus, Bürokratie und echter Menschlichkeit stellt sich die Frage, welche Prioritäten wir als Gesellschaft setzen – und was Teilen heute bedeutet. Eine liebevolle, kritische November-Betrachtung über Balance, Wertschätzung und die Kunst des Teilens, die uns 2025 verbinden.
Von Andreas Peter Geng

Stellen Sie sich vor, St. Martin reitet heute durch Lahr. Nicht auf einem Schimmel, sondern im Dienstwagen. Am Rathaus angekommen, würde er seinen Mantel nicht teilen – er würde erst mal einen Kaffee trinken. Aus einer der beiden neuen Maschinen. Doppelter Cappuccino, Hafermilch, extra Schaum. Immerhin: Der Kaffee kostet jetzt was für Mitarbeiter. 50 Cent o. Ä. Das wäre St. Martin recht.

In wenigen Jahren amortisiert

Bleiben Sie bei mir, ich möchte heute liebevoll, aber ehrlich über unsere Prioritäten nachdenken: Seit Mai stehen in Lahr zwei Kaffeemaschinen – eine vor dem Gemeinderatssaal (13.400 €), eine in der Mehrzweckhalle im Bürgerpark (17.400 € mit Rollcontainer). Die Stadt sagt, sie amortisieren sich in weniger als drei Jahren. Der Hausmeister muss keinen Kaffee mehr kochen. Kein Kaffee steht mehr stundenlang rum. Alles vernünftige Argumente.

Und trotzdem…Von Bohnen und Bürgern 30.800 €

Das ist viel Geld. Und wenig Geld zugleich. Für die Stadtverwaltung: „Peanuts“ im Millionen-Haushalt. Für den Rentner, der seine Genossenschaftsanteile versteuern soll: Ein Vermögen. Für den Obdachlosen, der sich über warme Suppe freut: unvorstellbar. Die Stadt argumentiert sachlich: „Nutzungen mit repräsentativem Charakter bzw. für Externe.“ Verstehe ich. Wirklich. Wenn der Ministerpräsident kommt, soll er keinen abgestandenen Filterkaffee bekommen.

Eine liebevolle Randnotiz: Ich mag auch guten Kaffee. Sehr sogar. In meinen zehn Jahren in Sizilien habe ich gelernt, dass Kaffee mehr ist als ein Getränk – es ist Kultur, Kommunikation, Gemeinschaft. Insofern: Respekt vor gutem Kaffee!

Die digitale Elster pickt

Während in Lahr der Kaffee nun perfekt aus der Maschine fließt, macht das Finanzamt – auch in Lahr – Jagd auf Genossenschafter. Die ELSTER, diese digitale Steuererklärung, behandelt plötzlich jeden kleinen Volksbank-Anteilseigner wie einen Großkapitalisten. Verstehen Sie mich nicht falsch: Steuern sind wichtig. Ohne sie keine Straßen, keine Schulen, keine Kaffeemaschinen im Rathaus. Aber wenn ein System die Kleinen jagt, während die Großen durch Steueroasen schlüpfen, stimmt die Balance nicht mehr.‘ N Sicilia, si dici: „Cu avi dinari, avi raggiuni“ (In Sizilien sagt man: „Wer Geld hat, hat recht“). Aber muss das so sein? Auch bei uns?

Die Suppe der Hoffnung

Und dann sehe ich sie: Die ehrenamtlichen Helfer, die Suppe verteilen. Warm, nahrhaft, kostenlos. Keine 30.800 € teuren Maschinen. Ein einfacher Gaskocher, große Töpfe, viel Herz. Neulich am Lahrer Marktplatz: Menschen aller Schichten stehen zusammen, löffeln Linsensuppe. Der Anzugträger, der gerade seinen Job verloren hat. Die Studentin, bei der’s am Monatsende knapp wird. Die Rentnerin, die sich zwischen Medikamenten und Essen entscheiden muss. Das ist St. Martin heute. Nicht der geteilte Mantel, sondern die geteilte Suppe.

„Was brauchen wir wirklich?“

Der junge Bürgermeister in Kappel-Grafenhausen regiert seit März 2024. Philipp Klotz – bei seinem Amtsantritt mit 26 Jahren war er kurzzeitig Deutschlands jüngster hauptamtlicher Bürgermeister. Jung, pragmatisch, bürgernah. Was würde er zu den Kaffeemaschinen sagen? Ich weiß es nicht.Aber ich stelle mir vor, er würde pragmatisch rechnen: Was brauchen wir wirklich? Was ist nice-to-have? Was können wir uns leisten? Die Jugend denkt oft anders über Prioritäten. Nicht schlechter, nicht besser. Anders.

Eine Rechnung mit Herz

Rechnen wir mal liebevoll: 30.800 € geteilt durch 365 Tage = 84 € täglich. Dafür könnten täglich 20 Menschen eine warme Mahlzeit bekommen. Oder 10 Genossenschafter Hilfe beim Steuerberater – grins. Oder ein Jugendprojekt ein Jahr lang laufen. Aber auch: Hunderte Gäste der Stadt bekommen würdigen Kaffee. Der Hausmeister hat mehr Zeit für wichtigere Aufgaben. Weniger Verschwendung durch alten Kaffee. Beides hat seine Berechtigung.

Den Kaffee teilen

Es geht nicht um Entweder-Oder. Es geht um die Balance. St. Martin 2025: Was würde St. Martin heute tun? Ich glaube, er würde die Kaffeemaschinen nicht verteufeln. Er würde sie nutzen – und den Kaffee teilen. Mit allen. Dem Oberbürgermeister und dem Obdachlosen. Der Gemeinderätin und der Genossenschafterin. Er würde sagen: „Guter Kaffee für alle – aber nicht nur für die, die’s sich leisten können.“ Er würde vorschlagen: Einmal im Monat „Kaffee für alle“ im Rathaus. Bürger treffen Verwaltung. Bei richtig gutem Kaffee. Aus den teuren Maschinen. Gespräche entstehen. Verständnis wächst.

Die liebevolle Pointe

Am Ende ist es nicht die Kaffeemaschine, die das Problem ist. Es ist unsere Art, übereinander statt miteinander zu reden. Die einen schimpfen über Verschwendung, ohne die Argumente der anderen zu hören. Die anderen rechtfertigen Ausgaben, ohne die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen. Mein Vorschlag für 2026: Lasst uns zusammen Kaffee trinken. Aus den 30.800 €-Maschinen.

Es geht um das Teilen

Und dabei über das reden, was wirklich wichtig ist: Wie schaffen wir eine Gemeinschaft, in der sich alle gesehen fühlen? Die Verwaltung, die hart arbeitet. Die Bürger, die Steuern zahlen. Die Bedürftigen, die Hilfe brauchen. Denn am Ende – und das wusste schon St. Martin – geht es nicht darum, was wir haben. Sondern darum, wie wir teilen. In diesem Sinne: Besinnliche Adventstage, Lahr. Möge der Kaffee stark, die Suppe warm und die Herzen offen sein.

Siehe auch hier:

Wie wir wohnen lernten: Von der Schwarzwaldstube zum Tiny House – 800 Jahre Wohnkultur im Eurodistrikt

BA Immobilien

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