Huschke Mau liest im Rahmen der Sonderausstellung „gesichtslos“ aus ihrem Buch „Entmenschlicht – Warum wir Prostitution abschaffen müssen“. Die Autorin, Geisteswissenschaftlerin und Aktivistin bricht mit gängigen Auffassungen rund um „Sexarbeit“. Sie legt die Realität eines Systems offen, das auf Ungleichheit, Armut, männlicher Dominanz und der sexuellen Verfügbarkeit von Frauen basiert. Die Lesung findet am Dienstag, 25. November, 19 Uhr, im Salmen statt.
Interview mit Huschke Mau
Marie-Christine Gabriel: Frau Mau, was hat Sie bewogen „Entmenschlicht – Warum wir Prostitution abschaffen müssen“ zu schreiben?
Huschke Mau: Nach meinem Ausstieg aus der Prostitution habe ich lange geschwiegen, auch, um mir Berufsoptionen durch mein abgeschlossenes Studium nicht zu vermasseln. Es hat mich aber unfassbar wütend gemacht, wie gesellschaftlich über Prostitution gesprochen wird: mit einer Verachtung gegenüber den Frauen, einer schmierig-süffisanten Art und einem großen Verständnis für Freier sowie einer völligen Verkennung der Tatsache, dass es sich bei Prostitution um Gewalt gegen Frauen handelt. Daraufhin habe ich begonnen, Texte über Prostitution zu schreiben, Interviews zu geben und öffentlich Vorträge zu halten. Mir ist dann aufgefallen, dass viele Menschen ein Bild von Prostitution haben, das durch die Medien komplett verzerrt wurde. Das wollte ich richtigstellen. Menschen müssen hinschauen, was da in der Prostitution passiert. Außerdem fiel mir auf, dass mir immer dieselben Fragen gestellt wurden, und diese wollte ich ein für alle mal beantworten. Ich wollte ein Buch schreiben, das die Menschen mit dem Herz verstehen, aber auch eins, das ihnen sämtliche Fragen zum Thema beantwortet und ihnen Argumente an die Hand gibt!
Marie-Christine Gabriel: Was bedeutet es für Sie, dass Sie, in der Freiheitsstadt Offenburg, am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen lesen?
Huschke Mau: Das ist natürlich genau der passende Tag, um öffentlich über Prostitution zu sprechen, denn Prostitution ist ja Gewalt gegen Frauen, und sie geschieht massenweise: Allein in Deutschland hat jeder vierte Mann schon mal für Sex bezahlt. Wie viele Frauen – Frauen mit traumatischer Vergangenheit, gemenschenhandelte Frauen, Frauen aus Kriegs- und Krisengebieten und den ärmsten Ländern Europas – hierzulande ausgebeutet werden, darüber haben wir nicht mal einen Überblick.
Marie-Christine Gabriel: Sie betonen, dass Prostitution kein Beruf wie jeder andere ist, sondern ein Symptom patriarchaler Gewalt. Inwiefern?
Huschke Mau: Prostitution hat überhaupt nichts mit sexueller Befreiung zu tun. Sex ist keine Ware. Verökonomisierte Sexualität ist den Marktbedingungen unterworfen und damit niemals frei. Hinzu kommt, dass Prostitution völlig altbackene Vorstellung von Frauen, Männern und Sexualität zementiert: Was die Frau will, ist egal, sie hat abzuliefern, der Mann sagt, wann, wo und wie, und er hat die finanzielle Macht. Der Kern meiner Kritik betrifft aber unsere Vorstellung von sexuellem Konsens. Kein Mann kann sich sicher sein, dass die Frau, die er im Bordell vorfindet, das freiwillig macht. Er muss damit rechnen, dass sie gezwungen wird, dass sie den Sex nicht will. Trotzdem zieht der Freier das durch. Freier sind Männer, denen egal ist, ob die Frauen, die sie gerade im Bett haben, den Sex wirklich wollen. Und das ist eine sehr problematische Denkweise, die sie übrigens auch nicht ablegen, sobald sie das Bordell wieder verlassen.

Huschke Mau: „Was die Frau will, ist egal. Sie hat abzuliefern.“ Foto: ASphotofamily/freepik
Marie-Christine Gabriel: Damit wäre das ein Thema für die gesamte Gesellschaft?
Huschke Mau: Absolut. Es ist nicht nur eine erhebliche Menschenrechtsverletzung, die in Deutschland massenweise geschieht, sondern Prostitution betrifft jede Frau. Denn jede Frau hat, ob sie es weiß oder nicht, schon mal mit Freiern zu tun gehabt. Wenn jeder vierte Mann schon mal für Sex gezahlt hat, sind das wirklich so einige! Möchten Sie Umgang mit Männern haben, denen egal ist, ob die Frau den Sex will oder nicht? Möchten Sie diese Männer als Ihre Chefs haben, als Ihre Partner, möchten Sie Ihnen im Bett oder nachts auf der Straße begegnen?
Marie-Christine Gabriel: Sie verbinden Ihre Gesellschaftsanalyse mit einem feministischen Appell: für eine Welt, in der Frauenkörper nicht zur Ware gemacht werden. Wie könnte der Weg dahin aussehen?
Huschke Mau: Der Weg zu einer Welt ohne Prostitution geht auf jeden Fall über das Nordische Modell. Das wurde zum ersten Mal 1999 in Schweden eingeführt. Freier werden bestraft, aber den Frauen in der Prostitution wird geholfen. Die Gesellschaft einigt sich darauf, dass Frauen keine Ware sind, und dass Prostitution als Gewalt anzuerkennen ist. Die Folgen sind durchweg positiv: weniger Zwangsprostitution und Menschenhandel und mehr Gleichstellung.
Über das Buch:
In „Entmenschlicht“ zeigt Huschke Mau, warum Prostitution nicht emanzipatorisch ist – sondern eine der ältesten Formen patriarchaler Gewalt. Sie beschreibt, wie das System Prostitution vor allem von Männern für Männer gemacht ist und warum echte Gleichstellung nur erreicht werden kann, wenn wir den Verkauf von sexuellen Handlungen nicht weiter normalisieren. Im Rahmen der Ausstellung „gesichtslos“ im Museum im Ritterhaus unterstützt Huschke Mau die kritische Auseinandersetzung mit dem Prostitutionssystem in Deutschland und beschreibt, warum ein Verbot von Sexkauf ein Fortschritt für die Gleichstellung und die Gewaltprävention wäre.
„Entmenschlicht“ – Warum wir Prostitution abschaffen müssen – Lesung und Gespräch mit Huschke Mau
Termin: Dienstag, 25. November, 19 Uhr
Ort: Der Salmen, Lange Straße 52, 77652 Offenburgs
Eintritt: Vorverkauf in Salmen und Museum: 9 € /7 € ermäßigt; Abendkasse 11 € /9 € ermäßigt.
Diese Veranstaltung begleitet die Sonderausstellung „gesichtslos“, die vom 15. November bis zum 22. März 2026 im Museum im Ritterhaus gezeigt wird.
Das könnte dich auch interessieren:
Rainers Glosse #8: Am 7. November eröffnet die große Schau über Josef Beuys – „Bewohnte Mythen“