Polit-Splitter Ortenau

Polit-Splitter Ortenau: Brücken, Bildung, Baumkritik – das sind die Themen in der Ortenauer Politikerszene

Kreisvorstand Junge Liberale
© Julis Ortenau – Der neue, männerlastige Kreisvorstand der Jungen Liberalen Ortenau mit Ann-Kathrin Stulz an der Spitze.
Von Brückensanierungen bis Baumrettung, von Wohnungspolitik bis Teilzeitausbildung – im neuen „Polit-Splitter Ortenau“ (Folge 4) geht es wieder quer durch die politische Landschaft des Landkreises. Wolfgang Huber fasst zusammen, was in den vergangenen Tagen und Wochen in der Szene passiert ist: Grüne und CDU freuen sich über neue Fördergelder, die Linke kämpft gegen soziale Kälte, die JuLis wählen jung und entschlossen – und ein satirischer Brief sorgt für ein Augenzwinkern in Offenburg.
Von Wolfgang Huber

Aufgrund der Fülle an Presseinformationen, die uns im Laufe der Zeit erreichen auf der einen Seite, und der begrenzten zeitlichen und personellen Ressourcen beim Ortenau Journal auf der anderen Seite, haben wir im September ein neues Format gestartet, das kompakt und mit einem Augenzwinkern über politische Entwicklungen in der Region informiert und einen Überblick über die wichtigsten Personalien und Themen aus der politischen Szene des Kreises zusammen.

Sanierung von Brücken

Grund zur Freude gab es dieser Tage bei den beiden Landtagsabgeordneten Bernd Mettenleiter (Grüne) und Willi Stächele (CDU). Und der Grund war ein praktischer wie auch wegweisender. So hat die Landesregierung Baden-Württemberg Im Rahmen des Brückenerhaltungsprogramms 2030 die Sanierung von 176 Brücken angekündigt. Darunter auch sechs im Wahlkreis von Mettenleiter und Stächele, Kehl-Oberkirch. Viel wurde in den vergangenen Monaten von der maroden Infrastruktur gesprochen, die dringend saniert werden müsste. Nun hat das Verkehrsministerium per Sammelvergabe den Weg dafür frei gemacht.

Erhalt vor Neubau

Zu den Objekten gehören die Überführung der Bundesstraße über die L87a in Achern, die Brücke der L89 über die Rench und die der B28 über die Kinzig bei Kehl. „Das ist eine großartige Nachricht!“, soll sich Bernd Mettenleiter gefreut haben, zumal auch die Wehr- und Kinzigbrücken in Willstätt (L91) dabei sind. „Erhalt und Modernisierung haben für uns Vorrang vor Aus- und Neubau. Es ist daher richtig und konsequent, dass die Landesregierung die Brücken nun priorisiert und einen klaren Fahrplan vorgelegt hat.“

Bernd Mettenleiter

Bernd Mettenleiter (Grüne) freut sich über Brückensanierungen. Foto: 

„Sperrungen vermeiden“

Auch sein Kollege Willi Stächele begrüßt das Brückensanierungsprogramm: „Brücken sind zentrale Bestandteile unseres Straßennetzes. Nun gelte es, Sperrungen und verkehrseinschränkende Maßnahmen möglichst zu vermeiden“, so der ehemalige Minister. Insgesamt plant das Verkehrsministerium die Modernisierung von rund 630 Brücken bis zum Jahr 2036.

Kurzvortrag mitsamt Workshop

Das die Politik an sich schon wichtige Fragen behandelt, zeigte am vergangenen Freitag die Partei Die Linke Ortenau. Sie lud zusammen mit der Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg Interessierte unter dem Motto „Wohnen muss bezahlbar sein!“ zu einem Kurzvortrag mitsamt Workshop der Bundestagsabgeordneten Sahra Mirow, Obfrau im Wohnauschuss des Bundestages. Man (und Frau) wollte einen kritischen Blick auf die Sozialpolitik der Bundesregierung werfen. Ein Ansinnen, das man den Linken nicht verübeln kann.

Kritik an der Profitlogik

Was in der Pflege gilt, gilt auch in der Wohnungspolitik: Keine Profite auf Kosten der Qualität bzw. Bezahlbarkeit. Somit kritisiert die Landesarmutskonferenz die Profitlogik auf dem Wohnungsmarkt: „Wohnen ist ein Menschenrecht und darf keine Ware sein“ sagte demnach Roland Saurer, Sprecher der Landesarmutskonferenz.

„Ausreichend Wohnraum für jeden Bedarf“

Von Amelie Vollmer, Kreissprecherin der Linken Ortenau und Spitzenkandidatin der Linken Baden-Württemberg zur Landtagswahl, wurden folgende Worte überliefert: „Die Krise am Wohnungsmarkt in Baden-Württemberg spitzt sich zu. Wir wollen den Immobilienhaien das Handwerk legen, damit ausreichend Wohnraum für jeden Bedarf zur Verfügung steht und sich die Menschen diesen auch leisten können“.

Amelie Vollmer (Die Linke)

Amelie Vollmer (Die Linke) will Immobilienhaien das Handwerk legen. Foto: Amelie Vollmer 

Sondervermögen gefordert

Die Linke Baden-Württemberg fordert denn auch ein Sondervermögen für Soziales Wohnen. Um dieser Forderung Ausdruck zu verleihen, gab es am Morgen des selben Tages eine Kundgebung für bezahlbaren Wohnraum am Rathausplatz Offenburg. Passend zum Wetter und der Stimmung im Land gab es „warmen Punsch gegen soziale Kälte.“

Diplomat sprach über Ukraine-Krieg

Die Grünen Ortenau taten jüngst wieder genau das, was Grüne am liebsten tun: Über Krieg reden. Beim ersten Ortenautreff des Kreisverbands der Öko-Partei sprach also unter dem Titel „Russland und die Ukraine aus Sicht der deutschen Diplomatie“ der frühere deutsche Diplomat Wolfgang Mössinger. Er berichtete aus seiner Zeit in der Ostukraine und in Russland. Ausgehend von der ursprünglich auf Moskau ausgerichteten Politik des Auswärtigen Amts, sei Deutschland der Unabhängigkeit der Ukraine zunächst mit Skepsis begegnet und habe sich erst langsam vom russischen Narrativ gelöst, dass die Ukraine keine eigenständige Geschichte habe.

Gegensätzliche Entwicklungen

Die jüngeren Generationen in der Ukraine hätten den oft unterschätzten Wunsch nach Abkehr von Russland und nach Zugehörigkeit zum Westen, so Mössinger, der beiden Gesellschaften gegensätzlich Entwicklungen attestierte. Der Ex-Diplomat sieht demnach eine Auseinandersetzung zwischen Autokratie und Imperialismus auf der einen und Demokratie und Völkerrecht auf der anderen.

Hybridformen überall

Dazu fällt mir der Facebook-Kommentar des EU-Parlamentariers und Satirikers Martin Sonneborn (Die Partei) ein: „Wir Fachleute sprechen nicht mehr von Autokratien auf der einen und Demokratien auf der anderen Seite, sondern von Hybridformen aus beidem. Sowohl im Westen wie im Rest der Welt.“

Video mit Wolfgang Mössinger:

„Auf Augenhöhe verhandeln“

Mössinger jedenfalls rief die westlichen Regierungen dazu auf, die Ukraine zu befähigen, mit Russland auf Augenhöhe verhandeln zu können und einen möglichen Waffenstillstand abzusichern, wie es in der entsprechenden Pressemitteilung weiter heißt. Die Grünen seien dabei die einzige Partei, die sich ohne Wenn und Aber dazu bekennen. Womit wir wieder beim Anfang des Textes wären. Die Kreisvorsitzender Lena Mohr freute sich nämlich über eine große Resonanz beim Publikum. Der Ortenautreff soll künftig monatlich jeweils irgendwo im Ortenaukreis stattfinden. Termine und Themen gibt es hier: https://gruene-ortenau.de/events/.

„Die Zukunft selbst in die Hand nehmen“

Weitaus jünger als beim Kriegs-Talk der Grünen dürfte das Publikum bei der Kreisversammlung der Jungen Liberalen Ortenau in Renchen am Wochenende gewesen sein. Die Kreisvorsitzende Ann-Kathrin Stulz habe bei der Eröffnung festgestellt: „Wenn ich mich heute hier so umschaue, sehe ich vor allem eines: Junge Menschen, die nicht einfach nur zuschauen, was Politik mit ihrer Zukunft macht, sondern die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Denn wo junge Menschen mitreden, wird Politik besser.“

Glaubwürdiges Engagement

Anschließend schritt man zur Tat und wählte die 22-jährige Stulz bereits zum vierten Mal. „Kreisvorsitzende der JuLis Ortenau zu sein, ist für mich nicht nur ein Amt – es ist für mich eine Herzensaufgabe“, soll die Durbächerin daraufhin gesagt haben. Klingt durchaus glaubwürdig, wenn man ihr Engagement zugrunde legt, mit der sie sich für die Belange der Freiheit einsetzt. Wenn nur die Finanzpolitik der Liberalen nicht wäre.

Ann-Kathrin Stulz (FDP)

Ann-Kathrin Stulz genießt hohes Vertrauen in der FDP. Foto: Ann-Kathrin Stulz

Weitere Neuwahlen des Vorstands

Es folgte die Wahl von Justin Behrendt (26 Jahre, Schwanau) als Stellvertreter für Finanzen, während für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit weiterhin Hakan Akin (24 Jahre, Gengenbach) verantwortlich zeichnet. Der Stellvertreter für Programmatik wurde erstmals Dominik Voicu (24 Jahre, Kehl) und der Oberkircher Philipp Kimmig (24 Jahre) kümmert sich fortan um die Organisation. Als Beisitzer stehen dem Vorstand wie bisher Benedikt Zwetkow (22Jahre, Offenburg), Niklas Herr (19 Jahre, Lahr), Steven Müller (26 Jahre, Kehl) und Tim Lanz (28 Jahre) zur Seite. Was ist daran auffällig? Richtig: Es scheint keine Frauenquote zu geben. Die Julis Ortenau haben ein eklatantes Frauendefizit.

Gemeinsame Pressemitteilungen II

Wie in Stuttgart, so auch in der Ortenau, dachten sich wohl Bernd Mettenleiter und Willi Stächele (zur Erinnerung: das sind die beiden Herren vom Anfang dieses Beitrags). Sie veröffentlichen analog zur derzeitigen Landtagskoalition ihre Pressemitteilungen offenbar nun gemeinsam. Jedenfalls freuten sie sich diesmal über die 610.000 Euro, mit denen das Land den Verein IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit in der Erzdiözese Freiburg e. V. unterstützt, der im Ortenaukreis sowie weiteren Kreisen mit dem Projekt „AB jetzt! V – Erziehende und Pflegende starten mit Teilzeit in den Beruf“ eine Berufsausbildung in Teilzeit ermögliche.

Teilzeitausbildung für mehr Chancen

„Die Teilzeitausbildung ermöglicht jungen Familien die Vereinbarkeit von Qualifizierung und Care-Arbeit“, wird Mettenleiter zitiert, der auch Sprecher für berufliche Bildung der grünen Landtagsfraktion ist. Und weiter: „Dieses Modell schafft seit zehn Jahren Chancen für viele Menschen und schützt aktiv vor Arbeitslosigkeit.“ Auch Willi Stächele (CDU) ist demnach von der Teilzeitausbildung überzeugt: „Mit dem Programm schaffen es viele Unternehmen, auch Ausbildungsplätze zu besetzen, die sonst nicht vergeben wurden. Es ist eine Win-Win-Situation und sichert die Fachkräfteversorgung von morgen.“

Altenpflege

Die Teilzeitausbildung könnte dem Pflegebereich zugute kommen. Foto: DC Studio/freepik

Vier Millionen Euro stehen bereit

Gedacht ist die Teilzeitausbildung vor allem für Alleinerziehende, Pflegende sowie Mütter mit Kindern im Bürgergeldbezug oder für Schutzsuchende mit Kindern. Für alle Projekte stellt das Land insgesamt vier Millionen Euro bereit. Auch die EU sei an der Finanzierung beteiligt. Wichtiges Thema!

Offener Brief an die SPD

Da dieses Format nicht „Parteien-Splitter“ sondern „Polit-Splitter“ heißt, wollen wir euch zum Schluss auch nicht den offenen Brief des bekannten Baumretters Ralph Fröhlich und seiner Konferenz für Urban Transformation Design (KfUTD) vorenthalten. Adressat war bereits vor zwei Wochen die Offenburger SPD. Der Wortlaut:

„Mut zur Kettensäge – für eine sichere, schattenfreie Stadt“

Liebe SPD-Fraktion, liebe engagierte Sozialdemokrat:innen im Offenburger Gemeinderat,

mit großer Erleichterung haben wir Ihre jüngsten Überlegungen zur Verschärfung der Baumkontrollen aufgenommen. Endlich traut sich jemand, das auszusprechen, was viele schon lange denken, aber bisher nicht zu sagen wagten: Bäume sind einfach zu gefährlich.

Wir als Baumretter:innen möchten Ihnen deshalb unsere volle Unterstützung zusichern. Wir sind bereit, gemeinsam mit Ihnen ein Offenburg zu gestalten, in dem kein Bürger mehr von einem Ast überrascht wird. Schluss mit diesem unberechenbaren Grün!

Unser Vorschlag: Ein klarer, transparenter Grenzwert. Bäume über vier Meter Höhe – also jene, die besonders heimtückisch auf Passant:innen lauern – sollten aus Gründen der Vorsicht konsequent gefällt werden. Wir dürfen nicht länger warten, bis wieder ein Blatt fällt! Sicherheit geht vor. Und wer könnte das besser verstehen als eine Partei, die sich traditionell für die Arbeiterklasse starkmacht – jene, die schließlich unter der Last der Blätter den Gehweg kehren muss.

Damit schaffen wir nicht nur Klarheit, sondern auch neue Perspektiven:

  • Die Sonne wird endlich wieder ungehindert auf unsere Stadt scheinen.
  • Klimaanpassung wird zum Selbstläufer – wir passen uns einfach an die Hitze an.
  • Die frei werdenden Flächen bieten endlich Platz für sinnvolle Nutzungen: Parkplätze, Grillzonen oder einfach weite, übersichtliche Schotterflächen, auf denen niemand mehr stolpert.

Wir danken Ihnen für Ihren Mut, die Dinge radikal zu Ende zu denken. Offenburg könnte damit bundesweit Vorbild werden für ein völlig neues Verständnis von Stadtgrün – nennen wir es: „Stadtgrau 4.0“.

Wer war das noch damals?

Hintergrund der satirischen Einlage dürfte wohl das Verhalten der Genoss:innen im Gemeinderat gewesen sein – und zwar beim Thema Klimaanpassungsmaßnahmen und Baumschutzsatzung. Das wäre der SPD der 90er-Jahre nicht passiert. Denn damals gab es einen mir bekannten Juso-Kreisvorsitzenden, der die Parteikolleg:innen womöglich zur Räson gerufen hätte (Wie hieß der nochmal?!). Zum Kontext des offenen Briefs („Offenburger Stadtgrün“) bringen wir künftig weitere Informationen.

Siehe auch hier:

Polit-Splitter Ortenau: Zwischen Schwarz-Grünem Umweltpreis, SPD-Nachwahlen und CDU-Funkstille

CDU, Grüne, SPD: Der Polit-Splitter Ortenau über Macht, Motivation und Menschlichkeit in der Kreispolitik

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