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Profit mit jungen Fußball-Talenten: So krempelt der US-Investor BlueCo Racing Strasbourg um

Racing Strasbourg Training
© Philipp Cleiß – Der Ligue 1-Club Racing Strasbourg entwickelt junge Spieler weiter und erzielt Transfererlöse.
Racing Strasbourg steht im Spannungsfeld zwischen Fußballromantik und modernem Investorenmodell. Seit der Übernahme durch die US-Gruppe BlueCo setzt der Club auf junge Talente, die nach wenigen Jahren mit Gewinn weiterverkauft werden. Kritiker sehen darin den Ausverkauf der Identität, Fans protestieren gegen eine „nur noch aufs Geld ausgerichtete Politik“. Gleichzeitig locken sportlicher Erfolg, volle Stadien und Europa. Die ersten Heimspiele 2025/26 geben die Richtung vor.
Von Peter Cleiß

Die selbsternannten oder tatsächlichen Fachleute streiten sich. Den „echten Fußball gibt es nur in der Kreisliga“ sagen die einen. „Mich interessiert nur der Spitzenfußball“ meinen die anderen. Was also sollen sie tun, die Freiburger, Karlsruher oder Straßburger? Mit „eigenen“ Jungs antreten, auch wenn dies früher oder später den Abstieg aus der „Geld-Liga“ bedeutet – oder doch lieber investieren was das Zeug hält, um bei den Großen mitmischen zu können?

Romantische Verklärung

In Straßburg rast der Zug derzeit mit Höchsttempo in die zweite Richtung, zum Leidwesen mancher Fußballromantiker, deren romantische Verklärung des „echten Fußballs“ beim näheren Hinsehen auch eher eine Wiederbelebung von Kindheitserinnerungen sind. Allen Behauptungen zum Trotz ist auch der Kreisliga-Fußball eine moderne Erscheinung – zumindest, wenn man sich die Ursprünge dieser Sportart anschaut.

Kriegerisches Element

Die Wiege des Fußballs stand jedenfalls nicht in England. Legenden wollen schon lange vor Christi Geburt Frühformen des Fußballspiels gefunden haben – in China, bei den Maya oder in Griechenland. In all diesen Mythen findet sich ein kriegerisches Element. Auch im heutigen Fußball, sowohl in der Kreisliga wie auch im Profifußball, sind Athletik und Aggressivität „unverzichtbar“ – wenngleich der Feind, den man vernichten will, längst mit dem Gegner, mit dem man sich messen will, ersetzt ist.

Heute hier, morgen da

Und immer geht es um die eigenen Farben, für die die Spieler buchstäblich alles geben sollen. Der Wunsch nach großen Emotionen, nach einem „Himmel hoch jauchzend – zu Tode betrübt“-Erlebnis wird von den Fußball-Machern derzeit jedoch wieder einmal neuen Prüfungen unterzogen. Dass die Profis für Geld kicken – heute bei diesem Verein und morgen bei einem anderen, haben die Fans inzwischen geschluckt. Wer des Geldes wegen geht, wird beschimpft, wer des Geldes wegen kommt wird bejubelt.

Racing Strasbourg Liam Rosenior Coach

Racing-Trainer Liam Rosenior will unter die Top-5. Foto: Philipp Cleiß

Der Geld-Logik ausgeliefert

Vereinstreue ist in einer Welt, in der Arbeitnehmer für mehr Gehalt die Firma wechseln, aus der Zeit gefallen. Geld kennt keine Sättigungsgrenze. Es geht immer noch ein bisschen mehr. Wer die Geld-Logik einmal akzeptiert, liefert sich ihr aus. Weil die Ausgaben der Verein steigen, müssen auch die Einnahmen der Vereine angepasst werden. Neue Wettbewerbe müssen neue Einnahmen generieren – wie zuletzt die Club-WM. Neue Modalitäten – wie die Austragung eines Liga-Spiels Barcelona gegen Villareal in den USA – sollen neue Einnahmen bringen.

Starke werden immer stärker

Da die Medienerlöse nicht unter allen Liga-Mitgliedern gleich verteilt werden, sondern eine Spreizung der TV-Erlöse nach Tabellenplatz gilt, werden die Starken immer stärker. Vorschläge, wie die einer Gehaltsobergrenze für Fußballer, entsprechen dem Beispiel der NFL in den USA. Sie finden im Fußball so wenig Zustimmung wie andernorts. Racing Straßburg, seit zwei Jahren im Besitz der US-Amerikanischen Inverstoren-Gruppe BlueCo, spielt dieses Spiel mit – mit Erfolg. Die einstige „Fahrstuhlmannschaft“ zwischen 1.und 2. Liga, hat sich zum Ausbildungsverein gewandelt. Kritiker meinen, Racing habe damit seine Seele verkauft, die lokale Identität verloren und trage zum Untergang des echten Fußballs bei.

Verkäufe zu Chelsea London

Sei Übernahmen durch BlueCo verpflichtet Racing nur noch hochtalentierte Spieler, maximal 22 Jahre alt, die nach 1-2 Jahren zu Chelsea London transferiert – der Club ist ebenfalls im Besitz von BlueCo – oder für eine noch höhere Summe weiterverkauft werden. In der letzten Saison 2024-25 spielte Racing in der französischen Ligue 1 mit der jüngsten Mannschaft aller europäischen Profi-Teams. Drei Spieler wechselten in diesem Sommer zu Chelsea, 10 weitere Spieler wurden am Saisonende an andere Vereine verkauft.

„Geht nur noch ums Geld“

Für die neue Saison hat Racing erneut 15 neue Spieler aus aller Welt verpflichtet – allesamt jünger als 23 Jahre, hochtalentiert und mit besten Perspektiven auf eine erfolgreiche Fußballerlaufbahn bei einem Spitzenverein. Die Fußballromantiker unter den Straßburger Fans beklagen, dass diese Politik die Spieler zur bloßen Ware degradieren würde, dass nicht mehr der sportliche Erfolg der Mannschaft Ziel allen Handelns sei, dass es gar nicht mehr um Racing gehe, sondern um den maximalen Gewinn, der sich aus Ankauf und Verkauf junger Fußballer erzielen lässt. „Es geht ihnen nur noch ums Geld und nicht um den Sport und den Erfolg des Vereins“ kritisieren manche Fans in den sozialen Medien.

Streik der Racing-Fans

Die Wut einiger Fans über den eingeschlagenen Kurs hat dazu geführt, dass die Racing-Fans in der letzten Saison zu Beginn jeder Partie streikten. Erst ab Minute 15 begannen sie dann mit ihren Gesängen und Anfeuerungsrufen, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Für die Racing-Verantwortlichen stellt sich die Lage anders dar. Die junge Mannschaft hatte sich überraschend für die Teilnahme an der Conference League qualifiziert, spielt einen begeisternden Fußball.

Fußball-Fans Meinau-Stadion Strasbourg

In der Saison 2024/25 gab es Fan-Proteste im Stade de la Meinau. Foto: Philipp Cleiß 

Alle Ziele erreicht

Doch auch die Verkaufs-Erlöse für Spieler liegen weit über den Beträgen, die beim Kauf der Spieler zu bezahlen waren, das Stadion ist immer ausverkauft, der Club spielt gesichert in der 1. Liga Frankreichs und in der kommenden Saison sogar auf europäischer Ebene. Alle sportlichen und wirtschaftlichen Ziele wurden aus ihrer Sicht also erreicht. Werden sich die Racing-Fans hiervon überzeugen lassen?

Wenden sich die Fans ab?

Die Club-Verantwortlichen werden in den kommenden Monaten eine Antwort auf diese Frage bekommen. Entweder sie kommen weiter in großer Zahl ins runderneuerte Meinau-Stadion und feuern ihre Mannschaft begeistert an – oder sie wenden sich vom Verein ab. „Wir wollen das Stadion der Zukunft mit der Stimmung von heute bauen“, hatte Racing-Präsident Marc Keller zu Beginn des 180 Mio. Euro teuren Stadion-Umbaus als Ziel vorgegeben.

Erste Heimspiele geben Richtung vor

Lokale Identität und Begeisterung wollten Keller und seine Mitstreiter mit den Bedingungen des Geld-getriebenen Fußballgeschäfts von morgen unter einen Hut bringen. Am 21. August wird Racing Strasbourg beim ersten Heimspiel der neuen Saison, dem Qualifikationsspiel der Conference League, erstmals in der neuen Fußballarena spielen.

Drei Tage später, am 24. August folgt an gleicher Stelle das erste Heimspiel in der neuen Meisterschaftsrunde 2025-26 gegen den FC Nantes. Spätestens dann wird sich zeigen, wohin die Reise von Racing Strasbourg hingehen könnte. Gemeint ist aber nicht das erste Auswärtsspiel der Saison.

Siehe auch hier:

US-Investor von Racing Straßburg sorgt für Fan-Proteste im Meinau-Stadion

Stadionumbau beim Racing: Teile des A340 für die Fassade am Meinau-Stadion

80 Jahre Kriegsende: Straßburg und Kehl senden Botschaften für Europa – mitten auf dem Rhein

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