Arbeitswelt

Monika Braun von tesa über die Lage am Azubi-Markt: „Wir haben einen intensiven Wettbewerb um Talente“

Studierende Azubis tesa
© tesa SE – Azubis und dual Studierende bei tesa lernen praxisnah in der Produktion.
Fast die Hälfte der Betriebe am südlichen Oberrhein konnte 2025 nicht alle Ausbildungsplätze besetzen – das zeigt eine aktuelle IHK-Umfrage. Besonders betroffen sind Medien, Logistik, Industrie und Bau. Auch bei tesa in Offenburg blieben einige Stellen unbesetzt. Personalchefin Monika Braun erklärt im Interview, wie das Unternehmen um Nachwuchskräfte wirbt, warum Praxisnähe entscheidend ist und welche Rolle Messen, Social Media und familiäre Netzwerke spielen.
Von Wolfgang Huber

Am 1. September beginnt das neue Ausbildungsjahr. Doch laut einer aktuellen IHK-Umfrage zur Aus- und Weiterbildung, an der sich 277 Ausbildungsbetriebe am südlichen Oberrhein beteiligt haben, gaben 48 Prozent an, dass sie 2025 nicht alle Lehrstellen besetzen konnten, wie der Wirtschaftsverband in einer Pressemitteilung schreibt. Besonders betroffen von dem Azubi-Mangel seien die Medienbranche, aus der 57 Prozent der Befragten im Vorjahr nicht alle Lehrstellen besetzen konnten, Verkehr und Logistik (55 Prozent) sowie die Industrie und das Baugewerbe (jeweils 54).

Familiäre Netzwerke helfen

Zunehmend tun sich Betriebe und Schulabgänger schwer, zueinander zu finden. Das zeigt das Beispiel Aaron Pfaff. In seiner Schulzeit hätte er sich mehr Berufsvorbereitung gewünscht. „Am Gymnasium wird angenommen, dass nach dem Abi eh alle studieren gehen. Der Fokus liegt nie auf der Ausbildung“, wird Pfaff zitiert. Wie eine Ausbildung im Detail abläuft, habe er sich selbst beibringen müssen. Den Kontakt zur Firma Kammerer habe jemand aus seinem Freundeskreis hergestellt. Familiäre Netzwerke oder Freunde sind für junge Menschen oftmals die entscheidenden Ratgeber beim Berufsstart, wie IHK-Studien belegen.

Wichtig: Last-Minute-Lehrstellenbörse

IHK-Geschäftsführer Simon Kaiser unterstützt demnach solche Initiativen. „Die Berufsorientierung ist inzwischen zwar theoretisch gut in den Lehrplänen verankert. Das Problem liegt aber darin, dass die Lehrpläne in Sachen Berufsorientierung nicht überall gleich engagiert gelebt werden“, analysiert Kaiser. „Leider ist es noch immer so, dass Betriebe und Jugendliche oftmals nicht zueinander finden.“ Umso wichtiger seien Formate wie die Last-Minute-Lehrstellenböse, die die IHK Südlicher Oberrhein jedes Jahr zusammen mit der Arbeitsagentur und der Handwerkskammer auf die Beine stellt.

Nicht alle Stellen besetzt

Bei tesa starten am Standort Offenburg 14 neue Azubis ihre Lehrzeit. Auch hier konnten nicht alle Lehrstellen besetzt werden. Wir haben mit der Offenburger Personalchefin Monika Braun über die Situation um das Thema Ausbildung gesprochen. Dabei wurden u. a. die Strategie von tesa beim Azubi-Recruiting, die Rolle von Social Media und der Fachkräftemangel thematisiert:

Das Interview

Ortenau Journal: Bei tesa in Offenburg beginnen am 1. September 14 junge Menschen ihre Ausbildung. Konnten sie alle Plätze besetzen?

Monika Braun: Im tesa Werk Offenburg konnten wir nicht alle Ausbildungsplätze vollständig besetzen. Wir hätten unser Team gerne noch um einen Chemikanten sowie einen Maschinen- und Anlagenführer erweitert. Darüber hinaus hat sich ein dual Studierender kurzfristig für einen anderen Karriereweg entschieden. Diese spezifische Position werden wir im aktuellen Ausbildungszyklus nicht nachbesetzen, sondern uns auf die qualitativ hochwertige Ausbildung unserer neuen Auszubildenden konzentrieren.

Ortenau Journal: Zuletzt gab es den Trend, dass wieder mehr Jugendliche eine duale Ausbildung machen wollen. Wie hoch war die Zahl der Bewerbungen?

Monika Braun: Wir freuen uns über das steigende Interesse an dualer Ausbildung. Unsere attraktiven Ausbildungsplätze stoßen auf positive Resonanz, was sich in einer guten Bewerberlage widerspiegelt. Wir verfolgen einen effizienten Recruitingprozess – sobald wir geeignete Kandidaten gefunden haben, schließen wir die Ausschreibungen ab. Dadurch können wir frühzeitig Planungssicherheit für alle Beteiligten schaffen und den Bewerbern schnelle Zusagen geben.

Ortenau Journal: Was macht eine Ausbildung bei tesa besonders attraktiv?

Monika Braun: Im tesa Werk Offenburg bilden wir besonders praxisnah und handlungsorientiert aus. Unsere Auszubildenden arbeiten direkt an echten Produktionsanlagen und realen Projekten statt in separaten Ausbildungswerkstätten. Dies spiegelt sich auch in unseren Erfolgen wider: 61 Prozent der Mitarbeitenden in der technischen Abteilung in Offenburg sind ehemalige Auszubildende unseres Unternehmens. Im Prüfungsjahr 2024 wurde einer unserer Azubis als bester Mechatroniker im Kammerbezirk Südlicher Oberrhein ausgezeichnet und zwei weitere erhielten Förderpreise für ihre hervorragenden Leistungen.

Ortenau Journal: Auf welchen Kanälen finden die Recruiting-Maßnahmen hauptsächlich statt?

Monika Braun: Für uns ist die direkte Nähe zu Schülerinnen und Schülern besonders wichtig. Wir engagieren uns aktiv auf lokalen Messen, gehen direkt an die Schulen, organisieren einen eigenen Azubi-Info-Tag und bieten Schülerpraktika an. Zusätzlich nutzen wir Angebote wie „Dein Ding läuft“ und „Speeddating”-Formate, beispielsweise auf der Oberrheinmesse. Unsere Stellenanzeigen veröffentlichen wir auf unserer Website sowie auf spezialisierten Azubi-Plattformen wie ausbildung.de.

Ortenau Journal: Welchen Stellenwert nimmt Social Media ein bzw. welches Instrument generiert die meisten Reaktionen?

Monika Braun: Die persönliche Begegnung erweist sich als besonders effektiv. Unsere Präsenz auf Ausbildungsmessen und das Angebot von Schülerpraktika generieren die meisten qualifizierten Bewerbungen und ermöglichen einen authentischen Einblick in unsere Ausbildung und Unternehmenskultur.

Ortenau Journal: Spielen Printanzeigen noch irgendeine Rolle?

Monika Braun: Ja, wir nutzen regelmäßig die Sonderbeilagen zum Thema Ausbildung in den regionalen Tageszeitungen. Diese Printanzeigen sind ein wichtiger Kanal, um auch die Eltern zu erreichen, die nach wie vor einen bedeutenden Einfluss auf die Berufsorientierung junger Menschen haben.

Azubi tesa

Auszubildender bei tesa: „Intensives Kennenlernen“. Foto: tesa SE

Ortenau Journal: Wie viele der Azubis kommen aus dem Ausland bzw. haben eine Migrationsgeschichte?

Monika Braun: Etwa ein Viertel unserer Auszubildenden im Werk Offenburg hat einen Migrationshintergrund oder internationale Wurzeln.

Ortenau Journal: Macht sich dabei das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Ampel positiv bemerkbar?

Monika Braun: In den vergangenen Jahren haben wir eine zunehmende Internationalisierung unseres Bewerberpools beobachtet. Wir erhalten verstärkt Bewerbungen von Kandidatinnen und Kandidaten mit vielfältigen internationalen Hintergründen. Diese wachsende Diversität zeigt sich sowohl bei den Ausbildungsplätzen als auch bei anderen Stellenausschreibungen.

Ortenau Journal: Viele Azubis springen nach wenigen Wochen wieder ab. Wie hoch ist oder war bei tesa die Abbrecherquote?

Monika Braun: Im tesa Werk Offenburg können wir auf eine außergewöhnlich niedrige Abbrecherquote verweisen. In den letzten fünf Jahren hat nur ein Auszubildender das Unternehmen komplett verlassen. Zwei weitere Auszubildende haben lediglich den Ausbildungsberuf gewechselt, sind aber bei tesa geblieben.

Ortenau Journal: Wie sieht ihr Onboarding aus bzw. was tun sie, um die Abbrecherquote gering zu halten?

Monika Braun: Unser Erfolgsrezept beginnt bereits vor dem eigentlichen Ausbildungsstart: Wir bieten Schülerpraktika an, damit Interessierte den Beruf und unsere Unternehmenskultur vorab kennenlernen können. Beim Onboarding legen wir großen Wert auf intensives Kennenlernen und Teambuilding mit allen Auszubildenden, nicht nur mit den neuen. Dies senkt die Hemmschwelle und fördert die Integration. In den ersten Wochen führen wir zudem regelmäßige Gespräche mit der Ausbildungsleitung, um frühzeitig mögliche Herausforderungen zu erkennen und zu adressieren.

Ortenau Journal: Wie verhält sich der Ausbildungsmarkt in der Ortenau bzw. in Offenburg im Vergleich mit den anderen Standorten?

Monika Braun: Die Ortenau und speziell Offenburg zeichnen sich durch eine hohe Dichte an Industrieunternehmen aus, was zu einem umfangreichen Angebot an Ausbildungsplätzen führt. Die Region beheimatet zahlreiche Marktführer und Unternehmen mit hervorragendem Ruf. Dies führt dazu, dass besonders qualifizierte Schulabgängerinnen und Schulabgänger häufig mehrere Vertragsangebote zur Auswahl haben, was den Wettbewerb um talentierte Nachwuchskräfte intensiviert.

Ortenau Journal: Gefährdet der Fachkräftemangel generell die Unternehmensentwicklung von tesa?

Monika Braun: Der Fachkräftemangel ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit, der wir mit einer langfristigen Strategie begegnen. Seit 1961 haben wir in Offenburg etwa 300 Auszubildende qualifiziert und damit ein starkes Fundament geschaffen. Unsere hauseigene Ausbildung ist ein zentraler Pfeiler unserer Personalstrategie – wir investieren heute in die Fachkräfte von morgen. Mit unserer praxisnahen Ausbildung und hohen Übernahmequote schaffen wir nicht nur Perspektiven für junge Menschen, sondern sichern auch nachhaltig unsere Innovationskraft. Zusätzlich fördern wir kontinuierliche Weiterbildung und flexible Arbeitsmodelle, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.

In den kommenden Jahren werden wir verstärkt auf digitale Kompetenzen und nachhaltige Produktionsprozesse setzen, um unsere Auszubildenden optimal auf die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten. Mit der engen Verzahnung von Theorie und Praxis, unserem umfassenden Betreuungskonzept und der starken Einbindung in reale Projekte bieten wir jungen Menschen nicht nur eine hervorragende Ausbildung, sondern auch echte Zukunftsperspektiven. Unser Ziel bleibt es, talentierte Nachwuchskräfte zu gewinnen, zu fördern und langfristig an unser Unternehmen zu binden – als Grundlage für die erfolgreiche Weiterentwicklung von tesa.

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