Am Donnerstag stellte die Stadt Oberkirch gemeinsam mit der Servicestelle Bürgerbeteiligung dem Gemeinderat und der interessierten Öffentlichkeit die Ergebnisse des Bürgerforums im Zuge des Bürgerentscheids zum Windpark Schwend vor. Weshalb explizit der Gemeinderat adressiert wurde, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Denn das Gremium hat mit der Zustimmung zum Pachtvertrag seine Position bereits abgegeben und spielt eigentlich bis zum 20. Juli – dem Tage des Bürgerentscheids – keine Rolle mehr.
30 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger waren aufgerufen, sich an drei Terminen mit den Argumenten für und gegen die Windkraft im Allgemeinen und speziell am Standort Schwend auseinanderzusetzen. Beim ersten und zweiten Termin wurden Argumente gesammelt und in 15 Themenfeldern voneinander abgegrenzt. Das Bürgerforum bestätigte diese zu Beginn des dritten Termins.
Abschließend ging es darum, zu jedem dieser 15 Themenfelder die jeweils max. drei wichtigsten Argumente für und gegen die Windkraft auf der Schwend herauszuarbeiten. Diese wurden von allen Teilnehmern mit Schulnoten bewertet. Note 1 bis 4 bedeutet eine (abgestufte) Zustimmung, die Noten 5 und 6 eine Ablehnung. Die Ergebnisse sind auf der Website der Servicestelle Bürgerbeteiligung abrufbar.
Wie sich bei den Ergebnissen abzeichnet, überwiegen die Argumente für den Windpark. Bezeichnend ist dabei, dass es beim am meisten überzeugenden Argument ums Geld geht: Die Pachteinnahmen für die Stadt Oberkirch. Insgesamt finden sich unter den 11 am meisten überzeugenden Argumenten laut den vorliegenden Ergebnissen lediglich drei, die gegen das Projekt auf der Schwend sprechen. Acht sprechen dafür.
Demgegenüber ist unter den 10 Argumenten, die am wenigsten überzeugten, lediglich eines, das sich für und 9, die sich gegen das Projekt aussprechen. Die Klassiker von Windkraftgegnern wie Infraschall oder Rotorabrieb oder die CO2-Bilanz von Windkraft konnten nicht überzeugen. Selbst der starke Eingriff ins Landschaftsbild fand keine Mehrheit der Forumsteilnehmer.
Die Themen Schattenwurf, Lärm, Infraschall und Alternativstandorte waren unter den 10 kontroversesten Argumenten. Die ethische Verantwortung gegenüber den Menschen auf der Schwend und die Sorgen vor Schäden am Wald konnten bei den überzeugendsten Argumenten aller 15 Themenfelder überzeugen, doch die meisten gehen in die Richtung einer Zustimmung zum Windpark Schwend.
Nun sind 30 zufällig ausgewählte Bürger noch lange nicht repräsentativ. Sollte es sich jedoch um einen an die tatsächlichen Verhältnisse annähernden Querschnitt handeln, wären die Chancen für einen Sieg der Windkraftgegner beim Bürgerentscheid eher gering. Dementsprechend fiel auch die Reaktion der Koehler Group aus. Mit einer gewissen Siegesgewissheit lässt sich Nicolas Christoph, Bereichsleiter Windenergie, Solar, Hydro & Business Development bei Koehler Renewable Energy, in einer Pressemitteilung zitieren: „Die gestern veröffentlichten Ergebnisse des Bürgerforums unterstreichen die Vorteile des Windparks Schwend für Oberkirch und die gesamte Region. Ich bin überzeugt, dass viele Bürgerinnen und Bürger unser Projekt ähnlich einschätzen und wir nach dem 20. Juli unsere Projektplanung fortsetzen können.“
Gleichzeitig gibt das Unternehmen die Veröffentlichung eines neuen Videos unter dem Titel „Zukunfts Energie Acher-Rench“ bekannt. Darin betont zunächst Koehler-Vorstandschef Kai Furler, dass mit dem Windpark der Standort Oberkirch langfristig gesichert werden könne. Auch der Bundestagsabgeordnete Johannes Rothenberger (CDU), Prof. Dr.-Ing. Martina Hofmann von der Klimaschutz und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA), Nicolas Christoph, der Einkaufsleiter Manuel Boschert und der junge Windradbesitzer Max Rohrhirsch kommen zu Wort.
Sie nehmen sich einige immer wiederkehrende „Behauptungen“ von Windkraftgegnern vor, um diese zu widerlegen. So hätten zahlreiche Studien ergeben, dass es beim Thema Infraschall keine Fälle von gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Schlafstörungen gebe. Hofmann berichtet aus eigener Erfahrung davon, dass es für Anwohner von Windanlagen keine derartigen Einschränkungen gebe. Waldeingriffe wie auf der Schwend müssen zudem 1:1 ausgeglichen werden.
Johannes Rothenberger plädiert dafür, dass Koehler die Chance bekommen solle, das dem Bürgerentscheid anschließende Genehmigungsverfahren durchlaufen zu können. Zum Argument von den Windrädern als „Vogelschredder“ wird darauf verwiesen, dass die meisten Vögel und Fledermäuse Windräder umfliegen würden und eine Abschaltautomatik für zusätzliche Sicherheit sorge. Ähnlich hatte sich auch der Hornisgrinde-Investor Matthias Griebl im Interview mit dem Ortenau Journal zu Weihnachten 2024 geäußert. Es hätte in 35 Jahren, die das Windrad auf der Hornisgrinde steht, dort oben noch nie einen toten Vogel gegeben.
Auch wenn das Video von Koehler „Zukunfts Energie Acher-Rench“ nach drei Tagen erst 914 Views verzeichnet (das Video „Ja_zur_Schwend_Trailer“ erzielte knapp 20.000 Views), bläst den Windpark-Gegnern Stand heute eine scharfe Brise entgegen. Schwend-Anwohner André Maier war von Anfang an bei allen Aktionen seiner Initiative „Ja zur Schwend“ dabei. Er ist einer von drei Vertrauenspersonen für das Bürgerbegehren. Für ihn hat das Ergebnis des Bürgerforums keine Bedeutung. Die Anwohner hätten alle 30 Teilnehmer des Bürgerforums eingeladen, sich die Situation auf der Schwend anzuschauen, doch nur drei seien gekommen. „Ich bin mir nicht sicher, ob es uns auch nur Ansatzweise gelungen ist, unsere Situation vor Ort rüberzubringen“, sagt Maier.
Überhaupt sei das Ganze ein Kampf von David gegen Goliath. Maier: „Da kommt der Geschäftsführer von Koehler Renewable Energy, der ist geübt darin, Vorträge zu halten. Da fällt es uns als Bauern, die hier oben einfach Landschaftspflege betreiben schwer, dagegen zu halten.“ Die Projektbetreiber hätten da ganz andere Mittel, das fange schon bei deren Ausbildung an. Dennoch sei bei dem Bürgerforum keine klare Aussage herausgekommen: „Haben sie das gesehen, also ich nicht.“ Für ihn ist das Bürgerforum ein Hilfeschrei der Stadt. Die habe schon einen Schluckreflex bekommen wegen des starken Wahlkampfs der Schwender.
Den Ausgang des Bürgerentscheids kommenden Sonntag schätzt André Maier jedenfalls positiv ein: „Es kommen viele Bürger hoch auf die Schwend, um sich das vor Ort anzuschauen. Hier und auch bei den Info-Ständen sind sieben bis acht von zehn Personen bei uns.“ Von den abgegebenen Stimmen werde die Mehrheit mit „Ja zur Schwend“ stimmen. Sorgen mache er sich über die Wahlbeteiligung. Die meisten Oberkircher betreffe das Projekt nicht direkt, da dürften viele zu Hause bleiben, so Maier.
Auch bei den Veranstaltungen der Projektgegner seien mehr Leute gekommen, als bei dem Info-Event von Koehler in der Erwin-Braun-Halle. Maier: „Anscheinend ist der Trend eher kritisch gegenüber Koehler.“ Gleich morgen, am Montag, den 14. Juli, um 19 Uhr (Einlass 18 Uhr) finde in der Gemeindehalle Tiergarten eine Veranstaltung mit dem prominenten Referenten Prof. Dr. Fritz Vahrenholt statt. Der war Umweltsenator von Hamburg unter Henning Voscherau in den 90er Jahren und bei Unternehmen wie Shell für die erneuerbare Energien-Sparte zuständig. Bei RWE Innogy war Vahrenholt Vorstandsvorsitzender und beim Hamburger SV, Aurubis oder Thyssenkrupp im Aufsichtsrat.
Der Hamburger ist zudem Mitautor des Buchs Die kalte Sonne. Unter dem Titel „Die CO2-Lüge“ wurden Auszüge aus dem Buch in einer dreiteiligen Serie in der Bild vorab gedruckt. Vor allem Änderungen der Sonnenaktivität und Änderungen der Meeresströmungen hätten, so die Kernthese des Buches, zu der globalen Erwärmung geführt, weniger das CO2. Durch die abnehmende Sonnenaktivität würde die zukünftige Erwärmung sehr viel geringer ausfallen als vom IPCC prognostiziert. Überflüssig zu erwähnen, dass die Thesen Vahrenholts höchst umstritten sind.
Während die einen den Klimawandel als solches bestreiten und jeden Regen als Beweis ihrer These feiern, bestreiten andere lediglich, dass die Erderwärmung menschengemacht ist. Genau so heterogen ist auch die Szene der Windkraftgegner, die gerne auf prominente Vertreter aus dem Kreis der Klimaskeptiker zurückgreifen. Die Zahl der Interessierten, die morgen nach Tiergarten kommen werden, ist auch wieder ein Hinweis auf die Tendenz in der Bevölkerung bezüglich der Schwend.
Vom Windpark Schwend sind laut André Maier rund 100 bis 150 Menschen auf der Schwend direkt betroffen. Sie würden auf insgesamt 28 Höfen leben. Sie sind es letztlich, die im Mittelpunkt der Entscheidung stehen werden. Das ist auch der Grund, wieso die Oberkircherinnen und Oberkircher sorgfältig abwägen sollten, wo sie das Kreuz machen. Immerhin haben 29 von 29 Stimmen der am Bürgerforum Beteiligten der Aussage zugestimmt: „Ethische Verantwortung gegenüber den Menschen, die auf der Schwend leben: ihre Ängste und Sorgen wahrnehmen.“
Siehe auch hier:
Windpark Schwend: YouTube-Video geht mit 15.000 Klicks in 10 Tagen viral – Interview mit Peter Cleiß
Showdown um Windpark Schwend: Kurz vor Abschluss der Bürgerbeteiligung gelingt Koehler ein PR-Coup
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