Umweltpolitik

Verpackungssteuer: Offenburger und Oberkircher Grüne bekommen erstmal Gegenwind

Einwegbecher
© BlackPaw/pixabay
Vor wenigen Tagen hatte das Bundesverfassungsgericht die Tübinger Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen für rechtmäßig erklärt. Nun könnte sich eine Bewegung von Kommunen bilden, die eine ähnliche Lösung anstreben wie Tübingen. Dergleichen hört man aus Freiburg oder Heidelberg. Auch in der Ortenau gibt es bereits Initiativen von Seiten der Grünen in Oberkirch und Offenburg. Doch IHK und FDP raten dringend von einem „Bürokratiemonster“ ab.

Von Wolfgang Huber

Eine örtliche McDonalds-Betreiberin hatte Verfassungsbeschwerde eingereicht. Diese wurde nun am 22. Januar abgewiesen. Bereits im Mai 2023 hatte der Senat grünes Licht für das Tübinger Modell gegeben. In der Universitätsstadt gilt die Steuer seit 1. Januar 2022 und gilt für Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck beim Verkauf von Speisen und Getränken zum Mitnehmen. Für Kaffeebecher oder Einweggeschirr sind beispielsweise 50 Cent fällig.

Vorbildfunktion

Laut dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hätten zahlreiche Städte und Gemeinden nur auf das Urteil aus Karlsruhe gewartet, um ähnliche Steuermodelle wie der Vorreiter Tübingen auf den Weg zu bringen. Denn dieses sei wirksam: Die Abgabe bringe Mehrweg-Lösungen voran und dränge die Müllflut im Stadtbild ganz wesentlich zurück, wie die Zeitschrift Ökotest in ihrer Online-Ausgabe berichtet.

Ob bereits Ortenauer Städte über die Einführung einer solchen Steuer nachdenken, ist uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. Aber sowohl die Oberkircher als auch die Offenburger Grünen-Stadtratsfraktionen haben bereits entsprechende Anträge im Stadtparlament gestellt oder beabsichtigen dies ganz aktuell. Die Grünen in Oberkirch begründeten die Initiative im Dezember 2024 u. a. mit der Erderhitzung, der Vermüllung und der geplanten Ansiedlung eines Burger-King-Restaurants in der Renchtalmetropole. „Die Entscheidung für die Ansiedlung eines CO2- und abfallintensiven Fast-Food-Betriebs ist ein Signal der Gleichgültigkeit gegenüber unseren Kindern und Enkeln, an Umwelt und Tierwohl und an die Menschen, die bereits heute durch die Zerstörung von Böden, Vermüllung der Meere und durch den menschengemachten Klimawandel ihrer Existenzgrundlagen beraubt werden“, heißt es in einer Pressemitteilung der Oberkircher Grünen. Befürwortet werde daher der Einsatz von Mehrweggeschirr.

„Ideologisch geprägte Symbolpolitik“

Eine Antwort darauf kam prompt vom FDP-Ortsverband Oberkirch-Renchtal. Dieser zeigte sich irritiert über den Vorstoß der Grünen zur Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer. Er verdeutliche, wie ideologisch geprägte Symbolpolitik die Entwicklung unserer Region behindere, schreibt die FDP in einer Pressemitteilung. Und weiter: „Die Grünen glauben offenbar, mit immer kleinteiligeren Regelungen die Welt retten zu können, indem dadurch eine bestimmte Gewerbeansiedlung die legal ist, verunmöglicht oder zumindest gegängelt werden soll.“ Gemeint ist die geplante Burger-King-Filiale. Nicht zuletzt würden die Grünen ignorieren, dass Drive-In Angebote, die sicher als Hauptverursacher von „wildem Müll“ vermutet werden dürfen, von einer Verpackungssteuer überhaupt nicht erfasst würden. Beim Vorreiter Tübingen ist dies tatsächlich so geregelt.

Auch in Offenburg gibt es bereits einen vergleichbaren Vorstoß. Die dortige Grünen-Stadtratsfraktion will einen Antrag zur Einführung einer kommunalen Steuer auf Einwegverpackungen stellen. Beflügelt von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts weist die Fraktion darauf hin, dass Kommunen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung Kompetenzen besitzen, lokale Maßnahmen zur Reduktion von Verpackungsmüll zu ergreifen. Ziele sind Müllvermeidung und die Stärkung von Mehrwegsystemen. Außerdem könnten bei einer zu erwartenden Senkung der Müllentsorgungskosten die Müllgebühren für die Bevölkerung ebenfalls reduziert werden. In der Pressemitteilung wird auf andere Städte wie Freiburg, Heidelberg oder Konstanz hingewiesen, die ähnliche Maßnahmen in Erwägung ziehen oder bereits umgesetzt hätten. Dieser Bewegung soll sich Offenburg nach Ansicht der Grünen anschließen.

„Massiver Bürokratieaufwand“

Davon rät die IHK Südlicher Oberrhein jedoch dringend ab. Dass das Bundesverfassungsgericht das Tübinger Modell für rechtmäßig erkläre, sei das eine. Das mache sie aber aus Sicht des Stellvertretenden IHK-Hauptgeschäftsführers Alwin Wagner noch lange nicht sinnvoll. Er rät Städten, die mit einer Verpackungssteuer liebäugeln, davon abzusehen: „Abfallvermeidung liegt auch uns am Herzen. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass die Verpackungssteuer der falsche Weg ist“, teilt der Verband mit. Wagner sieht einen massiven Bürokratieaufwand, der die ohnehin schon mit vielen bürokratischen Vorschriften belegten Unternehmen zusätzlich belasten würde. „Wer findet, dass dieses Land an seiner Bürokratie zu ersticken droht – Stichwort Brombeergestrüpp -, kann die Einführung einer Verpackungssteuer nicht gutheißen“, so Wagner.

Neben der kleinteiligen Ausgestaltung der Vorschriften kritisiert Wagner auch den Umstand, dass das Verkaufspersonal in Tübingen mit Fragen wie „Verzehren Sie sofort oder zuhause?“ herausfinden müsse, ob die Steuer fällig werde oder nicht. So werde ein kalter Zwiebelkuchen nicht besteuert, ein warmer in der gleichen Verpackung jedoch schon. Doch viele Angestellte von Fast-Food-Restaurants, so Wagner, seien kaum der deutschen Sprache mächtig, da sie aus den unterschiedlichsten Nationen kämen. Wagner: „Wie soll jemand mit eingeschränkten Sprachkenntnissen ein System verstehen, bei dem selbst Muttersprachler am Ende ihres Lateins sind?“

Fehlende Kontrollen

Schließlich, so heißt es weiter in der Pressemitteilung, gebe es Alternativen. So sei das Mehrwegsystem noch ausbaufähig. Außerdem könnte man diejenigen stärker kontrollieren und belangen, die den Müll in der Stadt nicht ordnungsgemäß wegschmeißen. An diesem Punkt vergisst Wagner jedoch, dass die Städte oder die Polizei gar nicht genug Personal haben, um solche Kontrollen wirksam durchzuführen.

Letzteres erinnert an die seit Januar 2023 geltende Mehrwegangebotspflicht, die also noch aus der Zeit der Ampel-Regierung stammt und von der grünen Umweltministerin Steffi Lemke eingeführt wurde. Es verpflichtet zum Beispiel Restaurants, Bistros, Kantinen, Cateringanbieter, Cafés, aber auch Supermärkte, Tankstellen oder andere Lebensmittelgeschäfte, Einwegkunststoffverpackungen für Lebensmittel und von Einweggetränkebechern die Speisen und Getränek unter anderem im To-Go-Bereich auch in einer Mehrwegverpackung anzubieten haben.

Keine Nachfrage nach Mehrwegalternativen

Auch bei diesem Gesetz hat sich die Umsetzung als fast unmöglich erwiesen, insbesondere da die Kunden von Restaurants beim Abholen von bestelltem Essen praktisch nie nach einer Mehrwegalternative fragen würden, wie die Geschäftsinhaber unisono bemerkten. selbst die Grünen-Bundestagskandidatin im Wahlkreis Offenburg, Ann-Margret Amui-Vedel musste im Interview mit dem Ortenau Journal im Dezember einräumen, dass das Gesetz nicht die beste Lösung ist: „Aber ich muss Ihnen komplett beipflichten, dass die Umsetzung des Gesetzes aktuell überhaupt nicht funktioniert – was ich sehr traurig finde. Ich halte das Gesetz für sinnvoll und notwendig. Nachdem es endlich in Kraft getreten war habe ich natürlich immer wieder beim Kauf nach der Mehrweglösung gefragt. Sehr oft bekam ich die Antwort: „Wir haben keine Mehrwegbecher.“ Manchmal hab ich auf das Gesetz hingewiesen. Viele kannten es nicht oder wollten einfach nichts davon wissen. Vielleicht ist es zu kompliziert…“, so Amui-Vedel damals.

Von bürokratischen und komplizierten Gesetzen haben eigentlich alle erstmal genug. Allerdings kann man ja mal in Tübingen nachfragen, sofern mal mit dem Gedanken an eine Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer spielt. Denn Tübingen kann aus seiner Erfahrung berichten, wo die Regelung laut OB Boris Palmer hervorragende Ergebnisse bringe. Vom Aspekt der Bürokratie, der auch von der IHK beanstandet wird, war in den Verlautbarungen bis jetzt nicht viel zu hören.

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